„Urlaub ist unverzichtbar“
Freizeit in der Corona-Krise – was Arbeitgeber und Arbeitnehmer dürfen und was nicht
BERLIN - Freizeiteinrichtungen haben geschlossen, Reisen ist für Touristen weitgehend verboten: Für viele Arbeitnehmer macht es in der aktuellen Corona-Krise keinen Sinn, Urlaub zu nehmen. Doch was tun, wenn der Chef wegen ausbleibender Arbeit sagt: „Nimm doch frei“? Im Interview mit Hanna Gersmann klärt Arbeitsrechtler Ulf Weigelt über die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf – und verrät, wann diese nicht mehr greifen.
Herr Weigelt, der Urlaub ist bereits genehmigt, doch jetzt kommt das Coronavirus in die Quere. Habe ich ein Recht, ihn zu verschieben?
Nein, bewilligt ist bewilligt, genehmigter Urlaub ist fix. Sie haben keinen Rechtsanspruch auf eine Verschiebung. Sie können aber versuchen, sich mit Ihrem Arbeitgeber zu einigen. Derzeit werden ja etwa in der Pflege oder im Verkauf händeringend Leute gesucht. Da sind viele Arbeitgeber bereit zu sagen: „Du brichst Deinen Urlaub ab, kommst wieder in den Dienst, wie schön.“Halten Sie das dann aber unbedingt schriftlich fest.
Wie formuliere ich das?
Zum Beispiel so: „Der vom Zeitpunkt X bis Y bewilligte Urlaub wurde nicht angetreten, der daraus noch bestehende Urlaubsanspruch wird nachgewährt.“
Und wenn dann alle Ende des Jahres ihren Urlaub nehmen wollen – wer darf wann wie gehen?
Dafür sollte jedes Unternehmen nach sozialen Gesichtspunkten einen Plan machen, es individuell regeln. Der Arbeitgeber hat immer die Pflicht, darauf zu achten, dass jeder seinen Urlaub bekommt.
Aber wenn es einfach nicht mehr möglich ist, bis zum Ende des Jahres in Urlaub zu gehen, weil sich durch den Corona-Shutdown Ar
beit aufgestaut hat – kann es einen Aufschub geben?
Ja, der Arbeitgeber könnte sagen, dass der Urlaub aufgrund der besonderen Situation in diesem Jahr mit in das nächste Jahr übertragen werden kann und der Urlaub nicht verfällt. Dass er 2021, anders als in anderen Jahren, auch nicht nur bis zum 31. März oder gegebenenfalls 30. Juni genommen werden kann, sondern noch bis Ende Dezember.
Kann ich mir den Urlaub auch auszahlen lassen?
Nein, das geht immer nur dann, wenn ein Arbeitsverhältnis beendet wird. Nur dann haben Sie einen sogenannten Urlaubsabgeltungsanspruch. Denn Urlaub ist zuallererst dafür da, sich zu erholen. Er ist unverzichtbar. Er muss genommen werden.
Dann könnte mein Chef jetzt auch sagen „nimm frei“und mich verpflichten, Urlaub zu nehmen?
Im Grunde kann er das nicht. Nur, gerät das Unternehmen wegen der Corona-Krise in Not und muss darüber nachdenken, Kurzarbeit einzuführen, kann der Arbeitgeber doch eine Art Zwangsurlaub vorschreiben – zumindest für Urlaub aus 2019. Und sofern etwa ein Bäcker oder ein Fleischer wie üblich Betriebsferien macht, kann er seine Mitarbeiter auch in den Urlaub schicken.
Zeigt sich in der Corona-Krise, dass Urlaubsregeln grundsätzlich geändert werden müssen?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt keinen Änderungsbedarf. Aber reden Sie mit ihrem Arbeitgeber! Viele treffen in dieser Sondersituation individuelle Vereinbarungen, weil ihnen die Leute, die sie haben, wertvoll sind. Sie wollen nicht riskieren, dass diese nach der Krise nicht mehr da sind, sich einen neuen Arbeitsplatz suchen. Gehen Sie davon aus: Die meisten Arbeitgeber wollen ihre Leute behalten.