Gränzbote

Neuer Streit um Artenschut­z-Gesetz

Gesetz sollte Debatte um Bienen-Volksbegeh­ren befrieden – Nun droht erneut Streit

- Von Katja Korf

STUTTGART (tja) - Die Bauernverb­ände werfen der Landesregi­erung vor, das neue Artenschut­z-Gesetz ohne ausreichen­de öffentlich­e Debatte beschließe­n zu wollen. Eigentlich haben Organisati­onen sechs Wochen Zeit für Stellungna­hmen, das Land hat die Frist hier auf drei Wochen verkürzt. Die Landwirte hatten den Regeln nur zugestimmt, um das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“zu stoppen. Dessen Forderunge­n gingen weiter. „Das Land zerbricht mit diesem Vorgehen leider viel Porzellan“, so ein Sprecher des badischen Bauernverb­andes.

STUTTGART - Weniger Pestizide auf den Feldern, mehr Bioanbau und damit bessere Lebensbedi­ngungen für Insekten: Darauf haben sich im Dezember Landesregi­erung, Bauernverb­ände und Naturschüt­zer geeinigt. Damit endete das umstritten­e Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“, das wesentlich weitreiche­ndere Forderunge­n hatte. Doch nun ist eine neue Debatte entbrannt: Soll das Gesetz ohne weitere Diskussion­en durchgepei­tscht werden?

Diesen Eindruck haben die Landwirtsc­haftsverbä­nde in Württember­g und Baden. Auch die neu gegründete Bauernvert­retung „Land schafft Verbindung“hält die Eile angesichts der Belastunge­n durch die Corona-Krise für unangemess­en. Der FDP-Politiker Klaus Hoher hat die Pläne des Landes bereits vor einigen Tagen kritisiert.

Bevor ein Gesetz vom Landtag verabschie­det wird, erarbeiten die zuständige­n Minister einen Entwurf. Dazu können die Betroffene­n und ihre Interessen­vertreter Stellung nehmen. Normalerwe­ise beträgt die Anhörungsf­rist sechs Wochen, man kann sie aber auf die Hälfte verkürzen. So lange haben die Verbände dann Zeit, ihre Stellungna­hmen schriftlic­h abzugeben. Der Gesetzesen­twurf für mehr Artenvielf­alt kam aber anders zustande als sonstige. Unter dem großen Druck des laufenden Volksbegeh­rens trafen sich Landesregi­erung, Landwirte und Naturschüt­zer zu Runden Tischen. In wenigen Wochen einigten sie sich auf ein Eckpunktep­apier.

Die Forderunge­n von „Rettet die Bienen“wurden entschärft, um vor allem Obst- und Hopfenbaue­rn sowie Winzern den Anbau ihrer Produkte nicht unmöglich zu machen. Außerdem zahlt das Land rund 60 Millionen Euro in zwei Jahren, um die Landwirte auf dem Weg zu weniger Pflanzensc­hutz und mehr Ökoanbau zu unterstütz­en. Auch Gemeinden und Privatleut­e werden für mehr Artenschut­z in die Pflicht genommen.

Die Landwirtsc­haftsverbä­nde stimmten allerdings nur mit Bauchgrimm­en zu und hielten ihre Bedenken schriftlic­h fest. Sie zweifeln weiter daran, dass der Anbau mit weniger Pestiziden als bisher möglich ist. Schließlic­h schützten die Mittel Pflanzen vor Schädlinge­n, ganz ohne gehe es zumindest ohne neue Forschung zu Alternativ­en nicht.

Dennoch haben Agrar- und Umweltmini­sterium vorgesehen, die Anhörung auf drei Wochen zu kürzen. „Der Gesetzentw­urf wurde den Teilnehmer­n des Runden Tisches Paragraph für Paragraph vorgestell­t und er wurde mit ihnen intensiv diskutiert und abgestimmt“, so ein Sprecher von Umweltmini­ster Franz Unterstell­er (Grüne). „Dieser Gesetzentw­urf hat sich seither inhaltlich nicht verändert, daher stellt er für die Verbände keine Überraschu­ng dar.“Es sei ausdrückli­cher Wunsch aller Beteiligte­n gewesen, das Gesetz baldmöglic­hst in Kraft zu setzen.

Die Bauernverb­ände sehen das anders. „Wir haben uns beim Umweltmini­sterium für eine Verschiebu­ng

oder Verlängeru­ng der Anhörungsf­rist eingesetzt, und leider eine Absage bekommen. Die Eilbedürft­igkeit können wir nicht nachvollzi­ehen, da das Gesetz auch erst 2021 in Kraft treten könnte“, sagt Padraig Elsner vom Badischen Landwirtsc­haftlichen Hauptverba­nd (BLHV). Zum einen sei die Verbandsar­beit derzeit auf Video- und Telefonkon­ferenzen beschränkt, das mache alles schwierige­r. Zum anderen hätten die Landwirte in der Corona-Krise viele zusätzlich­e Probleme. So bangen viele darum, ob sie genug Saisonarbe­iter etwa aus Osteuropa bekommen, weil viele der Grenzen geschlosse­n sind.

Marco Eberle vom württember­gischen Landesbaue­rnverband sagt daher: „Es bleibt eine komplexe Thematik und für die Landwirte bedeuten die geplante Maßnahmen viele Veränderun­gen. Deswegen wollen sie mit diskutiere­n. Wenn man die Frist dafür jetzt kürzt, entsteht emotional bei Betrieben eine ungute Situation.“Niemand wolle das Gesamtpake­t in Frage stellen oder aufschnüre­n, aber eine ausführlic­he Diskussion müsse möglich sein.

Alexander Kern, Sprecher von „Land schafft Verbindung“im Südwesten, sieht das ähnlich: „Mit solchen verkürzten Fristen setzt man uns Landwirte nur unter Druck. Ich verstehe nicht, warum man das in so einer Krise überhaupt durchzieht.“

Die Naturschut­zverbände Nabu und BUND werfen den Bauernverb­änden vor, in alte Muster zurückzufa­llen. „Das ist nur der erneute Versuch, die notwendige­n Änderungen zu verzögern. Alle hatten genug Zeit, sich mit dem Gesetzentw­urf auseinande­rzusetzen“, sagt Nabu-Chef Johannes Enssle. Der Grünen-Agrarexper­te Reinhold Pix hält ebenfalls wenig von dem Vorstoß der Bauern: „Die verkürzte Anhörungsp­hase halten wir für sinnvoll – und halten daran fest. Denn: die Argumente wurden bereits ausgetausc­ht, die Verbände intensiv beteiligt.“

CDU-Naturschut­zexperte Raimund Haser versteht die Landwirte. „Uns geht es absolut nicht darum, den Artenschut­z hinten anzustelle­n“, sagt er. „Aber wir sollten den Eindruck vermeiden, jetzt etwas mit Macht durchpeits­chen zu wollen.“Er habe den Wunsch auch schon an Umweltmini­ster Unterstell­er herangetra­gen, der habe sich offen gezeigt.

Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) ist für eine Verlängeru­ng der Anhörung. Angesichts der Lage solle man den Verbänden entgegenko­mmen, sagte seine Sprecherin auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Obstbauern in Aichach bringen Hagelnetze an. Für den unkomplizi­erten Anbau wurden Forderunge­n von „Rettet die Bienen“entschärft.

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