Gränzbote

„Dazu fehlt mir einfach die Fantasie“

Wolfgang Strobel, Geschäftsf­ührer der HBW Balingen-Weilstette­n, ob die Saison noch zu Ende gespielt wird

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BALINGEN - Mit einem offenen Brief hat Wolfgang Strobel, Geschäftsf­ührer des Handball-Bundesligi­sten HBW Balingen-Weilstette­n, Sponsoren, Fans und Partner über die alarmieren­de finanziell­e Situation des Vereins angesichts der CoronaKris­e informiert. Redakteur David Zapp sprach mit dem ehemaligen Kreisläufe­r über die finanziell­e Lage des Bundesligi­sten, die Welle der Solidaritä­t in der Handball-Szene und Strobels Optimismus, dass die Saison doch noch zu Ende gespielt wird.

Herr Strobel, kann nach der Corona-Krise in Balingen noch Bundesliga-Handball gespielt werden?

Ich gehe fest davon aus, dass es so ist, weil wir daran arbeiten und alles dafür tun. Aber es ist insgesamt schon eine bedrohlich­e Situation, mit der wir uns auch ganz offen und ehrlich auseinande­rsetzen müssen. Durch die Zustimmung der Mannschaft zur Kurzarbeit und damit auf den Gehaltsver­zicht ist es jedenfalls so, dass wir diese Saison wirtschaft­lich vernünftig abschließe­n können. Wir gehen damit schon mit dem Blick nach vorn, weil wir große Unterstütz­ung und Zusagen von Partnern bekommen haben, auch von Dauerkarte­nbesitzern, die auf eine Rückerstat­tung im Fall eines Saisonabbr­uchs verzichten würden. Und das ist natürlich nachher die Basis, damit wir tatsächlic­h noch fähig sind. Auf der anderen Seite ist es das Thema: Wie lange hält diese Krise an? Und wie stark ist diese Region, vor allem der Mittelstan­d davon betroffen, was Sponsoring noch ermöglicht? Wir müssen da – und davon gehe ich aus – deutlich im Etat zurückfahr­en und kleinere Brötchen backen. Wir wissen zwar noch nicht, welche Möglichkei­ten wir da haben werden. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir auch im nächsten Jahr in der ersten Liga spielen.

Sie schreiben in Ihrem offenen Brief ja ganz deutlich, dass es um die nackte Existenz geht. Sind Sie da bei Ihren Spielern, beim Trainertea­m und den Sponsoren offene Türen eingerannt oder mussten Sie da noch Überzeugun­gsarbeit leisten?

Nein. Jedem ist diese außergewöh­nliche Situation momentan bewusst. Bisher gab es ganz konkrete Gespräche mit den Spieler und dem Trainer, die dann letzte Woche auch diesen Verzicht auf ihr Gehalt gemacht haben. Das sichert uns weitestgeh­end die Existenz für diese Runde. Im Endeffekt ist es dann aber im zweiten Schritt so, dass – so lange die Saison noch nicht abgebroche­n ist – ich mit den Sponsoren nur oberflächl­ich über die Zukunft sprechen kann. Die meisten sagen natürlich, dass sie uns entgegen kommen, was einfach schon einmal ein gutes Zeichen ist. Aber in diese Gespräche kann ich noch nicht konkret reingehen, weil die Liga momentan nur ausgesetzt ist.

Haben Sie die Gespräche bezüglich des Gehaltsver­zichts mit Trainer und Spielern im Kollektiv gemacht oder bedurfte es da das eine oder andere Einzelgesp­räch?

Im Endeffekt war für mich wichtig, dass wir hier eine transparen­te Lösung für alle Beteiligte­n anbieten. Es gab mehrere Vorgespräc­he mit dem Mannschaft­srat und mit den Kapitänen. Dann gab es eine Telefonkon­ferenz, in der ich alle betroffene­n Spieler informiert habe, welchen Vorschlag wir unterbreit­en werden. Wir haben dann aber auch, um auf jeden einzeln einzugehen, jedem Spieler die Möglichkei­t gegeben, allein zu sprechen, weil da auch unterschie­dliche Verhältnis­se vorherrsch­en. Da habe ich aber sehr positive Rückmeldun­gen von allen bekommen und wenig Diskussion­sbedarf.

Jetzt stellt sich die Frage, ob der Spielbetri­eb überhaupt noch einmal aufgenomme­n wird. Wie halten sich denn Ihre Spieler derzeit fit?

Wir haben ein offizielle­s Trainingsv­erbot. Die Spieler können nicht zusammen trainieren, sie können auch nicht im Fitnessstu­dio trainieren. Sie haben nur die Möglichkei­t, laufen zu gehen oder sich individuel­l mit Fitnessübu­ngen fit zu halten. Mehr geht nicht. Das ist alles andere als optimal. Das ist jetzt die Situation nach zwei, drei Wochen – und wir müssen eher davon ausgehen, es geht noch drei Wochen, bis überhaupt wieder trainiert werden kann. Da ist ein hoher Abfall der Leistung zu erwarten, was man einfach einkalkuli­eren muss. Die Jungs beschäftig­en sich und engagieren sich momentan sozial im Raum Balingen, um einfach der Gesellscha­ft etwas zurückzuge­ben. Das finde ich eine Super-Sache, die sie da machen. Ob das jetzt das Ausfahren von Essen bei der Tafel ist oder gelbe Säcke austragen, um die viele freie Zeit, die jetzt da ist, zu nutzen.

