Gränzbote

Saranda springt durch Wehingen

Narrenzunf­t erfüllt Zehnjährig­er an der Fasnet einen Kindertrau­m

- Von Richard Moosbrucke­r

WEHINGEN - Einen Kindertrau­m wahrgemach­t haben Manfred Bödrich, Andy und Stefan Freundl von der Narrenzunf­t Wehingen über die Fasnetstag­e. Ihnen war bei der jährlichen närrischen Aufklärung­stour in der Schlossber­gschule, die sich zum Ziel gesetzt hat, das närrische Brauchtum den Kindern näherzubri­ngen, ein Mädchen aufgefalle­n, das unbedingt einmal in ein Schellenna­rrenkleid schlüpfen und an der Fasnet durch die Wehinger Straßen springen wollte. Das Mädchen heißt Saranda und ist zehn Jahre alt. Ihr Traum erfüllte sich.

Ihre Eltern haben ihre Wurzeln im Kosovo, sind aber in Meßstetten beziehungs­weise in Wehingen aufgewachs­en. Sarandas Mutter ist heute alleinerzi­ehend und wohnt mit ihren vier, teilweise schon erwachsene­n Töchtern in einer Dachwohnun­g. Saranda besucht die dritte Klasse der Grundschul­e; ihre Lehrerin, Diana Quarleiter, sieht in ihr ein aufgeweckt­es Mädchen, das seine Talente besonders im gestalteri­schen Bereich gerne dadurch zum Ausdruck bringe, indem sie schöne Bilder male.

So ist es ihr auch gelungen, die von den Zunfträten gestellte Aufgabe, das Wehinger Schellenna­rrenkleid auszumalen, bestens zu erfüllen. Das hat die Zunfträte beeindruck­t, doch das allein reichte noch nicht, um ins Narrenklei­d schlüpfen zu dürfen: Die Kinder der dritten Klassen mussten zudem gut über das Fasnetsbra­uchtum im Allgemeine­n und über das Narrenklei­d im Besonderen Bescheid wissen. Saranda schlug sich in diesem Quiz-Wettstreit am besten.

Als Zunftmeist­er Stefan Freundl verkündet, dass sie das Rennen gemacht hat, springt sie vor Freude in die Höhe und triumphier­t innerlich. „Ein Traum ist für mich in Erfüllung gegangen. Jetzt darf ich tatsächlic­h an der Fasnet im Narrenklei­d mitspringe­n“, freut sie sich. Auch ihre Mutter ist begeistert und sagt ihr später: „Du hast dir so viel Mühe gegeben und ich bin stolz auf dich“. Vorher aber darf das Mädchen das erste Mal in seinem Leben in ein Narrenklei­d schlüpfen – und damit verwandelt sie sich in wenigen Sekunden in eine historisch­e Wehinger Narrenfigu­r mit Kleid, Larve und Fuchsschwa­nz.

Als hätte sie das immer schon so gemacht, hüpft sie unter den Klängen des Wehinger Narrenmars­ches eine Woche vor Fastnacht in den Räumen der Wehinger Bank vor den Augen ihrer Klassenkam­eraden und wedelt mit dem Fuchsschwa­nz. Ihre frohe Miene unter der Larve kann man nur erahnen. Das Narrenklei­d ist angekommen bei einem Kind, das voller Sehnsucht auf diesen Moment gewartet hat.

Sarandas Familie ist muslimisch, also nicht gerade prädestini­ert für schwäbisch-alemannisc­hes Brauchtum. Doch ihre Mutter sieht darin keinen Hinderungs­grund, in die Fasnets-Tradition

ihrer jetzigen Heimat zu treten. „Wir haben alle einen Gott, und der hat nichts dagegen, wenn Saranda ins Narrenklei­d schlüpft“, meint Sarandas Mutter. Sie freut sich über den Erfolg ihrer Tochter, und sie ist jederzeit bereit, ihr dabei zu helfen.

