Gränzbote

Star-Cellist Alban Gerhardt spielt betörend und kraftvoll

Dirigent Thomas Zehetmair führt das Stuttgarte­r Kammerorch­ester zu kongeniale­m Auftritt

- Von Korbelia Hörburger

TUTTLINGEN - Das Konzert mit Cellist Alban Gerhardt und dem Stuttgarte­r Kammerorch­ester unter dessen neuem Chefdirige­nten Thomas Zehetmair war nicht nur einer der Höhepunkte im Stadthalle­n-Programm. Es hatte Weltklasse-Niveau.

Zu Lebzeiten fand Robert Schumann keinen Interprete­n für sein Cellokonze­rt: es schien zu unkonventi­onell mit den drei ohne Pausen durchkompo­nierten Sätzen, mit einem Orchester als Partner, nicht nur als Begleitung - und dann war da noch dieser richtig wilde dritte Satz, der heute oft als Vorbote für die spätere geistige Verwirrthe­it des Komponiste­n gedeutet wird. Erst vier Jahre nach Schumanns Tod ur-aufgeführt, gehört sein Werk heute zum Standard-Repertoire der KonzertCel­listen. Alban Gerhardt zählt zu den internatio­nal renommiert­esten unter ihnen.

Schon im ersten Satz entfaltete Gerhardt das ganze Spektrum der Klangfarbe­n seines 1710 in Venedig von Matteo Gofriller gebauten CelloJuwel­s: Einen schlanken und gleichzeit­ig warmen Ton. Dramatisch­e Tiefen. Glasklare Höhen. Kantilenen wie aus Samt ohne jeden Anflug von Süßlichkei­t. Dann der zweite, langsame, Satz mit seinen betörenden Melodiebög­en – ergänzt von einem zweiten, wunderbare­n, Solo-Cello aus dem Orchester. Bis schließlic­h beinahe unvermitte­lt der dritte Satz hereinbric­ht: mit rasanten Läufen, Sprüngen und einem innigen Dialog mit dem Orchester.

In seiner Zugabe, einem „Moderato“aus Rostropowi­tschs „Encores“, trumpfte Gerhardt nochmals mit geballter virtuoser Technik auf. Souverän

hatte er auch die kleinste Klangnuanc­e unter Kontrolle, während er sein Cello scheinbar mühelos in musikalisc­h-heiterem Ton singen ließ.

Dass sich Gerhardt unauffälli­g nach der Pause am hintersten Pult bei den Orchester-Celli einreihte, spricht Bände über die Qualität und die ansteckend­e Spielfreud­e des Stuttgarte­r Kammerorch­esters.

Eine kühne Wahl war der Konzertauf­takt mit Ernst Kreneks „Symphonic Elegy“: Trauermusi­k aus dem Jahr 1946 zu Anton Weberns Tod in reiner Zwölftonmu­sik. Doch Zehetmair führte dieses hochkaräti­ge, agile Ensemble wie ein Zauberer zu jenen musikalisc­hen Höchstleis­tungen, die jede Form von Musik vermittelb­ar machen. Helle Begeisteru­ng lösten die Musiker dann endgültig mit Schuberts „Der Tod und das Mädchen“aus – in einer Orchesterf­assung, die durch höchste Präzision der Schärfe des ursprüngli­chen Streichqua­rtetts in nichts nachstand.

Zehetmair ließ den ganzen Abend nur wenige Passagen unkommenti­ert. Unermüdlic­h, unerbittli­ch, unmissvers­tändlich forderte er auf, forderte er ein, mit großen, oft eckigen Bewegungen, ohne Partitur nur mit den Händen in fast schon bedrohlich­er Nähe zu den Musikern dirigieren­d. Im zweiten Schubert-Satz führte er sie dynamisch an die Grenze des akustisch gerade noch Mach- und Hörbaren. Um sodann wieder in Bewegung zu explodiere­n – während die Musiker es ihm im Klang gleichtate­n.

Das sonst eher zurückhalt­ende Tuttlinger Publikum geizte am Ende nicht mit „Bravo“-Rufen – als kleine Entschädig­ung dafür, dass viele Plätze an diesem mitreißend­en Abend leer geblieben waren.

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FOTO: KORNELIA HÖRBURGER Weltklasse-Niveau: Cellist Alban Gerhardt mit dem Stuttgarte­r Kammerorch­ester.

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