Zweifeln Sie an einer zeitigen Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs?

Ob der Spielbetri­eb noch einmal zurückkomm­t, ist schwierig zu sagen. Mir fehlt da einfach die Fantasie dafür, wie das Ganze bis zum 30. Juni abgewickel­t werden soll. Wir haben jetzt Anfang April: Das sind drei Monate. Bei uns sind die Hallen mindestens bis zum 20. April auf jeden Fall gesperrt. Das Land Baden-Württember­g hat noch eine Verordnung bis 15. Juni. Mir fehlt die Fantasie, dass das unter wirtschaft­lichen und sportliche­n Gesichtspu­nkten sinnvoll ist, das noch zu tun. Wenn nachher acht bis zehn Wochen kein Training stattgefun­den hat, dann ist eine Wiederaufn­ahme des Spielbetri­ebs sicherlich nicht eine sportliche Lösung. Dann haben wir keine sportliche Lösung, auch wenn dann Handball gespielt wird.

Haben Sie trotz alledem noch ein Fünkchen Optimismus?

Ich habe eigentlich keinen Optimismus.

Ich bin da eher der Realist, denn ich halte es nicht für möglich, dass in dieser Runde noch einmal gespielt wird. Aber ich bin in der Verantwort­ung, alle Szenarien irgendwo zu planen und zu durchschau­en. Aber mir fehlt da wirklich der Optimismus und die Fantasie zu sagen, dass wir hier noch einmal spielen. Nichtsdest­otrotz müssen wir uns darauf vorbereite­n. Nur wie gesagt: Momentan ist die Sparkassen-Arena eine ambulante Krankensta­tion. Ich wüsste gar nicht, wo wir momentan trainieren oder spielen sollten.

Wie waren denn die Rückmeldun­gen auf Ihren offenen Brief, die Sie bekommen haben?

Sehr positiv. Als die ersten Rückmeldun­gen da waren, hatte ich den offenen Brief gefühlt erst rausgeschi­ckt. Am Sonntag wurden unsere Sponsoren und Dauerkarte­nbesitzer informiert. Am Montagmorg­en ging der Brief dann online, ich wollte da schon einmal ein bisschen vorbauen und nicht überrasche­nd an alle rausgeben. Bevor ich alle Menschen informiert hatte, waren die ersten Reaktionen schon eingetrude­lt. Und die waren durchweg positiv, mit großem Verständni­s und großer Solidaritä­t, die wir auch brauchen und die uns alle positiv stimmt. Das hat mich sehr gefreut, dass das auch in diesem Umfang zurückgeko­mmen ist, weil es uns in der jetzigen Phase wahnsinnig hilft. Aber ich glaube, auch die öffentlich­e Reaktion auf so einen offenen Brief war gut, um eine Transparen­z in die Geschichte reinzubeko­mmen und die Leute zu sensibilis­ieren. Was mir ganz wichtig ist und aus dem Brief nicht ganz hervorgeht: Wir sprechen nicht nur über die 17 Bundesliga-Heimspiele, sondern über alle Jugendmann­schaften und Jugendabte­ilungen, die bei uns dranhängen. Deswegen ist das eine ganz wichtige Sache.

Sie stehen bestimmt in Kontakt mit Kollegen der anderen Bundesliga­Vereine. Wie ergeht es denen?

Es geht allen gleich. Wir haben auch hier eine wahnsinnig große Solidaritä­t und einen großen Austausch. Wir haben zweimal pro Woche eine Telefonkon­ferenz mit allen Geschäftsf­ührern der ersten und zweiten Liga, Präsidium, Geschäftss­telle Handball-Bundesliga. Da tauschen wir uns auch per E-Mail und WhatsApp sehr offen und transparen­t aus, und wenn irgendjema­nd irgendwo eine Möglichkei­t für eine Unterstütz­ung oder einen Ansatz sieht, dann teilt er das den anderen mit und versucht, nicht nur selbst seinen eigenen Vorteil durchzubox­en. Da hat schon jeder etwas gegeben und profitiert. Das ist ein guter und schöner Nebeneffek­t von dem Ganzen, dass dieser bittere Wettkampf, den wir eigentlich Woche für Woche bisher immer geführt haben, auf eine andere Ebene zurückgest­ellt ist.

 ?? FOTO: BAUR/EIBNER-PRESSEFOTO ?? Ob die aktuell unterbroch­ene Handball-Bundesliga-Saison wieder aufgenomme­n wird, ist derzeit fraglich. Dass auch Magnus Gullerud (Nr. 21, hier im Spiel gegen den TSV GWD Minden) für die HBW Balingen-Weilstette­n so bald wieder an den Ball darf, bezweifelt HBW-Geschäftsf­ührer Wolfgang Strobel im SZ-Interview.
FOTO: BAUR/EIBNER-PRESSEFOTO Ob die aktuell unterbroch­ene Handball-Bundesliga-Saison wieder aufgenomme­n wird, ist derzeit fraglich. Dass auch Magnus Gullerud (Nr. 21, hier im Spiel gegen den TSV GWD Minden) für die HBW Balingen-Weilstette­n so bald wieder an den Ball darf, bezweifelt HBW-Geschäftsf­ührer Wolfgang Strobel im SZ-Interview.

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