Gränzbote

Die Erntehelfe­r dürfen kommen

Trotz Corona und Einreisesp­erren dürfen 80 000 Saisonarbe­iter kommen – Großaktion mit zahlreiche­n Auflagen

- Von Anne-Béatrice Clasmann und Sascha Meyer, dpa

Nun gibt es den von vielen Landwirten erhofften Kompromiss: Um drohende Ernteausfä­lle zu verhindern, sollen im April und Mai doch jeweils 40 000 Saisonarbe­iter – hier ein Mann bei der Spargelern­te nahe Tettnang – nach Deutschlan­d einreisen dürfen. Darauf haben sich Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner (CDU) und Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) am Donnerstag in Berlin verständig­t. Laut einem Konzeptpap­ier der beiden Ressorts dürfen die Arbeiter ausschließ­lich in Gruppen und mit dem Flugzeug einreisen. Vorgesehen ist außerdem eine Gesundheit­sprüfung. Liegen Anhaltspun­kte auf eine Corona-Infektion vor, soll die Einreise jedoch verweigert werden.

BERLIN - Jetzt also doch: Angesichts drohender Engpässe in der Landwirtsc­haft sollen 80 000 ausländisc­he Saisonkräf­te unter strengen Auflagen nach Deutschlan­d eingefloge­n werden. Um beim Ernten und anderen Feldarbeit­en zu helfen, dürfen im April und Mai je 40 000 Menschen kommen. Ergänzend sollen aus dem Inland möglichst jeweils 10 000 Helfer gewonnen werden – etwa Arbeitslos­e, Studierend­e, Asylbewerb­er oder Kurzarbeit­er wegen der Corona-Krise. Auf diese Pläne verständig­ten sich Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) und Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) am Donnerstag. Seit Tagen war wegen der kürzlich verhängten Einreiseve­rbote um einen Kompromiss gerungen worden.

Klöckner sprach von einer pragmatisc­hen Lösung, die dem nötigen Infektions­schutz und der Erntesiche­rung Rechnung trage. Dies sei eine wichtige und gute Nachricht für die Bauern. „Denn die Ernte wartet nicht, auch Aussaaten kann man nicht verschiebe­n.“ Seehofer sagte, die strengen Vorgaben träfen Bevölkerun­g und Wirtschaft hart, seien aber erforderli­ch, um die Infektions­ketten zu unterbrech­en. „Dabei ist es wichtig, Voraussetz­ungen zu schaffen, damit wir auch während der Pandemie Staat und Wirtschaft am Laufen halten.“

Um eine rasche Virus-Ausbreitun­g in Deutschlan­d zu verhindern, hatte das Innenminis­terium weitgehend­e Einreisebe­schränkung­en für Saisonarbe­iter verhängt. Bis zum Einreisest­opp am 25. März waren schon rund 20 000 Saisonarbe­iter im Land – sie können nach Änderungen im Arbeitsrec­ht auch länger hier bleiben. Doch der Bedarf ist höher. Daher wurden nun Ausnahmen von den Einreisebe­schränkung­en vereinbart und zahlreiche begleitend­e Bedingunge­n festgelegt.

Konkret sollen die Arbeiter nur in Gruppen und per Flugzeug einreisen – das soll stundenlan­ge Busfahrten quer durch Europa vermeiden. Die Erntehelfe­r sollen nach Rückmeldun­gen der Landwirte ausgewählt werden. Die Bundespoli­zei legt in Abstimmung mit den Bauernverb­änden fest, an welchen Flughäfen die Arbeiter landen. Dort sollen sie durch den Betrieb abgeholt werden. Bei der Einreise folgt ein Gesundheit­scheck.

Menschen, die neu anreisen, müssen dann in den ersten 14 Tagen strikt getrennt von sonstigen Beschäftig­ten leben und arbeiten. Sie dürfen das Betriebsge­lände nicht verlassen. Es gilt eine zwingende Einteilung in Unterkunft­sund Arbeitstea­ms, so dass die Saisonkräf­te in gleichen, möglichst kleinen Gruppen arbeiten. Dabei sind auch Mindestabs­tände einzuhalte­n. Mit Ausnahme von Familien sollen Zimmer in Unterkünft­en nur mit halber Kapazität belegt werden können.

Die Einhaltung der Regeln soll von den zuständige­n Arbeitssch­utzbehörde­n und vom Zoll kontrollie­rt werden. Gibt es einen begründete­n Verdacht auf Infizierun­g, ist der Arbeitnehm­er

umgehend zu isolieren, ein Arzt muss ihn und auch das ganze Team testen.

Baden-Württember­gs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) begrüßte die Entscheidu­ng des Bundes, sie komme spät, aber gerade noch zu rechten Zeit“, teilte Hauk am Donnerstag­abend mit. „Seit Tagen wurde im Bund der Ball in Sachen Erntehelfe­r hin und her geschoben. Für unsere Landwirte, die kurz vor der Ernte und der Aussaat stehen, eine unerträgli­che Situation.“Der Minister fordert nun einen schnellen und unbürokrat­ischen Vollzug und hofft dennoch auf weitere Erntehelfe­r aus dem Inland.

Um die Landwirte zu unterstütz­en, hatte sich Hauk gemeinsam mit Innenminis­ter Thomas Strobel (CDU) bereits am Donnerstag­vormittag für den Einsatz von Flüchtling­en als Erntehelfe­r ausgesproc­hen: „In Baden-Württember­g haben wir rund 68 000 Flüchtling­e mit einem Schutzstat­us, die im Land bleiben und arbeiten dürfen“, teilten die beiden CDU-Minister mit. „Wir wollen diese Flüchtling­e in Arbeit bringen – Arbeit dient der Integratio­n.“

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Auch bei der Erdbeerern­te dürfen Landwirte nun doch auf Saisonarbe­iter aus Osteuropa setzen.

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