Die Zuwanderung in den Landkreis
Der Landkreis stellt in seinem Buch die Migrationsbewegungen von 1945 bis heute in den Fokus
TUTTLINGEN – Rund 2000 Flüchtlinge hat der Landkreis Tuttlingen vor vier bis fünf Jahren aufgenommen. Die Flüchtlingskrise nahm der Kreis deshalb als Anlass, mit seinem Buch „Zuwanderung in den Landkreis Tuttlingen von 1945 bis heute“die Migrationsbewegungen der vergangenen Jahrzehnte zu thematisieren.
Laut dem Tuttlinger Landrat Stefan Bär leben im Kreis Tuttlingen aktuell 16,5 Prozent ausländische Staatsangehörige. „Das sind überdurchschnittlich viele“, sagte er in seiner Begrüßung bei der Buchpräsentation am vergangenen Donnerstag im Sitzungssaal des Landratsamtes. Jeder vierte im Landkreis habe zudem einen Migrationshintergrund. Der wirtschaftsstarke und industriereiche Landkreis sei ein Grund, warum sich „viele Zuwanderer bei uns auf Dauer niedergelassen haben“, findet der Landrat, der die „guten Arbeitsplätze“und den „attraktiven Lebensraum“hervorhob.
In vier Gruppen teilte er die Flüchtlingsbewegungen ein: die Heimatvertriebenen, die „direkt nach dem Zweiten Weltkrieg 1945 zu uns kamen“, die Gastarbeiter aus den Fünfzigern und Sechzigern, die Spätaussiedler, die in den Achtzigern und Neunzigern nach Deutschland kamen sowie die Bürgerkriegsflüchtlinge in den vergangenen Jahren.
Roland Heinisch vom Kreisarchiv und Kulturamt sowie der Historiker
Nils Bambusch gingen im Anschluss auf die Inhalte des Buches ein und berichteten über die Flüchtlinge und Heimatvertriebenen aus Ostpreußen, Schlesien und den donauschwäbischen Gebieten. Die Publikation befasst sich unter anderem mit einzelnen Personen wie Winfried Bressem, der als siebenjähriger Junge 1944 aus seiner Heimat Ostpreußen fliehen musste und schließlich in Fridingen seine neue Heimat fand. Auch das Lager Mühlau in Tuttlingen steht auf mehreren Seiten im Fokus. Es war zunächst für Zwangsarbeiter bestimmt, von 1945 bis 1949 diente es aber als Kriegsgefangenenlager der Franzosen für deutsche Wehrmachtsangehörige und später als vorübergehende Bleibe für Heimatvertriebene.
Behandelt werden auch die deutschstämmigen Spätaussiedler aus Polen, Rumänien und der Sowjetunion, die Jahrzehnte später in den Landkreis zogen, genauso rund 2000 Flüchtlinge und Asylsuchende, die 2015 und 2016 im Landkreis eine Aufnahme fanden – wie Ahmad Hamdan, der über seinen Fluchtweg berichtet.
Die Wirtschaft steht im Buch ebenso im Fokus. Denn: Die Zuwanderung spielt beispielsweise im Medizintechnikunternehmen Aesculap genauso wie im Hammerwerk Fridingen eine große Rolle. Bereits 1974 seien mehr als 18 Prozent der Aesculap-Beschäftigten ausländische Staatsangehörige gewesen. Im Hammerwerk
arbeiteten in der Abteilung Schmiede im Jahr 1982 von insgesamt 105 Beschäftigten 86 Gastarbeiter.
Sozialdezernent Bernd Mager schildert in dem Buch „große Herausforderungen“durch den Zustrom der jüngsten Flüchtlingskrise und der Einrichtung von 36 Gemeinschaftsunterkünften. Der frühere Leiter der Ferdinand-von-SteinbeisSchule Hartwig Hils erklärt in der Publikation die Situation, als in den Neunzigern viele Spätaussiedler, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, an die Schule kamen. Genauso thematisiert das Buch, welche Herausforderungen die Flüchtlingskrise für den Unterricht an der Berufsschule mit sich brachte. Auch Historiker, Kulturwissenschaftler sowie weitere Vertreter aus der Wirtschaft, Schulen und Verwaltung kommen zu Wort.
Landrat Stefan Bär bedankte sich nach der Präsentation mit Geschenken bei den Autoren, Zeitzeugen und Interviewpartnern, mit deren Informationen das Buch anschaulich realisiert werden konnte. Bär betonte zudem, dass die zurückliegende Ausstellung zum Thema Zuwanderung im vergangenen Jahr viel Beachtung und einen großen Zuspruch erhalten hätte.
Das Buch kann in den Buchhandlungen des Kreises sowie in der Zentrale des Landratsamtes Tuttlingen für 14,90 Euro erworben werden.