Härtere Strafen bei Kindesmissbrauch geplant
Justizministerin Lambrecht (SPD) reagiert auf Kritik – Richterbund bemängelt Debatte
BERLIN (dpa) - Nach tagelangem Druck und scharfer Kritik aus der Union hat sich am Donnerstag auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) dafür ausgesprochen, das Strafrecht bei Kindesmissbrauch und Kinderpornografie zu verschärfen. Die Ministerin strebt aber gleichzeitig Gespräche mit Politikern, Missbrauchsbeauftragten, Polizei, Justiz und Jugendämtern an, um bei Prävention, Ermittlung und Strafverfolgung voranzukommen.
„Sexueller Missbrauch bricht Kinderseelen“, sagte Lambrecht in Berlin. „Ohne Wenn und Aber muss klar sein, dass das ein widerliches Verbrechen ist und das muss sich auch im Strafmaß ausdrücken.“Sie verwies erneut darauf, dass Taten wie in Münster bereits jetzt mit höchsten Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren geahndet werden könnten. Die SPD-Politikerin will nun aber auch härtere Strafen für Missbrauchsfälle, die nicht mit körperlicher Gewalt und Misshandlungen einhergingen, wie sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte. „Das sind zum Beispiel Berührungen von Kindern in sexueller Weise. Im Gesetz muss ganz klar zum Ausdruck kommen, dass es sich hierbei ohne Wenn und Aber um Verbrechen handelt.“
Als Verbrechen gilt laut Strafgesetzbuch eine Tat, die mit mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet wird, als Vergehen eine Tat, für die auch eine geringere Freiheitsoder Geldstrafe verhängt werden kann. Ob eine Tat ein Verbrechen oder ein Vergehen ist, leitet sich also davon ab, welcher Strafrahmen dafür jeweils im Strafgesetzbuch vorgesehen ist. CDU und CSU hatten eine Strafrechtsänderung dahingehend gefordert, dass Kindesmissbrauch in jedem Fall unter die Kategorie Verbrechen fällt und dass außerdem die Strafen in Zusammenhang mit Kinderpornografie erhöht werden.
Der Deutsche Richterbund kritisierte die auf höhere Strafrahmen fokussierte Diskussion. Diese greife zu kurz, sagte Geschäftsführer Sven Rebehn. „Abschrecken lassen sich mögliche Täter in erster Linie durch das Risiko, überführt und bestraft zu werden.“Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warnte vor zu großen Erwartungen: „Härtere Strafen haben keinerlei präventive Wirkung“.
BERLIN - Nach tagelangem Druck und scharfer Kritik aus der Union will nun auch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) das Strafrecht bei Kindesmissbrauch und Kinderpornografie verschärfen. Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie will die Union Kindesmissbrauch stärker bekämpfen?
CDUChefin Annegret Kramp-Karrenbauer fordert eine Mindeststrafe von einem Jahr Haft für Missbrauch und eine Strafverschärfung für den Besitz von Kinderpornografie. Der CDU-Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, findet drastische Worte: „Für mich ist sexueller Missbrauch wie Mord. Damit wird das Leben von Kindern beendet – nicht physisch, aber psychisch.“
Wie begründet die SPD ihren Schwenk?
Ministerin Lambrecht verwies zwar am Donnerstag darauf, dass Taten wie in Münster bereits jetzt mit höchsten Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren geahndet werden könnten. Die SPD-Politikerin will nun aber auch härtere Strafen für Missbrauchsfälle, die nicht mit körperlicher Gewalt und Misshandlungen einhergingen. „Das sind zum Beispiel Berührungen von Kindern in sexueller Weise. Im Gesetz muss ganz klar zum Ausdruck kommen, dass es sich hierbei um Verbrechen handelt“, sagte sie dem „Redaktionsnetzwerk
Deutschland“. Der Rechtsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, hält es zudem für wichtig, die Ermittler besser auszustatten, „personell und technisch“, wie er der „Schwäbischen Zeitung“sagte. Zwar seien vor allem die Bundesländer zuständig, aber das Bundeskriminalamt solle in die Lage versetzt werden, künftig noch intensiver nach Tätern zu fahnden und den Ländern Informationen
über Missbrauchstäter bereitzustellen. Große Hoffnungen verknüpft Fechner mit der von der Großen Koalition Anfang des Jahres geschaffenen Möglichkeit, dass Ermittler computergenerierte Missbrauchsbilder verwenden dürfen. „Mit diesem Mittel können sich Polizeibeamte leichter Zugang zur Szene verschaffen“, sagt er. Wichtig sei auch die Prävention. „Von der Kita über die Schulen bis zum Sportverein“müssten Erwachsene mehr sensibilisiert werden, um Missbrauch zu erkennen.
Wollen beide Koalitionspartner nun exakt das Gleiche?
Nicht ganz. Fechner kündigte an, seine Fraktion wolle den Unionsvorschlag prüfen, Kindesmissbrauch generell als Verbrechen und nicht als Vergehen zu behandeln. Es müsse aber sichergestellt sein, dass nicht etwa „14-Jährige, die, auch im Einvernehmen, explizite Bilder von der 13-jährigen Partnerin herstellen und verschicken, ohne Wenn und Aber für ein Jahr ins Gefängnis müssen“.
Was würden schärfere Gesetze für die Haupttäter von Münster bedeuten?
Wohl nicht viel. Aller Wahrscheinlichkeit nach bekommen sie wie die Haupttäter bei den Missbrauchsfällen auf einem Campingplatz im nordrhein-westfälischen Lügde langjährige Haftstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung.
Welchen Anteil haben Gerichte und Jugendämter am Missbrauchsproblem?
Beim Fall in Münster gibt es schwere Vorwürfe gegen das Familiengericht und das Jugendamt. Obwohl der Hauptverdächtige Adrian V. kinderpornografisches Material verschickt hatte, wurde ihm erlaubt, weiter mit seinem Stiefsohn zusammen zu sein, den er später auf schwerste Weise missbrauchte. Für Entsetzen sorgte bei vielen der Fall eines Lehrers aus Niedersachsen, der vor Kurzem vom Landgericht Bückeburg für den Missbrauch seines zweijährigen Sohnes und den Besitz kinderpornografischen Materials zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde. Unterrichten darf er aber nicht mehr.