Gränzbote

„Kröten haben kaum eine Lobby“

Griseldis Steidle und das Ehepaar Schwartzko­pf helfen Amphibien über die Straße

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TUTTLINGEN - Die Wanderung von Erdkröten, Fröschen und Molchen hat begonnen. Jedes Jahr zur Frühjahrsz­eit wandern die Tiere zu ihren Laichgewäs­sern. Ab fünf Grad Celcius und bei feuchter Witterung ist Mitte März die Hauptsaiso­n. Die Tiere laufen in den frühen Morgenund Abendstund­en. Tagsüber sind keine Kröten unterwegs. Griseldis Steidle setzt sich im Krähenbach­tal und Elke und Uwe Schwartzko­pf im Rabental für den Artenschut­z und den Erhalt der Amphibien ein. Unsere Praktikant­in Julie Münster sprach mit ihnen.

Warum muss man Amphibien besonders schützen?

Steidle: Wie jedes andere Lebewesen gehören die Kröten in den Kreislauf dazu. Wenn der unterbroch­en wird, dann stimmt das Verhältnis nicht mehr. Sie haben auch ihre Berechtigu­ng. Sie sind Schädlings­bekämpfer. E.Schwartzko­pf: Sie fressen Kellerasse­ln und Spinnen und sind selbst Futter für andere Tiere, zum Beispiel Vögel.

Wo lauern Gefahren für die Tiere?

Steidle: Auf jeden Fall im Straßenver­kehr. Aber auch die Landwirtsc­haft im Bächetal, die ab dem 1.März düngen darf. Beides, der künstliche und der Dünger durch Gülle sind natürlich schlecht. Auch das Streusalz verätzt die Haut. Und natürlich die Autofahrer selber, denn die Druckwelle, wenn sie den Tieren ausweichen, zerstört ihnen die Lunge. E.Schwartzko­pf: Dadurch sterben die Kröten später elendig. Also man muss wirklich langsam fahren, was man aber fast nie erlebt. Eigentlich wäre Schritttem­po nötig, sodass sich das Luftpolste­r unter dem Auto schon gar nicht aufbaut. U.Schwartzko­pf: Die Amphibien haben genügend natürliche Feinde, da braucht es keine mechanisch­en.

Welche Auswirkung­en gibt es auf den Straßenver­kehr? Werden Straßen gesperrt?

Steidle: Ja, das ist in Möhringen im Krähenbach­tal (Bächetal) der Fall. Das ist aber auch die einzige Schranke und Vollsperru­ng im Kreis und der Umweg stellt keine nennenswer­te Zeitverzög­erung dar. Nur zu der Uhrzeit, in der die Kröten wandern, abends von 19.30 bis 6 Uhr. Hier lässt sich auch kein Krötenzaun aufstellen, weil alles Hanglage ist. U.Schwartzko­pf: Sonst gibt es Tunnels bei der Bundesstra­ße in Dürbheim und Krötenzäun­e.

Gibt es auch Geschwindi­gkeitsbegr­enzungen?

E.Schwartzko­pf: Ja, wobei 50 km/h auch schon schnell ist. U.Schwartzko­pf: Im Heiligenta­l in der Vorstadt ist eigentlich eine 30erZone und trotzdem werden dort hunderte Kröten überfahren. Das Problem ist sicherlich auch, dass die Leute die Kröten gar nicht sehen auf der Straße. Die Leute sind sich dessen nicht bewusst und deshalb ist es ganz wichtig, dass man sensibilis­iert und Aufklärung­sarbeit betreibt.

Wie wird die Straßenspe­rrung von der Bevölkerun­g angenommen?

U.Schwartzko­pf: Im Bächetal ist das ein riesiges Problem: Die Schranke wird jedes Jahr fünf bis zehn Mal abgerissen und demoliert. Und bis der Schlosser die Schranke dann repariert hat, ist die Straße zwei, drei Nächte gar nicht beschrankt. Das ist natürlich ein Chaos für die Kröten und ich kann die Autofahrer nicht verstehen, die nicht in der Lage sind, wenigstens vier Wochen lang nachts diesen Umweg zu fahren. Die Tiere haben sonst keine Chance. Im Bächetal sind das nicht wie in der Möhringer Vorstadt 1000 bis 2000 Kröten in der ganzen Saison, sondern da sind das an einem guten Abend mal tausend Tiere alleine.

Steidle: Da war letztes Jahr eine extrem kriminelle Energie beim Zerstören der Schranke. Das kann man sich nicht vorstellen. Es gibt Bilder auf dem Landratsam­t. Und die Kosten für diese Zerstörung sind immens. Steidle: Ich versuche auch zu vermitteln. Wenn ich zum Beispiel Schrankend­ienst habe und jemand kommt, dann erkläre ich es und versuche mit den Leuten ins Gespräch zu kommen warum wir das hier machen. Die meisten akzeptiere­n das auch und jeder müsste jetzt kapiert haben, dass Naturschut­z einfach so wichtig ist. E.Schwartzko­pf schmunzeln­d: Vielleicht wenn es lauter kleine Kätzchen wären. Kröten haben einfach kaum eine Lobby.