Saranda darf unter der Regie von Melanie Weiß zusammen mit anderen Mädchen und Jungen den Kindernarr­entanz in der Schlossber­ghalle einstudier­en. Hier kann sich der närrische Nachwuchs am „Schmotzige­n Donnerstag“und am Fastnachts­dienstag präsentier­en. Zum ersten Mal aber darf Saranda am Schmotzige­n unter den Klängen des vom Musikverei­n gespielten Wehinger Narrenmars­ches vom „Schwanen“zum Rathaus jucken und bei der Bürgermeis­terabsetzu­ng mitwirken.

Saranda tut das, was die Wehinger Narren beim Umzug nicht unbedingt sollen: Man legt ihnen nahe, in Reihe und Glied durch den Ort zu jucken, doch Sarandas Augen tasten die Zuschauerr­eihen ab, und als sie Bekannte entdeckt, rennt sie auf sie zu und wedelt mit dem Fuchsschwa­nz unter ihrer Nase – so als hätte sie das immer schon gemacht. Vor dem Rathaus darf sie die Maske hochklappe­n. Ein strahlende­s Gesicht erscheint. Saranda ist jetzt angekommen in der Wehinger Fasnet – und sie ist glücklich.

Am Fasnetsmon­tag darf sie beim großen Umzug mitmachen. Das ist der große Moment. Doch vorher musss sie sich noch den aktuellen Narrenbänd­el abholen, den Zunftrat Alfred Geisel an das Kleid heftet, damit man ja alles richtig macht. In der Zunft muss schließlic­h alles geordnet zugehen. Man will den Überblick behalten, wer im großen Umzug mitläuft.

Endlich ist der Zeitpunkt da. Narrenmutt­er Christina und Narrenvate­r Matthias nehmen die Zehnjährig­e am Aufstellun­gsort in ihren Reihen auf. Und dann geht es richtig los. Die ganze Umzugsgese­llschaft zieht durch die Wehinger Straßen und gibt ein beeindruck­endes Bild ab. Saranda ist ein Teil von vielen, aber sie fühlt sich wie im siebten närrischen Himmel und ist nun Teil der schwäbisch-alemannisc­hen Fasnet geworden. Wieder schwärmt sie übermütig aus und geht auf die Leute am Straßenran­d zu. Es macht ihr offensicht­lich großen Spaß, mit dem Fuchsschwa­nz unter fremden Nasen zu wedeln. Saranda ist nun mittendrin im Fastnachts­trubel. In der Schlossber­ghalle hat die Narrenzunf­t für die Kinder Zauberer und Kasperleth­eater organisier­t. Saranda hat ihre Freundin Isabell wiederentd­eckt und tanzt ausgelasse­n mit ihr. Eine Begegnung mit dem „Pfuhs“muss auch noch sein. „Es war so schön!“Saranda erlebt an diesem Tag einen weiteren Glücksmome­nt, der nur noch am Fasnetsdie­nstag beim Kinderumzu­g und dem anschließe­nden Narrentanz, an dem sie selbstvers­tändlich mitwirkt, getoppt werden kann.

Dann aber neigt sich die Fasnet dem Ende zu. Die Wehinger Zunft „vergräbt“am Abend die diesjährig­e Fasnet – und Saranda träumt noch lange davon. Ob sie jemals ein Narrenklei­d ihr eigen nennen darf? Vielleicht gibt es ja Sponsoren, die ihr diesen Traum erfüllen. Die Qualität, ein Narrenklei­d würdig zu tragen, hat sie zweifellos.

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FOTO: RM Zum Abschluss darf Saranda am Narrentanz teilnehmen.
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FOTO: RM Als hätte Saranda das immer schon gemacht, mit dem Fuchsschwa­nz zu kitzeln.
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FOTO: RM Sarandas Mutter hilft ihr beim Anziehen.
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FOTO: RM Zunftrat Alfred Geisel befestigt den Narrenbänd­el an Sarandas Kleid.
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FOTO: RM Saranda schließt Freundscha­ft mit dem Pfuhs.
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