„In schwersten Fällen kann Lungengewebe verloren gehen“
RAVENSBURG - Die langfristigen oder vielleicht sogar unumkehrbaren Folgen einer Infektion mit dem Coronavirus sind derzeit nicht abzusehen – dafür ist der Erreger noch zu neu. Dennoch lassen sich einige mögliche Komplikationen bei einer Infektion mit dem Virus schon jetzt voraussagen. Der Virologe Professor Thomas Mertens erklärt im Gespräch mit Daniel Hadrys, woran manche Patienten nach einer Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus langfristig leiden könnten.
Was wissen wir über mögliche Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung?
Da es sich um eine erst kürzlich neu aufgetretene Erkrankung des Menschen handelt, wissen wir natürlich kaum etwas über „Spätfolgen“. Informationen, die wir haben, stammen von den Krankheitsverläufen in China. Es ist sicher grundsätzlich sinnvoll zwischen Spätfolgen zu unterscheiden, die direkt von der SarsCoV-2-Infektion hervorgerufen werden und solchen, die bei einem schweren septischen Krankheitsbild möglich sind, auch dann, wenn dieses nichts mit Covid-19 zu tun hat. Eine Sepsis, im allgemeinen Sprachgebrauch eine schwerste „Blutvergiftung“, ist übrigens auch unabhängig von Covid-19 eine der häufigsten Todesursache in Deutschland. Als direkte Folge der SarsCoV-2Infektion kann man erwarten, dass es in Fällen mit schwerster Lungenentzündung zu Spätschäden an der Lunge kommt, zum Beispiel einer Lungenfibrose, also dem Verlust von Lungengewebe, das den notwendigen Gasaustausch von CO2 und Sauerstoff leisten kann, und den Ersatz dieses Gewebes durch funktionsloses Bindegewebe. Dies führt zu dauerhaften, bleibenden Atemproblemen. Da Sars-CoV-2 auch zu Herzmuskelentzündungen führen kann, sind hier Spätschäden denkbar, wie sie auch nach anderen Virusinfektionen möglich sind, nämlich Herzvergrößerungen mit verminderter Pumpleistung.
Das Überstehen einer Sepsis, unabhängig von deren Ursache, aber durchaus abhängig von den dabei betroffenen Organen, hat häufig Spätfolgen, die von Atemproblemen, welche teilweise auch durch die notwendige Beatmung verursacht sein können, über allgemeine Schwächezustände und viele andere Symptome bis hin zu psychischen Folgen reichen können. Dies wurde bereits vor Covid-19 in einer deutschen Untersuchung eindrücklich gezeigt.
Sind Spätfolgen denn auch bei eher leichten Verläufen einer Covid-19-Erkrankung zu befürchten?
Nein, bislang ist darüber nichts bekannt.
Lassen sich die Folgeschäden umkehren?
Das hängt von der Art der oben erwähnten Schädigungen ab, viele sicher nach längerer Zeit ja, andere auch nicht.
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach befürchtet gar, dass einige Infizierte selbst nach der Genesung ein Pflegefall bleiben werden. Teilen Sie seine Sorge?
Das ist sicher in Einzelfällen denkbar, über deren Häufigkeit kann man derzeit wirklich nichts sagen.