„Dieses Mal bleibst du liegen, bis wir weg sind“
Zwei Männer stehen wegen Raub, Körperverletzung und gefährlichem Eingriffs in den Straßenverkehr vor Gericht
REGION (icks) – Um Raub, Körperverletzung und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ging es am zweiten Verhandlungstag gegen zwei Angeklagte (24 und 20 Jahre alt) in Rottweil vor der 1. Großen Jugendkammer am Landgericht.
„Ich habe nicht gecheckt, dass Sie so jung sind“, sagte der 24-jährige Angeklagte zu dem jetzt 17-jährigen Geschädigten im Rahmen einer Entschuldigung. Der Auszubildende hatte zuvor ruhig und gefasst über jene Schreckensnacht zum 25. Juli 2019 berichtet.
Gemeinsam mit seinem Onkel hatte er kurz vor 4 Uhr bei der Bushaltestelle einer Kreisgemeinde auf einen Arbeitskollegen gewartet. Gemeinsam wollten sie zur Arbeit radeln, um zur Frühschicht anzutreten. „Aus einem Auto sprangen zwei Männer auf mich zu“, berichtete der junge Mann.
Er erhielt einen Faustschlag ins Gesicht, der Fahrer des Fiat forderte „Geldbeutel! Handy!“. Der Hieb hatte ihn zu Boden geworfen. „Man hat mir den Rucksack weggezogen, Handy und Geldbeutel mit Papieren und knapp zwei Euro habe ich hergegeben“, erinnerte sich der 17-Jährige.
Während der ganzen Zeit wurde er getreten, so „zehn bis 15 Mal“. Vor allem die Hände, mit denen er sein Gesicht geschützt hatte, und der Hinterkopf wurden verletzt, wie Fotos aus dem Arztbericht belegten. Die beiden Angreifer verschwanden, sein Onkel hatte mit seinem E-Bike die Flucht ergriffen und war in die Firma geradelt, um Hilfe zu holen.
Als der erwartete Kollege kam, half er dem jungen Mann auf. Doch die Angreifer hatten gewendet und kamen erneut auf ihn zu. Der Kollege konnte die Flucht ergreifen, der junge Mann gab nach rund 30 Metern mitten in der Wiese auf. Das Areal war eben und trocken, der Fiat fuhr „richtig schnell“.
Der Geschädigte musste sich zu Boden werfen und wieder die Schutzhaltung einnahm. Erneut hagelte es Tritte. „Dieses Mal bleibst du liegen, bis wir weg sind“, forderte der Fahrer des Fiat. Die Polizei stellte an Folgetag die Angriffe nach und fertigte eine Bildermappe. Die körperlichen Verletzungen sind verheilt, was blieb, ist die Hemmung, abends allein unterwegs zu sein.
Ähnlich geht es einem 38-jährigen
Zeugen aus einer weiteren Kreisgemeinde. Auch er war auf dem Weg zur Arbeit in Tuttlingen, als er ein völlig unbeleuchtetes, schwarzes Auto mitten auf der Straße sah. „Zwei Männer standen daneben und urinierten“, erinnerte er sich. „Als ich sehr langsam vorbei fuhr, schaute einer zu mir ins Wageninnere“. Auf der Höhe eines Autohauses kurz vor der Ortseinfahrt nach Oberflacht bemerkte der Mann plötzlich die gelben Scheinwerfer eines heranschießenden Autos hinter sich. Beim Überholvorgang wurde er von links bedrängt, dann geschnitten und zum abrupten Bremsen gezwungen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
Aus dem gut einen Meter vor ihm stehenden Fiat sprangen Fahrer und Beifahrer heraus „Mit einem solchen Elan, voller aggressivem Potential, normal war das nicht“, berichtete der Geschädigte. Doch nach einer kurzen Schockstarre schaltete er „unter Adrenalin“in den Rückwärtsgang und gab Vollgas. „Ohne nach hinten zu blicken, ich hatte nur die beiden im Auge, die erst mal hinter mir herrannten“, erinnerte er sich.
Er alarmierte die Polizei und stellte sich fluchtbereit an den Straßenrand, als auch schon die ersten Streifenwagen kamen. Sie waren durch den zeitlich vorangegangenen Überfall auf eine Autofahrerin bei Schura auf der Suche nach dem Fiat.
Der 38-Jährige weigerte sich vor Gericht, die beiden Beschuldigten anzuschauen. „Gewalt gibt es auf der ganzen Welt, aber wir leben doch in einer ordentlichen, bürgerlichen Gegend“, sinnierte der Zeuge. „Und dann passiert so was. Man könnte sagen, die Käseglocke über meinem Dorf wurde zerstört“.
Bei der Heimfahrt von der Arbeit hatte der Zeuge noch eine schwarze Handtasche an der Stelle entdeckt, wo er zum ersten Mal mit den beiden Angeklagten in Kontakt gekommen war. Die gehörte der jungen Frau, wie die Polizei später feststellte. Der Vorsitzende Richter Thomas Geiger lobte den Zeugen ausdrücklich dafür.
Zwei weitere Anklagepunkte betreffen nur den 20-jährigen Angeklagten: Ihm wird vorgeworfen, am Abend des 9. März 2019 in Villingen nacheinander zwei Brüder verletzt zu haben, da er einen von ihnen des Verrats bezichtigte: Durch dessen Aussage sei sein eigener Bruder in einem Drogenprozess verurteilt worden. Die beiden Geschädigten waren sehr wortkarg und verwiesen auf Erinnerungslücken. Sie wurden vom Richter dafür getadelt.
Ein inzwischen verurteilter Mittäter hatte am Vortag die Vorladung zu Gericht missachtet. Bei der Verhandlung über die Sprayattacke mit Reizgas und die Schläge vor der Jugendkammer Mitte November 2019 hatte es üble Beschimpfungen gegeben, einer der beiden Geschädigten war von dem 20-jährigen Angeklagten angespuckt worden.
Der auf fünf Tage angesetzte Prozess geht am Montag, 2. März, um 9 Uhr im Saal 201 weiter.