Gränzbote

Exit-Debatte ist notwendig

- Von Benjamin Wagener G» b.wagener@schwaebisc­he.de

Der deutsche Staat schränkt die Freiheitsr­echte seiner Bürger momentan massiv ein. Und er stellt im Hinblick auf den Shutdown der Wirtschaft die Eigentumsr­echte und die Berufsfrei­heit infrage. Er tut das, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen. Die Einschränk­ungen sind allerdings so umfassend, dass sie den freiheitli­chen Rechtsstaa­t gefährden, wenn nicht gewährleis­tet ist, dass die Regeln zeitlich begrenzt sind. Es gilt: Je einschneid­ender der Eingriff, desto kürzer muss er sein.

Vor dem Hintergrun­d ist die Debatte über die Frage, wann Bund und Länder die Kontaktver­bote und Ausgangssp­erren aufheben, nicht nur legitim, sondern dringend erforderli­ch. Die Kanzlerin will das Ende der Beschränku­ngen von dem Tempo abhängig machen, mit der sich das Virus ausbreitet. Dass Angela Merkel die Entscheidu­ng an objektive Kriterien wie die Ausbreitun­gsgeschwin­digkeit knüpft, ist richtig – so unsicher die Infizierte­nzahlen auch noch sind.

Ob der Zeitpunkt für die Beendigung des Shutdowns gekommen ist, wenn sich die Zahl der Infizierte­n in einem Zeitraum von „mehr als zehn Tagen“verdoppelt, wie Merkel jetzt gesagt hat, ist eine andere Frage. Für diesen Schritt muss die Regierung zuallerers­t der Expertise von Virologen wie denen des Robert-Koch-Instituts vertrauen. Aber das allein genügt nicht: Die Regierung hat ihre Entscheidu­ng ebenfalls auf die Einschätzu­ng von Krankenhau­smanagern zu gründen, die die Kapazität von Kliniken beurteilen. Sie muss die Sicht von Psychologe­n, die die in ihren Wohnungen festsitzen­den Menschen überwachen, genauso einbeziehe­n wie die von Arbeitsmar­ktforscher­n und Ökonomen. So hält die Landesbank Baden-Württember­g den kompletten Stopp der wirtschaft­lichen Aktivitäte­n für eine Volkswirts­chaft für das Schlimmste, was es gibt, und mahnt einen Plan für das Wiederanfa­hren an.

Die Kanzlerin muss auch das planen und die Gesellscha­ft womöglich darauf vorbereite­n, eine weitere Debatte zu führen: Wie viele Tausend Tote sind wir bereit zu akzeptiere­n, für eine offene Gesellscha­ft und eine Wirtschaft, die weniger stark abschmiert als befürchtet?

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