Saranda springt durch Wehingen
Narrenzunft erfüllt Zehnjähriger an der Fasnet einen Kindertraum
WEHINGEN - Einen Kindertraum wahrgemacht haben Manfred Bödrich, Andy und Stefan Freundl von der Narrenzunft Wehingen über die Fasnetstage. Ihnen war bei der jährlichen närrischen Aufklärungstour in der Schlossbergschule, die sich zum Ziel gesetzt hat, das närrische Brauchtum den Kindern näherzubringen, ein Mädchen aufgefallen, das unbedingt einmal in ein Schellennarrenkleid schlüpfen und an der Fasnet durch die Wehinger Straßen springen wollte. Das Mädchen heißt Saranda und ist zehn Jahre alt. Ihr Traum erfüllte sich.
Ihre Eltern haben ihre Wurzeln im Kosovo, sind aber in Meßstetten beziehungsweise in Wehingen aufgewachsen. Sarandas Mutter ist heute alleinerziehend und wohnt mit ihren vier, teilweise schon erwachsenen Töchtern in einer Dachwohnung. Saranda besucht die dritte Klasse der Grundschule; ihre Lehrerin, Diana Quarleiter, sieht in ihr ein aufgewecktes Mädchen, das seine Talente besonders im gestalterischen Bereich gerne dadurch zum Ausdruck bringe, indem sie schöne Bilder male.
So ist es ihr auch gelungen, die von den Zunfträten gestellte Aufgabe, das Wehinger Schellennarrenkleid auszumalen, bestens zu erfüllen. Das hat die Zunfträte beeindruckt, doch das allein reichte noch nicht, um ins Narrenkleid schlüpfen zu dürfen: Die Kinder der dritten Klassen mussten zudem gut über das Fasnetsbrauchtum im Allgemeinen und über das Narrenkleid im Besonderen Bescheid wissen. Saranda schlug sich in diesem Quiz-Wettstreit am besten.
Als Zunftmeister Stefan Freundl verkündet, dass sie das Rennen gemacht hat, springt sie vor Freude in die Höhe und triumphiert innerlich. „Ein Traum ist für mich in Erfüllung gegangen. Jetzt darf ich tatsächlich an der Fasnet im Narrenkleid mitspringen“, freut sie sich. Auch ihre Mutter ist begeistert und sagt ihr später: „Du hast dir so viel Mühe gegeben und ich bin stolz auf dich“. Vorher aber darf das Mädchen das erste Mal in seinem Leben in ein Narrenkleid schlüpfen – und damit verwandelt sie sich in wenigen Sekunden in eine historische Wehinger Narrenfigur mit Kleid, Larve und Fuchsschwanz.
Als hätte sie das immer schon so gemacht, hüpft sie unter den Klängen des Wehinger Narrenmarsches eine Woche vor Fastnacht in den Räumen der Wehinger Bank vor den Augen ihrer Klassenkameraden und wedelt mit dem Fuchsschwanz. Ihre frohe Miene unter der Larve kann man nur erahnen. Das Narrenkleid ist angekommen bei einem Kind, das voller Sehnsucht auf diesen Moment gewartet hat.
Sarandas Familie ist muslimisch, also nicht gerade prädestiniert für schwäbisch-alemannisches Brauchtum. Doch ihre Mutter sieht darin keinen Hinderungsgrund, in die Fasnets-Tradition
ihrer jetzigen Heimat zu treten. „Wir haben alle einen Gott, und der hat nichts dagegen, wenn Saranda ins Narrenkleid schlüpft“, meint Sarandas Mutter. Sie freut sich über den Erfolg ihrer Tochter, und sie ist jederzeit bereit, ihr dabei zu helfen.
Saranda darf unter der Regie von Melanie Weiß zusammen mit anderen Mädchen und Jungen den Kindernarrentanz in der Schlossberghalle einstudieren. Hier kann sich der närrische Nachwuchs am „Schmotzigen Donnerstag“und am Fastnachtsdienstag präsentieren. Zum ersten Mal aber darf Saranda am Schmotzigen unter den Klängen des vom Musikverein gespielten Wehinger Narrenmarsches vom „Schwanen“zum Rathaus jucken und bei der Bürgermeisterabsetzung mitwirken.
Saranda tut das, was die Wehinger Narren beim Umzug nicht unbedingt sollen: Man legt ihnen nahe, in Reihe und Glied durch den Ort zu jucken, doch Sarandas Augen tasten die Zuschauerreihen ab, und als sie Bekannte entdeckt, rennt sie auf sie zu und wedelt mit dem Fuchsschwanz unter ihrer Nase – so als hätte sie das immer schon gemacht. Vor dem Rathaus darf sie die Maske hochklappen. Ein strahlendes Gesicht erscheint. Saranda ist jetzt angekommen in der Wehinger Fasnet – und sie ist glücklich.
Am Fasnetsmontag darf sie beim großen Umzug mitmachen. Das ist der große Moment. Doch vorher musss sie sich noch den aktuellen Narrenbändel abholen, den Zunftrat Alfred Geisel an das Kleid heftet, damit man ja alles richtig macht. In der Zunft muss schließlich alles geordnet zugehen. Man will den Überblick behalten, wer im großen Umzug mitläuft.
Endlich ist der Zeitpunkt da. Narrenmutter Christina und Narrenvater Matthias nehmen die Zehnjährige am Aufstellungsort in ihren Reihen auf. Und dann geht es richtig los. Die ganze Umzugsgesellschaft zieht durch die Wehinger Straßen und gibt ein beeindruckendes Bild ab. Saranda ist ein Teil von vielen, aber sie fühlt sich wie im siebten närrischen Himmel und ist nun Teil der schwäbisch-alemannischen Fasnet geworden. Wieder schwärmt sie übermütig aus und geht auf die Leute am Straßenrand zu. Es macht ihr offensichtlich großen Spaß, mit dem Fuchsschwanz unter fremden Nasen zu wedeln. Saranda ist nun mittendrin im Fastnachtstrubel. In der Schlossberghalle hat die Narrenzunft für die Kinder Zauberer und Kasperletheater organisiert. Saranda hat ihre Freundin Isabell wiederentdeckt und tanzt ausgelassen mit ihr. Eine Begegnung mit dem „Pfuhs“muss auch noch sein. „Es war so schön!“Saranda erlebt an diesem Tag einen weiteren Glücksmoment, der nur noch am Fasnetsdienstag beim Kinderumzug und dem anschließenden Narrentanz, an dem sie selbstverständlich mitwirkt, getoppt werden kann.
Dann aber neigt sich die Fasnet dem Ende zu. Die Wehinger Zunft „vergräbt“am Abend die diesjährige Fasnet – und Saranda träumt noch lange davon. Ob sie jemals ein Narrenkleid ihr eigen nennen darf? Vielleicht gibt es ja Sponsoren, die ihr diesen Traum erfüllen. Die Qualität, ein Narrenkleid würdig zu tragen, hat sie zweifellos.