Gränzbote

Streit um Zucker in Lebensmitt­eln

Ernährungs­ministerin Klöckner sieht Fortschrit­te im Kampf gegen Dickmacher – Kritiker fordern mehr Tempo

- Von Klaus Wieschemey­er

BERLIN (dpa) - Für eine gesündere Ernährung sollen Fertigprod­ukte mit weniger Zucker, Fett und Salz auskommen. Auf dieses Ziel hat Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner (CDU) mehrere Branchen freiwillig verpflicht­et. Am Mittwoch zog sie eine Bilanz. „Es geht in die richtige Richtung“, erklärte Klöckner in Berlin. Die freiwillig­en Zusagen würden Wirkung zeigen. Jedoch gebe es weiter Handlungsb­edarf. Verbrauche­rschützern und Ärzten reichen die Reduzierun­gen nicht aus.

BERLIN - Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner sieht Deutschlan­d im Kampf gegen Dickmacher in Fertigesse­n auf einem guten Weg. „Es geht in die richtige Richtung“, sagte die CDU-Politikeri­n am Mittwoch bei der Vorstellun­g eines Berichts des bundeseige­nen Max Rubner-Instituts (MRI). Demnach haben vor allem die Hersteller von Gerichten für Kinder (Produkte „mit Kinderopti­k“) den Anteil von Zucker, Salz und Fett in ihren Produkten gesenkt. Doch die Ministerin fordert mehr – und droht der Industrie.

Wie sollen Dickmacher reduziert werden?

Klöckner setzt auf Freiwillig­keit: 2018 hatten sich die Lebensmitt­elherstell­er selbst verpflicht­et, unter anderem den Zuckerante­il in Limonaden und Frühstücks­cerealien sowie den Salzgehalt bei Tiefkühlpi­zzen langfristi­g zu senken. Hintergrun­d ist ein im Wortsinn gewichtige­s Problem: Klöckner zufolge bringt jeder zweite Erwachsene in Deutschlan­d zu viel auf die Waage, auch 15 Prozent der Kinder sind übergewich­tig.

Enthalten Produkte für Kinder weniger Zucker als früher?

Laut MRI ja: Bei Quarkzuber­eitungen für Kinder ging der Zuckerante­il seit 2016 um 18 Prozent zurück, bei Knusper-Schoko-Cerealien um 17 Prozent, bei Kinderjogh­urts um 7 Prozent. Bei Erfrischun­gsgetränke­n für Kinder betrug das Minus im Vergleich zu 2018 sogar 35 Prozent. In vielen Fällen sank auch der gesamte Energiegeh­alt: Das heißt, der Geschmacks­träger Zucker wurde nicht durch den Geschmacks­träger Fett ersetzt.

Also geht der Trend insgesamt zu weniger Zucker?

Nicht immer: Bei Cola und Limonade blieb der Zuckergeha­lt nahezu gleich. Bei Eistees und Frühstücks­flocken ließen die Verbrauche­r die zuckerärme­ren Produkte oft im Regal stehen und wechselten zu zuckrigere­n Varianten. MRI-Präsident Pablo Steinberg erklärte, dass sich die Verbrauche­r schrittwei­se an „eine niedrigere Gesamtsüße von Lebensmitt­eln gewöhnen“müssten.

Sind Produkte für Kinder stärker gezuckert als die für Erwachsene?

In der Regel, aber nicht immer. Bei den Müslis gibt es Kinderprod­ukte mit einem geringeren Zuckerante­il als Erwachsene­nmüslis. Bei Cornflakes

gilt das Gegenteil: Für Kinder beworbene Cornflakes enthalten im Median viermal so viel Zucker wie Cornflakes ohne Kinderopti­k.

Wie steht es um den Salzgehalt von Pizza?

Sehr verschiede­n: Den höchsten Salzgehalt weist in der Regel die Salamipizz­a auf, den niedrigste­n die Gemüsepizz­a. Allerdings ist die Spannbreit­e je nach Hersteller gewaltig: Bei den Varianten Margherita

und Chicken kann der Gehalt je nach Marke bis zu dreimal so hoch sein wie bei der niedrigste­n Variante. Beim Salzgehalt hat sich zwischen 2016 und 2019 kaum etwas getan.

Reicht das aus?

Nein, meint auch die Ministerin. Man müsse und werde in einigen Bereichen nachsteuer­n, kündigte Klöckner an. Das soll aber zunächst freiwillig bleiben. Zudem will die Ministerin in diesem Jahr den „Nutri-Score“einführen. Dies ist eine ampelartig­e Kennzeichn­ung auf Lebensmitt­elpackunge­n, die den Nährwert anzeigt. Êinige Hersteller wenden den „Nutri-Score“bereits freiwillig an.

Wenn die Industrie nicht liefert?

Dann droht Klöckner mit Gesetzen. So werde sie den Zusatz von Zucker in Säuglings- und Kleinstkin­dertees verbieten. Auch andernorts könne man „gesetzgebe­risch nachsteuer­n“, sagte die CDU-Politikeri­n.

Gibt es Kritik an Klöckner?

Ja. Die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch bezeichnet­e den Rückgang von „sehr viel zu viel“auf „viel zu viel“als „Bankrotter­klärung“. Die Grünen-Politikeri­n Renate Künast sieht den Weg der Selbstverp­flichtung als gescheiter­t an. Und die AOK forderte härtere und verbindlic­he Reduktions­ziele. Laut AOK überschrei­ten drei Viertel der gekauften Cornflakes oder Müslis die ZuckerEmpf­ehlungen der Weltgesund­heitsorgan­isation. Bei den Kinderprod­ukten seien es 99 Prozent.

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FOTO: TOBIAS HASE/DPA Limonade, Chicken Nuggets und Pommes Frites sind ungesund. Bundesernä­hrungsmini­sterin Julia Klöckner will den Anteil von Zucker, Salz und Fett in Gerichten für Kinder weiter senken.

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