Bloß nicht verkaufen
Was Anleger in Zeiten sinkender Aktienkurse unbedingt beachten müssen
BERLIN - Die weltweite Corona-Pandemie wirbelt die Börsen gehörig durcheinander. Mancher mag sich da überlegen, ob er nicht doch noch die Notbremse ziehen und verkaufen sollte, bevor die Kurse noch weiter fallen. Experten raten Privatinvestoren jedoch ganz klar zu Ruhe und Durchhaltevermögen: Es besteht die Gefahr, seine Aktien ausgerechnet in der Nähe des Tiefpunkts abzustoßen. „Gerade jetzt gilt es, die Emotionen auszuschalten und nach Plan zu arbeiten“, sagt Geldanlageexperte Yann Stoffel von der Stiftung Warentest. Wir haben die wichtigsten Experten-Tipps zum Umgang mit der Krise zusammengestellt.
Nicht in Panik geraten, denn Krisen gehören dazu: Eine kluge Anlagestrategie berücksichtigt, dass immer wieder Kurseinbrüche passieren. „Wir wissen, dass solche Krisen kommen können“, sagt Stoffel. Eine einfache, langfristige Strategie bleibe daher auch in Zeiten kräftig abstürzender Märkte gleich. Dazu gehöre es, gerade in Zeiten niedriger Kurse Aktien eher zu kaufen als zu verkaufen.
Doch nicht alle halten sich an solche Börsenweisheiten. „Privatanleger sind oft prozyklisch unterwegs“, sagt Chris-Oliver Schickentanz, Chef-Anlagestratege der Commerzbank. Sie verkaufen also, wenn die Kurse fallen, und kaufen, wenn sie steigen. Der größte Fehler wäre jetzt also, seine Wertpapierbestände aufzulösen. Schließlich hätte der Anleger dann teuer gekauft und billig verkauft. „Doch leider realisieren viele Privatanleger jetzt die Verluste und schneiden sich das Erholungspotenzial ab.“Krisen seien so alt wie das Geldwesen und hätten sich schon in der Antike ereignet. Ebenso regelmäßig wie der Absturz kam jedoch die Erholung.
Das Depot wetterfest machen: Die Experten von Finanztest raten beispielsweise zu einem ausgewogenen Depot mit 50 Prozent Aktien und 50 Prozent kursstabilen Geldanlagen wie Anleihen oder Tagesgeld. Wenn jetzt der Aktienanteil nach Wert sinkt, weil die Kurse fallen, dann sollten die Anleger ruhig nachjustieren – und von den sicheren Geldanlagen in Aktien umschichten. „Es kann sich also gerade jetzt ergeben, dass man nachkaufen sollte“, sagt Yann Stoffel.
Gegen den Strom schwimmen: Die niedrigen Kurse lassen sich, ein stabiles Einkommen vorausgesetzt, also auch als Chance verstehen. „Da man den Tiefpunkt ohnehin nicht trifft, empfiehlt es sich, in mehreren Tranchen zu investieren“, sagt Commerzbank-Experte Schickentanz. Die verfügbare Summe ist also aufzuteilen – in gewissen Abständen kauft der Anleger dann von einem Teilbetrag neue Aktien nach.
Analysten sind sich derweil einig, dass das Tief an den Märkten noch mindestens so lange anhält wie die Pandemie-Krise selbst. „Ich glaube nicht, dass wir schon den Tiefpunkt gesehen haben“, sagt Schickentanz. Die Commerzbank erwarte erst im zweiten Halbjahr eine konjunkturelle Erholung – Corona-bedingt von einer deutlich niedrigeren Ausgangsbasis aus.
Junge Anleger sollten abwarten: Viel kommt auf den verbleibenden Anlagehorizont an. Wer jung ist und über die kommenden 30 Jahre ein Finanzpolster für den Ruhestand aufbauen will, der kann solche Krise komplett ignorieren. Die klügste Strategie besteht ohnehin darin, das Sparen zu automatisieren und jeden Monat die gleiche Summe anzulegen. „Für den, der langfristigen Vermögensaufbau betreibt, ist der monatliche Sparplan die beste Wahl“, sagt Schickentanz. Die Anlageexperten verweisen darauf, dass Sparplananleger im Schnitt mehr Aktien zu günstigen Preisen kaufen. Denn wer jeden Monat in Euro die gleiche Summe anlegt, nimmt in Monaten mit niedrigen Kursen eine höhere Stückzahl ins Depot als in Monaten mit hohen Kursen. Das klappt natürlich nur, wenn die Sparpläne stur durchlaufen.
Ältere Anleger müssen „Zähne zusammenbeißen“: Wer jedoch am Ende seiner Sparphase ist, also beispielsweise auf die Rente oder einen Hauskauf zusteuert, der sollte „jetzt die Zähne zusammenbeißen und warten, bis die Kurse sich erholen“, sagt Stoffel. „Wer auf das Geld angewiesen ist, um seinen monatlichen Unterhalt zu bestreiten, wird jetzt unsicher“, so Stoffel. Jetzt seien besonders gute Nerven wichtig, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Wer sein Geld in zwei Töpfen hat, einem mit sicheren Wertpapieren und einen mit Aktien, für den empfiehlt sich folgende Strategie: Solange die Krise anhält, erfolgen die Entnahmen nur aus dem sicheren Topf. Das gleicht den gesunkenen Aktienanteil tendenziell aus. Außerdem vermeidet der Anleger es, die Verluste im Aktienanteil zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt zu realisieren.