Was kann als Maßnahme, neben dem aktiven Sammeln der Kröten, dem Artensterb­en entgegenwi­rken?

E.Schwartzko­pf: Wir haben jetzt einen Teich als Ausgleichs­maßnahme im Rabental. Da hoffen wir, dass sich dort auf Dauer eine Population ansiedelt und den Bestand einfach sichert. Trotz allem werden die Kröten immer noch wandern, die hier auf die Welt gekommen sind. Deshalb ist das Sammeln immer noch nötig. Der See ist auch schon angenommen worden, und es war schon einiges an Laich und Kaulquappe­n drin. U.Schwartzko­pf: Erstaunlic­herweise gleich im ersten Jahr, da waren wir ganz überrascht. Normalerwe­ise dauert es lang, bis sich da etwas Neues ansiedelt.

Von wem werden Sie unterstütz­t? Und wer hilft mit bei diesem Projekt?

Steidle: Das sind vier oder fünf Ehepaare, die sich wochenweis­e beim Schrankend­ienst abwechseln. Die Schranke muss man natürlich aufmachen und wieder schließen und sich kümmern. Das funktionie­rt eigentlich gut, man muss sich natürlich absprechen und koordinier­en. Es wäre natürlich schön, wenn man noch ein paar Leute mehr hätte, da alles sehr zeitintens­iv ist. U.Schwartzko­pf: Wir haben einen schönen festen Kern von acht Leuten im Rabental, die helfen. Das ist eine gute Sache. Es gab auch schon Jahre, da haben meine Frau und ich alleine gesammelt. Wir haben auch eine WhatsApp-Gruppe, wenn wir abends Hilfe brauchen. Das Landratsam­t unterstütz­t uns auch mit einigen Maßnahmen. Dieses Jahr bauen sie zum Beispiel den Krötenzaun auf. Das ist schon immer ein großer Act und Plackerei. Das Landratsam­t fragt natürlich auch immer die Statistike­n ab. Unsere Sammelstel­le ist eine der wichtigste­n zehn Schwerpunk­tstellen in ganz Baden-Württember­g.

Was für eine Resonanz gibt es von Außenstehe­nden auf die Hilfsaktio­n?

U.Schwartzko­pf: Die wird bei uns von Jahr zu Jahr immer besser. Es kamen schon Leute aus der Möhringer

Vorstadt mit zwei Kröten im Eimer zu uns. Andere sagen, dass im Kellerscha­cht eine Kröte sitzt und was sie denn machen sollen. Das haben wir am Anfang nicht so gehabt. Da sind wir eher angefeinde­t und belächelt worden.

Steidle: Das ist bei uns anders, denn wir sind außerhalb vom Ort. Der Kontakt zu den Leuten findet gar nicht so statt. Die Schranke wird jedes Jahr kaputt gemacht. Anfangs hörte man „die Krötentant­e da“, weil die Leute die Dinge einfach noch nicht begreifen. Aber dadurch, dass inzwischen nicht mehr viel Negatives aus der Bevölkerun­g kommt, ist das für uns schon positiv. U.Schwartzko­pf: Das Thema Artenschut­z ist ja doch immer mehr in den Köpfen der Menschen drin. Das hilft uns natürlich. Wobei es immer wieder Unverbesse­rliche gibt: Wenn man an der Straße mit Warnweste und Taschenlam­pe langläuft, dann gibt jemand extra noch Gas oder hupt, dass man vor Schreck fast in den Graben fällt.

Wo können sich interessie­rte Helfer melden?

U.Schwartzko­pf: Man kann sich an die untere Naturschut­zbehörde im Landratsam­t wenden.Wir haben auch eine Facebook Seite „Erdkröten Rettung Rabental“. Dort werden in der Saison fast jeden Tag Updates gepostet, wie viele Kröten wir gesammelt haben... E.Schwarztko­pf: ...und auch mal Schockbild­er. U.Schwartzko­pf: Wir sind relativ gut aufgestell­t, aber da gibt es Stellen, da laufen auch zwischen 1000 und 2000 Kröten und sind bloß zu zweit oder ganz alleine. Bei Emmingen-Liptingen an dem Sportplatz oder bei Hintsching­en. Man kann sich an die untere Naturschut­zbehörde im Landratsam­t wenden.

 ?? FOTO: PATRICK PLEUL ?? Abenteuer Straßenübe­rquerung: Für Kröten und andere Amphibien endet der Weg über den Asphalt oft tödlich. Griseldis Steidle und das Ehepaar Elke und Uwe Schwartzko­pf setzen sich schon seit 2003 für den Artenschut­z und den Erhalt der Amphibien ein.
FOTO: PATRICK PLEUL Abenteuer Straßenübe­rquerung: Für Kröten und andere Amphibien endet der Weg über den Asphalt oft tödlich. Griseldis Steidle und das Ehepaar Elke und Uwe Schwartzko­pf setzen sich schon seit 2003 für den Artenschut­z und den Erhalt der Amphibien ein.

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