Anlegen in Zeiten der Corona-Krise
Wie man auf Börsenturbulenzen reagieren sollte – Experten antworten bei der Telefonaktion der „Schwäbischen Zeitung“
(sz) - Durch die Corona-Krise sind die Geld- und Aktienmärkte stark in Bewegung geraten. Wie wirkt sich das auf meine Geldund Sachanlagen aus? Soll in dieser Phase noch investiert werden? Welche Fonds sind aktuell am erfolgversprechendsten? Diese und viele weitere Leserfragen beantworteten die Experten Michael Brändle, Berater Private Banking, von der VR-Bank Ravensburg-Weingarten und Bernd Hackspiel, Leiter Vermögensverwaltung, von der Kreissparkasse Ravensburg bei der Telefonaktion der „Schwäbischen Zeitung“.
Soll man in diesen unsicheren Corona-Zeiten einen Aktienfondssparplan weitermachen?
Ja, denn bei einem Fondssparplan profitieren Sie auch von Kursrückschlägen. Bei niedrigen Kursen erwerben Sie für die Sparrate mehr Aktienanteile als bei hohen Kursen. Das ergibt langfristig einen günstigen durchschnittlichen Einkaufspreis. Das nennt man auch den Cost-Average-Effekt.
Machen Aktienfonds überhaupt noch Sinn? Von den Renditen werden die Kosten für die Fondsverwaltung abgezogen, da bleibt fast nichts mehr übrig. Sind da ETFs nicht viel lukrativer?
Das muss man genauer betrachten. Grundsätzlich sind alle Kosten, die den Fonds direkt betreffen, wie Verwaltungsvergütungen, in der Wertentwicklung bereits berücksichtigt. Diese Kosten werden direkt aus dem Fondsvermögen entnommen. Lediglich ein eventueller Ausgabeaufschlag würde direkt beim Anleger anfallen und muss für die Netto-Rendite berücksichtigt werden.
Ein ETF bildet bestimmte Indizes ab, ist direkt daran gekoppelt und wird nicht aktiv betreut. Daher ist ein ETF am Anfang günstiger. Ein Fonds wird aktiv gemanagt und die Struktur regelmäßig angepasst. Gerade in Krisenzeiten wie wir sie aktuell erfahren spielen die Fonds diesen Vorteil aus und erzielen langfristig in der Regel höhere Renditen als ETFs.
Welche Aktienfonds sind in der heutigen Situation am erfolgversprechendsten?
Das lässt sich im Vorhinein nicht sagen. Die Wertentwicklung hängt ab von der Entwicklung an den Kapitalmärkten
und der Anlagepolitik der Fondsgesellschaft. Sie können bei Fonds aber auch Ihre persönliche Neigung berücksichtigen. So gibt es Fonds, die zum Beispiel ausschließlich in nachhaltige Investments oder nur im Bereich „Industrie 4.0“anlegen. So können Sie langfristig Renditen erzielen und gezielt Ihren Schwerpunktbereich unterstützen. Lassen Sie sich hier genau beraten und wenn Sie etwas nicht verstehen, dann fragen Sie nach. Sie müssen verstehen in was Sie investieren.
Sparbücher und Girokonten sind durch die gesetzliche Einlagensicherung bis zu 100 000 Euro abgesichert. Wie ist das bei Fonds und Aktiendepots?
Investmentfonds stellen Sondervermögen dar und sind damit getrennt vom Vermögen der Fondsgesellschaft. Damit ist das Fondsvermögen der Sparer bei Insolvenz der Fondsgesellschaft vollständig gesichert. Das eigene Aktiendepot ist ebenfalls komplett im Eigentum des Investors und damit ebenfalls vollständig gesichert.
Bisher habe ich ungefähr 1/3 meines Vermögens in DAX-Einzeltitel und 2/3 in Immobilienfonds investiert. Soll ich unter den aktuellen Rahmenbedingungen an der Struktur etwas ändern?
Sprechen Sie mit Ihrem Anlageberater, wie die Aussichten für Ihre Fonds sind, damit Sie nicht Gefahr laufen, am Tiefpunkt zu verkaufen. Um das Schwankungsrisiko bei den Dax-Einzeltiteln zu reduzieren, könnte hier auch ein Aktienfonds infrage kommen. Denken Sie daran, ausreichend
Liquidität für Notfälle zu halten, um ihre Fonds nicht zu unpassender Zeit verkaufen zu müssen. Wichtig ist, dass Sie sich mit Ihrer Vermögensstruktur gut fühlen.
