Gränzbote

N!-Region 5G setzt Zeichen der Solidaritä­t

Beteiligte Gemeinden gehen Partnersch­aft mit zwei Dörfern im Norden von El Salvador ein

- Von Andreas Pfannes

WELLENDING­EN (sbo) - Die Zeit ist reif, dass die N!-Region 5G, die bisher für viele ein Schattenda­sein fristet, stärker ans Sonnenlich­t tritt: mit einer Partnersch­aft mit den Gemeinden San José Ingenio (400 Einwohner) und Majadita (200 Einwohner) im Norden des mittelamer­ikanischen Staates El Salvador.

Die Versammlun­g aller Gemeinderä­te der fünf Mitgliedsg­emeinden von Baden-Württember­gs erster Nachhaltig­keitsregio­n – Aldingen, Deißlingen, Denkingen, Frittlinge­n und Wellending­en –, die sich im Wellending­er Bürgerhaus zu einer gemeinsame­n Sitzung treffen, schließt sich dem Plädoyer von Denkingens Bürgermeis­ter Rudolf Wuhrer an, das Projekt anzugehen und den Austausch mit den Menschen, die im Nationalpa­rk Montecrist­o wohnen, zu pflegen.

Hier geht es in erster Linie nicht ums Monetäre und auch nicht um eine Partnersch­aft im klassische­n Sinne, wie sie Städte und Gemeinden mit französisc­hen oder italienisc­hen Gemeinden seit Jahrzehnte­n praktizier­en.

Nachhaltig­keit, das Bewusstsei­n, auf einer Erde zu leben, die globale Verantwort­ung, zu der sich die Nachhaltig­keitsregio­n verpflicht­et fühlt, das Nicht-egal-sein, was auf der anderen Seite der Welt passiert, die Bewusstsei­nsbildung in der Bevölkerun­g, aber auch das Herstellen von Vertrauen, Menschen in armen Gegenden der Erde das Gefühl geben, nicht allein zu sein, das Knüpfen einer Bande mit dem „reichen“Mitteleuro­pa: Dies und noch manches mehr treibt in diesem Fall die Flüchtling­shilfe Mittelamer­ika und – zuerst, aber nicht als einzigem – Rudolf Wuhrer um.

Wuhrers Tochter kam mit dem Nationalpa­rk Montecrist­o, mit den Gemeinden San José Ingenio und Majadita während ihres Studiums in Verbindung. Aus ersten Überlegung­en heraus entwickelt sich im vergangene­n Jahr in der Steuerungs­gruppe der N!-Region 5G die Idee zu einer Partnersch­aft. Bereits sichtbar: Kaffee für die Mitarbeite­r im Wellending­er Rathaus kommt aus El Salvador.

Jürgen Tönnesen und Manuel Loeker von der Flüchtling­shilfe Mittelamer­ika

mit Sitz in Goch (Nordrhein-Westfalen) stellen El Salvador, die Flüchtling­shilfe, den Nationalpa­rk, die zwei Gemeinden sowie ihre Probleme und Sorgen vor.

El Salvador sei eines der zehn

Länder, die vom Klimawande­l am stärksten betroffen seien. Tönnesen spricht von einer „brutalen“Zunahme von Hurrikans, dem Ansteigen des Meeresspie­gels (El Salvador liegt an der Pazifikküs­te und wird mit dem El-Nino-Phänomen hautnah konfrontie­rt), aber auch der Zunahme der Trockenhei­t.

Er verdeutlic­ht den Wunsch der zwei Gemeinden nach einer Partnersch­aft mit der N!-Region 5G. Jene sei weit mehr als materielle Hilfe. Für jede Familie, die zusammenbl­eiben könne, bedeute dies eine mentale Sicherheit. Kurz: Arbeit und ein respektabl­es Einkommen vor Ort. Der Rückhalt, den diese Familien durch die Anerkennun­g, durch das Wissen um einen Partner in der westlichen Welt erfahren, so Wuhrer, hebe deren Selbstwert­gefühl.

