Gränzbote

Der Eisbären-Anführer

Wahl zum DEL-„Spieler des Jahres“belohnt Marcel Noebels

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Die Frage war fies. Das lag – gewollt – am Format, mit dem die Eisbären Berlin per Video genüsslich enthüllen, was so eine Eishockeym­ontur gemeinhin verdeckt: den Mensch, der in ihr Tore schießt. „Ent- oder weder?“heißt da das Prinzip, und so sah sich Marcel Noebels alsbald mit einem „Niederrhei­n oder Spree?“konfrontie­rt. Ein Lachen, leicht gequält-kalt-erwischt, ein Grinsen dann. Und ein „Niederspre­e!“.

Marcel Noebels, geboren in Tönisvorst im Kreis Viersen, an Schläger und Scheibe sozialisie­rt beim Krefelder EV (respektive den Krefeld Pinguinen), seit Oktober 2014 für die Eisbären stürmend, ist ein cleverer 28-Jähriger. Muss wohl auch sein, wer es in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) zum punktbeste­n heimischen Akteur und viertbeste­n Scorer überhaupt der Saison 2019/20 bringt. 23 Treffer und 26 Vorlagen aus 52 Hauptrunde­nspielen sind Karriere-Spitzenwer­te als Profi. Es lief bei Berlins Nr. 92, Marcel Noebels war in der Form seines Lebens. Sagten sie. „Ich hab’ immer gedacht“, sagte Noebels, „das kommt erst so mit 30.“

Ganz ernsthaft: Die Zukunft seine stärkste Zeit? Warum nicht! Bis 2022 läuft der Fünfjahres­vertrag, unterschri­eben 2017 mit dem Ziel, „in Berlin wenigstens einmal den Meister-Pott in die Höhe zu stemmen“. Zwei Chancen bleiben nach Corona, die Absage der Play-offs vor gut drei Wochen vereitelte eine dritte. Die Düsseldorf­er EG wäre Viertelfin­algegner des Tabellenvi­erten aus Berlin gewesen, 94 Zähler hatte der zuvor gesammelt. Das zeigt die Möglichkei­ten. Marcel Noebels: „Ich will nicht sagen, dass wir Meister geworden wären ...“

Aber: Play-offs sind Eishockey pur, und Marcel Noebels hat in den Playoffs stets zugelegt zuletzt. Noch nie freilich nach einem solchen Prolog wie in seiner sechsten Eisbären-Spielzeit, in der die Angriffsfo­rmation mit Nationalma­nnschaftsk­ollege Leo Pföderl (21 Tore, 16 Assists) und dem NHL-erprobten James Sheppard (13 Tore, 22 Assists) sich blind verstand. Da stimmten Automatism­en und Ausbeute, passte die Chemie. Fast logische Folge – auch von 49 Scorerpunk­ten, 0,94 je Partie – war Marcel Noebels’ Kür zum „Stürmer des Jahres“, sogar zum „Spieler des Jahres“. Gewählt (was das Votum noch wertvoller macht) hatten neben ausgesucht­en Experten die Trainer, Manager und Kapitäne der DEL. Und Marcel Noebels, nun in illustrer Reihe mit Erich Kühnhackl, mit Gerd Truntschka, mit Patrick Reimer? Nutzte die Video-Gala am Samstagabe­nd zum Dank an seine Nebenleute: Ein „Privileg“sei das Spielen „mit Sheppi und Leo“, Keinerlei Abheben. Demut.

Auch kein Hadern. Die National Hockey League ist Traum geblieben bisher. Ein Traum, für den Marcel Noebels mit 18 nach Übersee ging, zu den Seattle Thunderbir­ds zunächst in die Juniorenli­ga WCHL. „Dort lernt man, sich wirklich durchzuset­zen.“So gut offenbar, dass die Philadelph­ia Flyers sich die Transferre­chte sicherten, einen Einstiegsk­ontrakt offerierte­n. Laufzeit: drei Jahre. Deren Höhepunkt: 95 Einsätze für die Adirondack Phantoms, das Flyers-Farmteam in der American Hockey League. Auch ein Trainingsc­amp bei den Boston Bruins im Herbst 2018 wurde zur zwar intensiven, durchaus positiven Erfahrung – nur: ohne Anschluss-Engagement. Marcel Noebels blieb Eisbär. Mitnichten ein trauriger: „Man sollte da vielleicht auch realistisc­h sein. Solange ich hier in der Liga und in der Nationalma­nnschaft spielen kann, bin ich sehr zufrieden.“

81-mal haben die Bundestrai­ner Pat Cortina, Marco Sturm und Toni Söderholm Marcel Noebels seit 2013 in die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes berufen, die Weltmeiste­rschaften 2013, 2014, 2016, 2018 und 2019 hat er gespielt, Olympiasil­ber in Pyeongchan­g gewonnen. Ein Augenblick für die Ewigkeit, ermöglicht auch durch Marcel Noebels: Beim Viertelfin­al-4:3 nach Verlängeru­ng gegen Schweden traf er zum 2:0, wegweisend. Das wichtigste seiner sechs Länderspie­l-, ja, aller seiner Tore.

Apropos: „Früher wussten die Gegenspiel­er, dass ich vermutlich eher passe. Jetzt schieße ich mehr und bin dadurch schwerer ausrechenb­ar.“Auch das erklärt Marcel Noebels’ feine Saison. Die zweite Erklärung heißt Serge Aubin. Der Eisbären-Trainer gibt Vertrauen, erhält Leistung zurück. In Unterzahl, in Überzahl, in knackigen 20:42 Minuten Eiszeit je Spiel. Marcel Noebels: „Er hat mich besser gemacht.“Zu einem Anführer mit Qualitäten, die Zahlen allein (328 DEL-Einsätze, 78 Tore, 127 Vorlagen) nicht widerspieg­eln. Die nach der Corona-Zwangspaus­e immer noch da sein sollen: „Gute Spieler halten ihr Niveau langfristi­g.“Gerade die von der Niederspre­e. (lin)

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