Ich habe einen Bausparvertrag über 40 000 Euro und 60 000 Euro auf dem Sparkonto. Was soll ich in der akutellen Situation machen?
Sie sollten den Bausparvertrag bis etwa 35 000 Euro ansparen und dann die Zahlungen aussetzen. Danach sollten Sie den Bausparvertrag nicht weiter bedienen bis die Zinsen die Bausparsumme von 40 000
Euro erreichen. Bezüglich der Liquidität auf dem Sparkonto sollten Sie prüfen, wie viel Geld kurzfristig verfügbar sein muss – den Rest je nach Risikoklasse und Zeithorizont investieren. Dies könnte beispielsweise ein monatlicher Investitionsplan sein, der einen Teil der Liquidität verwendet.
Wir haben ein Vermögen von 460 000 Euro. Wir sind schon älter und möchten den Kapitalerhalt sichern. Was müssen wir tun?
Aktuell beträgt die Inflation ca. 1,6 Prozent. Das heißt, Ihr Vermögen müsste mindestens die 1,6 Prozent als Rendite verdienen. Als Erstes müsste festgelegt werden wieviel Liquidität Sie jederzeit zur Verfügung haben wollen. Das restliche Vermögen sollte zusammen mit Ihrem Bankberater bezüglich Laufzeit, Risiko und Renditeziel analysiert und gegebenfalls optimiert werden. Bei einem Anlagevermögen ab circa 150 000 Euro kann eine Vermögensverwaltung eine interessante Option darstellen. Bei einer Vermögensverwaltung kümmert sich ein Verwalter um Ihr Geld und passt die Aufteilung des Vermögens je nach Marktlage auf einzelne „Anlageklassen“, wie zum Beispiel Aktien, Anleihen, Gold an. Lassen Sie sich von Ihrer Bank die vergangene Wertentwicklung zeigen und achten Sie auch darauf, wie sich die Vermögensverwaltung in Extremsituationen entwickelt hat.
Ich beziehe bereits meine Regelrente. Will aber noch mindestens drei Jahre mit den Einnahmen aus einem Nebenjob etwas ansparen. Ist es aktuell gut, die monatlichen Einkünfte in einem Fondsparplan anzulegen?
Ja. Aktuell sind die Kurse durch die Krise überwiegend sehr günstig. Mit der Monatsrate können somit mehr Anteile gekauft werden als vor der Krise. Da der Zeithorizont nur mittelfristig ist, empfehlen sich hier Mischfonds. Sollte etwas Unvorhergesehenes eintreffen, kann ein Fondssparplan auch immer ausgesetzt werden und ist dadurch flexibel.
Lohnt es sich, sich mit 84 Jahren noch mit Geldanlagen zu beschäftigen. Ich habe ein Vermögen von circa 500 000 Euro und will es für meine Enkel möglichst erhalten.
Geldanlage ist unabhängig vom Alter. Das heißt, es macht immer Sinn die Struktur der bisherigen Anlageformen zu überprüfen und gegebenfalls an die aktuelle Zielsetzung anzupassen. Wenn schon klar ist, dass die Enkel das Erbe bekommen, kann es unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll sein, die Enkel in die Entscheidungsfindung zur Anlagestrategie mit einzubinden.
Ich habe 250 000 Euro Kapital und möchte mir eine Immobilie kaufen. Soll ich alles als Eigenkapital einbringen?
Wenn Sie die Immobilie fremd vermieten, sollten Sie sich auf jeden Fall mit ihrem Steuerberater besprechen. Es kann Sinn machen nur einen Teil der 250 000 Euro als Eigenkapital einzusetzen und den Rest anzulegen. Die Zinsen für Immobilien liegen aktuell niedriger als die langfristigen Renditen der meisten Fonds. Bei fremdvermieteten Immobilien können die Zinsen von der Steuer abgesetzt werden.
Besteht aktuell eine Immobilienblase in unserer Region?
Unsere Region wird unabhängig von der Corona-Krise eine Zuzugregion bleiben. Nach einer coronabedingten Korrektur wird langfristig eine starke Nachfrage bleiben und die Immobilien werden weiter an Wert gewinnen.