Auch Wimbledon knickt ein
Boris Beckers Hoffnung erfüllte sich nicht – Auch deutsche Rasenturniere fallen aus
BERLIN (SID/dpa) - Boris Becker hat schon immer polarisiert – das ist auch in der Corona-Krise nicht anders. Während nahezu alle Politiker und Virologen vor den Folgen der Pandemie warnen, klagt der Ex-Tennisstar über die angebliche Hysterie. Der ehemalige Sieger hoffte, dass die Organisatoren von Wimbledon Geduld haben – am Mittwochabend wurde jedoch die Absage des traditionsreichen Rasenturniers vermeldet.
Becker erinnerte zuvor auf Twitter an 25 000 Grippetote im vergangenen Jahr in Deutschland („Mögen sie in Frieden ruhen!“), er prangerte die Medien an („Das ganze Weltende-Szenario/Armageddon bringt nichts außer Angst!“) – und warnte die Organisatoren vor einer zu frühen Absage des Grand-Slam-Turniers: „Geduld ist eine Tugend.“
Doch dazu kam es nicht. Die Macher des legendären Rasenturniers entschieden schweren Herzens, das vom 29. Juni bis 12. Juli geplante Turnier abzusagen. Stattdessen soll die 134. Ausgabe vom 28. Juni bis 11. Juli 2021 über die Bühne gehen.
Die Tennis-Organisationen ATP und WTA teilten zudem mit, dass der komplette Tourbetrieb bis zum 13. Juli ausgesetzt wird. Damit fallen auch die vier Rasenturniere in Stuttgart, Halle/Westfalen (beide Männer) sowie Berlin und Bad Homburg (beide Frauen) aus. „Es ist ein bedauerlicher Schritt. Aber er ist vor dem Hintergrund
der aktuellen Situation alternativlos“, sagte Ralf Weber, Turnierdirektor der Noventi Open in Halle.
„Ich bin am Boden zerstört“, schrieb Tennis-Superstar Roger Federer: „Wir erleben schwierige Zeiten, wir werden jedoch daraus gestärkt hervorgehen.“Für Topspielerin Angelique Kerber, die 2018 triumphiert hatte, sei das Turnier jährlich das Highlight: „Aber momentan zählen andere Dinge.“
Neue Termine für alle abgesagten Turniere zu finden, wird ein kompliziertes Puzzle, da im Spätsommer schon die US Open (31. August bis
13. September) und die verlegten French Open (20. September bis
4. Oktober) stattfinden sollen. Ein Zeitfenster hat sich allerdings durch die Verschiebung von Olympia (24. Juli bis 9. August) geöffnet. Für Wimbledon wird jedoch kein neuer Termin in diesem Jahr gesucht.
Die Absage des Grand-Slam-Turniers hat eine historische Dimension: Erstmals seit der Gründung 1877 findet das älteste Tennisturnier der Welt in Friedenszeiten nicht statt. Finanziell fällt der All England Lawn Tennis and Croquet Club trotz des insgesamt elften und seit den großen Kriegen (1914 bis 1918 und 1940 bis 1945) ersten Ausfalls offenbar vergleichsweise weich. Laut britischer Medienberichte ist Wimbledon im Besitz eines Versicherungsscheins gegen eine Pandemie – kein anderes Weltevent ist im Sport bisher bekannt, das derart gut abgesichert gegen die Krise ist.
Wie es im Tenniszirkus weitergeht? Ungewiss. Der Boss der Australian Open glaubt: „Für das Tennis wirde es schwer, in diesem Jahr noch mal zurückzukommen“, sagte Craig Tiley dem „Sydney Morning Herald“. So etwas bringt Boris Becker auf die Palme. „Wir sollten mit der Schwarzmalerei aufhören“, twitterte der Wahl-Londoner, „natürlich wird dieses Jahr noch Tennis gespielt.“Etwas später äußerte er sich schon etwas anders: „Wenn man allerdings hier in London lebt, hört man viele Horrorgeschichten über den Virus. Insofern kann ich nachvollziehen, dass man sich diesem Druck beugen muss“, sagte der 52-Jährige. Dennoch hätte sich der Leimener gewünscht, „dass man noch vier Wochen mit der Entscheidung wartet.“