N!-Region 5G setzt Zeichen der Solidarität
Beteiligte Gemeinden gehen Partnerschaft mit zwei Dörfern im Norden von El Salvador ein
WELLENDINGEN (sbo) - Die Zeit ist reif, dass die N!-Region 5G, die bisher für viele ein Schattendasein fristet, stärker ans Sonnenlicht tritt: mit einer Partnerschaft mit den Gemeinden San José Ingenio (400 Einwohner) und Majadita (200 Einwohner) im Norden des mittelamerikanischen Staates El Salvador.
Die Versammlung aller Gemeinderäte der fünf Mitgliedsgemeinden von Baden-Württembergs erster Nachhaltigkeitsregion – Aldingen, Deißlingen, Denkingen, Frittlingen und Wellendingen –, die sich im Wellendinger Bürgerhaus zu einer gemeinsamen Sitzung treffen, schließt sich dem Plädoyer von Denkingens Bürgermeister Rudolf Wuhrer an, das Projekt anzugehen und den Austausch mit den Menschen, die im Nationalpark Montecristo wohnen, zu pflegen.
Hier geht es in erster Linie nicht ums Monetäre und auch nicht um eine Partnerschaft im klassischen Sinne, wie sie Städte und Gemeinden mit französischen oder italienischen Gemeinden seit Jahrzehnten praktizieren.
Nachhaltigkeit, das Bewusstsein, auf einer Erde zu leben, die globale Verantwortung, zu der sich die Nachhaltigkeitsregion verpflichtet fühlt, das Nicht-egal-sein, was auf der anderen Seite der Welt passiert, die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung, aber auch das Herstellen von Vertrauen, Menschen in armen Gegenden der Erde das Gefühl geben, nicht allein zu sein, das Knüpfen einer Bande mit dem „reichen“Mitteleuropa: Dies und noch manches mehr treibt in diesem Fall die Flüchtlingshilfe Mittelamerika und – zuerst, aber nicht als einzigem – Rudolf Wuhrer um.
Wuhrers Tochter kam mit dem Nationalpark Montecristo, mit den Gemeinden San José Ingenio und Majadita während ihres Studiums in Verbindung. Aus ersten Überlegungen heraus entwickelt sich im vergangenen Jahr in der Steuerungsgruppe der N!-Region 5G die Idee zu einer Partnerschaft. Bereits sichtbar: Kaffee für die Mitarbeiter im Wellendinger Rathaus kommt aus El Salvador.
Jürgen Tönnesen und Manuel Loeker von der Flüchtlingshilfe Mittelamerika
mit Sitz in Goch (Nordrhein-Westfalen) stellen El Salvador, die Flüchtlingshilfe, den Nationalpark, die zwei Gemeinden sowie ihre Probleme und Sorgen vor.
El Salvador sei eines der zehn
Länder, die vom Klimawandel am stärksten betroffen seien. Tönnesen spricht von einer „brutalen“Zunahme von Hurrikans, dem Ansteigen des Meeresspiegels (El Salvador liegt an der Pazifikküste und wird mit dem El-Nino-Phänomen hautnah konfrontiert), aber auch der Zunahme der Trockenheit.
Er verdeutlicht den Wunsch der zwei Gemeinden nach einer Partnerschaft mit der N!-Region 5G. Jene sei weit mehr als materielle Hilfe. Für jede Familie, die zusammenbleiben könne, bedeute dies eine mentale Sicherheit. Kurz: Arbeit und ein respektables Einkommen vor Ort. Der Rückhalt, den diese Familien durch die Anerkennung, durch das Wissen um einen Partner in der westlichen Welt erfahren, so Wuhrer, hebe deren Selbstwertgefühl.
Im Nationalpark laufen unterschiedliche Projekte. So wird Biodünger genannt, der mit Hilfe kubanischer Wissenschaftler entwickelt worden sei. Nach einer größeren Dürre 2018 habe sich seine Wirkung gezeigt. Auf Flächen, versorgt mit diesem Biodünger, seien Pflanzen und Früchte kräftiger und größer gewachsen als auf jenen mit konventioneller Bewirtschaftung. Folge: Immer mehr Bauern stellen ihre Methoden um.
Jürgen Tönnesen erwähnt, dass dort im Norden das wichtigste Wassereinzugsgebiet des Landes liege. Er spricht von chemischen Verbindungen, die im Wasser vorzufinden seien, die fatal an jene erinnern, wie sie im Rhein in den 60er- und 70erJahren angetroffen worden seien, und von schweren Erkrankungen. Seit dem besagten Projekt der Regierung mit den kubanischen Wissenschaftlern 2011 und zum Beispiel dem Biodünger habe sich die Situation bereits etwas verbessert.
Was die Menschen der Gemeinden San José Ingenio und Majadita benötigen und erwarten, lässt sich mit der ökologischen Landwirtschaft, der Vermarktung von Kunsthandwerk, mit Fortbildungen und dem Ausbau von Ökotourismus beantworten.
Konkret für die N!-Region 5G: Bau von ökologischen Blockhütten, damit Touristen bleiben können. Um Sachen zu erleben, die jedem in Erinnerung bleiben, so Tönnesen, nicht nur die intensiven Farben des Waldes und der Schmetterlinge. Hier sei jedoch nicht in erster Linie der Europäer angesprochen (allein wegen der langen Flugreise), sondern zuerst der Einheimische, der Amerikaner und der Kanadier.
Einerseits wird an diesem Abend im Bürgerhaus in Wellendingen nicht über das Pekuniäre gesprochen – erst wollte ja die Steuerungsgruppe, bestehend aus den fünf Bürgermeistern und Mitgliedern der Verwaltungen, das grundsätzliche Einverständnis zur Partnerschaft erhalten –, andererseits klingt sehr wohl an, dass mit 5000 Euro viel im Bereich ökologische Blockhütten umgesetzt werden könnte. Erhofft wird, dass Ökotouristen als Multiplikatoren dienen (“Man schätzt nur, was man kennt“, so Tönnesen). Nach dieser nachhaltigen Botschaft aus Wellendingen darf sich demnächst der Präsident, also der Bürgermeister, einer der zwei besagten Gemeinden auf eine positive Antwort seines Schreibens vom 17. Januar freuen. Darin ist sogar die Einladung zu einem Besuch ausgesprochen, wie Wuhrer mitteilt. Um etwaige Sorgen wegen der allgemeinen Sicherheit im mittelamerikanischen Land zu minimieren, wird erwähnt, dass die deutsche Botschaft Besuch und Partnerschaft begleiten werde.