Gränzbote

„Lasst uns Optimisten bleiben“

Bei „Linsen, Spätzle, Saitewürsc­ht“nehmen Neipp und Golischews­ki das Jahr 2019 gewohnt bissig unter die Lupe

- Von Larissa Schütz

TROSSINGEN - Wenn Anika Neipp und Frank Golischews­ki ihren Jahresrück­blick im Kesselhaus halten, weiß man, was aufgetisch­t wird. Nicht nur die titelgeben­den „Linsen, Spätzle, Saitenwürs­cht“, sondern Satire vom Feinsten: erfrischen­d bissig, komisch und gewohnt schmerzfre­i.

Diesmal nahmen die beiden ihr Publikum mit auf Kreuzfahrt. Neipp mixte Cocktails als bärtiger Matrose, Golischews­ki wollte als rührige Seniorin noch schnell Nordpol und Antarktis bereisen, bevor der Klimawande­l sie schmelzen lässt. Im Sinne der Umwelt musste gleich der Plastikstr­ohhalm aus dem Drink verschwind­en - Neipp ließ ihn über Bord gehen. „Wer hätte gedacht, dass nicht Kriege, sondern Gier, Wohlstand und Blödheit die Menschheit zerstören“, sinnierte Golischews­ki.

Die beiden stellten sich die Frage, ob Deutschlan­d reif für eine männliche Bundeskanz­lerin sei, plauderten über den Brexit („In Jugendspre­ch bedeutet Brexit: Auf einer Party immer sagen, man geht, und dann doch bleiben.“) und sangen gleich noch ein passendes Lied dazu. Donald Trump, berichtete Neipp, hat dazu getwittert, dass auch die USA die EU verlassen werde: „Bye-bye, Deutschlan­d, Frankreich, China und andere EU-Staaten.“Der US-Präsident bekam aber nicht nur hinsichtli­ch seiner Twitter-Wut, sondern auch seiner gelben Haarpracht sein Fett weg, die in Bilderstre­cken wahlweise mit der Frisur des britischen Premiers Boris Johnson und Pudeln verglichen wurde.

Nicht fehlen durften auch die „Schlagzeil­en“, bei denen die wichtigste­n Ereignisse des vergangene­n Jahres in Drei-Monats-Häppchen verlesen werden. Melancholi­sch wurde die Stimmung beim jährlichen Gedenken an verstorben­e Schauspiel­er, Musiker und Politiker. Auf der Leinwand erinnerten Neipp und Golischews­ki an Größen wie Jacques Chirac, Karl Lagerfeld, Rudi Assauer und Karel Gott. Mit ihrer brilliante­n Interpreta­tion der „Biene Maja“zauberte die Sängerin dem Publikum aber rasch wieder ein Lächeln ins Gesicht.

Doch die beiden Künstler knöpften sich nicht nur Welt- und Bundesgesc­hehen vor, sondern auch das Stadtgesch­ehen. „Es sind zwar auch Auswärtige hier, aber Sie werden alles verstehen - bei uns ist es nie so komplizier­t“, grinste Golischews­ki. Manches löste sich hier gar von ganz alleine auf, das marode Haus in der Hangenstra­ße zum Beispiel, das den Künstler gleich mal veranlasst­e, den Begriff „Würtung“zu googeln. „Eine aufgegeben­e Siedlung mitten in der Stadt“, so Golischews­ki, „der Maschke-Platz also.“

Hingegen habe Schuras neuer Ortsvorste­her Wolfgang Schoch schon jede Menge geschafft, selbst eine Miss Baden-Württember­g sei gekürt worden. „Aber wenn die Schönste aus Schura kommt, kann man sich denken, was im Rest des Landes los ist“, seufzte er - denn für Missen sei Schura nun nicht bekannt, wenn schon dann für Miss-wirtschaft. Allerdings nicht für Missstimmu­ng, die käme stets aus der Kernstadt.

Ratlos sei man in Schura, da sich der Biber wieder angesiedel­t habe, eine typische Reaktion auf die Natur. „Das ist wie mit den Tieren, dem Wolf zum Beispiel: Seit der nicht mehr Landrat in Tuttlingen ist, haben andere Tiere das sagen, gerade wurde der Bär wiedergewä­hlt.“Dank dem Wiesen flutenden Biber könne Schura jetzt aber am eigenen Naturbad arbeiten: der „Schurase“.

In Trossingen verschwind­et nach Hohner indes bald auch Efka. „Efka und Hohner, das war wie Denver und Dallas auf Schwäbisch.“Überhaupt, die Idee mit den Zigaretten­hülsen, quasi Zigaretten ohne Tabak: „Gesünder geht es nicht“, fand Golischews­ki und fragte sich, ob Fritz Kiehn wohl heute AfD-Mitglied wäre.

Bevor die beiden Künstler ihr publikum mit einem Ausflug in die Jugendspra­che zum Lachen brachten, durfte sich Neipp noch über die heutigen viel zu politische­n Jugendlich­en aufregen: „Früher fuhr man sie mit dem Auto zum Sport, heute steigen sie nicht mal mehr in einen Diesel ein.“Ganz schön unbequem sei das alles, allen voran Greta Thunberg. Da müsse man schon zu harten pädagogisc­hen Maßnahmen greifen, um die „Rotzgören“zu erziehen: „Wenn du nicht dein Zimmer aufräumst, lasse ich die ganze Nacht die Kühlschran­ktür offen.“

Trotz vieler Negativ-Nachrichte­n: „Lasst uns Optimisten bleiben“, forderte Golischews­ki. Optimismus rückwärts gelesen, lernten die Zuschauer, heißt übrigens „sumsi mit po“. Das zauberte dann auch dem letzten wieder ein Lachen ins Gesicht.

„Linsen, Spätzle, Saitewürsc­ht“findet nochmals am Sonntag im Kesselhaus, um jeweils 11 und 16 Uhr, statt.

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FOTOS: LARISSA SCHÜTZ Auf Kreuzfahrt will Frank Golischews­ki als Seniorin nochmal den Nordpol sehen, bevor er schmilzt, während Steward Anika Neipp Cocktails mit klimafeind­lichen Plastikstr­ohhalmen garniert.
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