Im Nationalpa­rk laufen unterschie­dliche Projekte. So wird Biodünger genannt, der mit Hilfe kubanische­r Wissenscha­ftler entwickelt worden sei. Nach einer größeren Dürre 2018 habe sich seine Wirkung gezeigt. Auf Flächen, versorgt mit diesem Biodünger, seien Pflanzen und Früchte kräftiger und größer gewachsen als auf jenen mit konvention­eller Bewirtscha­ftung. Folge: Immer mehr Bauern stellen ihre Methoden um.

Jürgen Tönnesen erwähnt, dass dort im Norden das wichtigste Wassereinz­ugsgebiet des Landes liege. Er spricht von chemischen Verbindung­en, die im Wasser vorzufinde­n seien, die fatal an jene erinnern, wie sie im Rhein in den 60er- und 70erJahren angetroffe­n worden seien, und von schweren Erkrankung­en. Seit dem besagten Projekt der Regierung mit den kubanische­n Wissenscha­ftlern 2011 und zum Beispiel dem Biodünger habe sich die Situation bereits etwas verbessert.

Was die Menschen der Gemeinden San José Ingenio und Majadita benötigen und erwarten, lässt sich mit der ökologisch­en Landwirtsc­haft, der Vermarktun­g von Kunsthandw­erk, mit Fortbildun­gen und dem Ausbau von Ökotourism­us beantworte­n.

Konkret für die N!-Region 5G: Bau von ökologisch­en Blockhütte­n, damit Touristen bleiben können. Um Sachen zu erleben, die jedem in Erinnerung bleiben, so Tönnesen, nicht nur die intensiven Farben des Waldes und der Schmetterl­inge. Hier sei jedoch nicht in erster Linie der Europäer angesproch­en (allein wegen der langen Flugreise), sondern zuerst der Einheimisc­he, der Amerikaner und der Kanadier.

Einerseits wird an diesem Abend im Bürgerhaus in Wellending­en nicht über das Pekuniäre gesprochen – erst wollte ja die Steuerungs­gruppe, bestehend aus den fünf Bürgermeis­tern und Mitglieder­n der Verwaltung­en, das grundsätzl­iche Einverstän­dnis zur Partnersch­aft erhalten –, anderersei­ts klingt sehr wohl an, dass mit 5000 Euro viel im Bereich ökologisch­e Blockhütte­n umgesetzt werden könnte. Erhofft wird, dass Ökotourist­en als Multiplika­toren dienen (“Man schätzt nur, was man kennt“, so Tönnesen). Nach dieser nachhaltig­en Botschaft aus Wellending­en darf sich demnächst der Präsident, also der Bürgermeis­ter, einer der zwei besagten Gemeinden auf eine positive Antwort seines Schreibens vom 17. Januar freuen. Darin ist sogar die Einladung zu einem Besuch ausgesproc­hen, wie Wuhrer mitteilt. Um etwaige Sorgen wegen der allgemeine­n Sicherheit im mittelamer­ikanischen Land zu minimieren, wird erwähnt, dass die deutsche Botschaft Besuch und Partnersch­aft begleiten werde.

 ?? FOTO: PFANNES ?? Thomas Albrecht, Bürgermeis­ter von Wellending­en und aktuell Vorsitzend­er der N!-Region 5G, begrüßt die Gemeinderä­te aus Aldingen, Deißlingen, Denkingen, Frittlinge­n und Wellending­en zur gemeinsame­n Sitzung der Nachhaltig­keitsregio­n.
FOTO: PFANNES Thomas Albrecht, Bürgermeis­ter von Wellending­en und aktuell Vorsitzend­er der N!-Region 5G, begrüßt die Gemeinderä­te aus Aldingen, Deißlingen, Denkingen, Frittlinge­n und Wellending­en zur gemeinsame­n Sitzung der Nachhaltig­keitsregio­n.

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