Gränzbote

Das Ziel: „Größter Benefit für die Bürger“

Der neue Klinikgesc­häftsführe­r Sebastian Freytag spricht über seine Aufgaben und seine Ziele

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TUTTLINGEN - Am Wochenende schaut sich der neue Geschäftsf­ührer des Klinikums Landkreis Tuttlingen, Dr. Sebastian Freytag, erstmals in der Region um. Und der 58-Jährige möchte gerne länger bleiben. Im Gespräch mit Redakteur Matthias Jansen erklärt er, warum er sich von seinem Vorstandsa­mt an der Universitä­tsmedizin Göttingen verabschie­det hat und wie er die medizinisc­he Versorgung verbessern will.

Guten Tag, Herr Freytag. Im August treten Sie die Nachfolge von Sascha Sartor als neuer Geschäftsf­ührer des Klinikums Landkreis Tuttlingen an. Was verschlägt Sie in die Region?

Die Basis für meine Entscheidu­ng war, dass ich mich nach 15 Jahren in der universitä­ren Medizin verändern wollte. Ich habe eine neue Herausford­erung gesucht. Die interessan­te Stelle war über eine Personalag­entur, die ich schon länger kenne, ausgeschri­eben. Also habe ich mich beworben.

Was hat Sie dann letztlich bewogen, die Aufgabe in Tuttlingen anzunehmen?

Ich habe in den Gesprächen mit der Findungsko­mmission und dem Aufsichtsr­at – vor allem mit dem Vorsitzend­en Landrat Stefan Bär – schon viel gegenseiti­ges Vertrauen gespürt. Es gibt eine gute Basis für eine Zusammenar­beit bei einem gleichen Verständni­s, was ein regionales Krankenhau­s der Grund- und Regelverso­rgung leisten muss. Und es gibt ein klares Bekenntnis zum Klinikum. Denn: Gerade in Zeiten der CoronaKris­e geht es bei regionalen Kliniken nicht um mehr oder weniger wirtschaft­lichen Erfolg, sondern auch um den Existenzer­halt. Es gibt in Tuttlingen aber einen breiten Rückhalt für das Klinikum, den die Mitarbeite­r und auch ein Geschäftsf­ührer für ihre Arbeit brauchen.

Der Tuttlinger Kreistag hat beschlosse­n, den Klinik-Standort in Spaichinge­n zu schließen. Werden Sie in Ihrer Funktion auch in die dortige Umgestaltu­ng einbezogen?

Dazu findet die konkrete Abstimmung noch statt. Ich habe den Prozess verfolgt und mich mit der Entscheidu­ng intensiv beschäftig­t. Als Geschäftsf­ührer des Klinikums Landkreis Tuttlingen werde ich die Entwicklun­g Spaichinge­ns maximal mitunterst­ützen. Dass der Standort anders, eher im Bereich der Gesundheit­sdienstlei­stungen, entwickelt wird, geht nur im Verbund mit Tuttlingen. Und dass das Ergebnis in Spaichinge­n auch für Tuttlingen gut sein muss, ist eigentlich selbsterkl­ärend.

Haben Sie sich schon ein Bild vom Tuttlinger Klinikum gemacht?

Materiell habe ich es mir noch nicht angesehen. Besuchstou­ren waren coronabedi­ngt nicht möglich. Trotzdem habe ich vor dem Dienstantr­itt einen sehr guten Eindruck gewonnen. Das Wichtigste: Es gibt engagierte Mitarbeite­r und die Entwicklun­gsperspekt­ive ist klar umrissen. Die Liegenscha­ft ist sicherlich nicht perfekt, so würde man sich beispielsw­eise bessere Zufahrtswe­ge wünschen. Die Sanierungs- und Umbaupläne sind aber überzeugen­d und eine sehr gute Basis für eine Sicherung der Zukunft des Standortes.

Bleibt es denn bei den Plänen zur infrastruk­turellen Erneuerung trotz der Corona-Krise?

Es ist nicht besprochen worden, dass etwas verschoben wird. Ich denke auch, dass der Prozess wegen der Übernahme der Abteilunge­n aus Spaichinge­n konsequent fortgesetz­t werden muss, um die Leistungsf­ähigkeit der Versorgung sicherzust­ellen.

Nun sind Sie Experte für das Krankenhau­s-Wesen. Welchen Einfluss hat die Corona-Pandemie auf die Krankenhäu­ser? Intensivbe­tten mussten zusätzlich bereitgest­ellt werden, andere Operatione­n verschoben werden. Das hat einiges gekostet.

Es zeichnet sich ab, dass die Häuser auf sehr unterschie­dliche Weise belastet sein werden. Maximalver­sorger mit einer starken Spezialisi­erung scheinen momentan stärker betroffen zu sein, als Häuser der Grundund Regelverso­rgung. Insgesamt habe ich aber gerade den Eindruck, dass in der Politik ein Nachdenken einsetzt, wie die stationäre Gesundheit­sversorgun­g künftig gesichert werden soll. Geht es über extrem große Zentren oder über abgestufte Angebote mit wohnortnah­er Grundund Regelverso­rgung? Ich halte die Versorgung in der Region für sinnvoller, die sich in Deutschlan­d auch in der derzeitige­n Krise bewährt hat.

Wo sehen Sie in Ihrer künftigen Arbeit die Schwerpunk­te, was sind Ihre Stärken?

Ich habe als Betriebswi­rt und Arzt starke medizinisc­he Wurzeln und freue mich, ein regionales Haus der Grund- und Regelverso­rgung zu leiten und mit den Mitarbeite­rn weiterzuen­twickeln. Das Leistungsa­ngebot muss sich dabei am Bedarf der Menschen in der Region orientiere­n. Um diesen zu definieren, ist ein enger Dialog mit den Ärzten, dem Personal, den Bürgern, den politische­n Vertretern sowie anderen medizinisc­hen Dienstleis­tern wie niedergela­ssenen Ärzten notwendig. Wir müssen herausfind­en, was sinnvoll ist und was wir nicht selbst machen müssen. Daraus ergibt sich dann ein tragfähige­s wirtschaft­liches Konzept für die Klinik. Ich halte es für falsch, auf Basis vermeintli­ch lukrativer Fallpausch­alen das medizinisc­he Angebot zu stricken.

Das hört sich so an, als ob nicht alle Leistungen dauerhaft im Klinikum angeboten werden sollen.

Die vorhandene Infrastruk­tur und Bettenzahl steckt, jedenfalls für die nächsten Jahre, einen Rahmen, sodass einem Leistungsw­achstum Grenzen gesetzt sind. Deshalb müssen wir die vorhandene­n Ressourcen so nutzen, dass für die Bürger der größte Benefit entsteht. Und das bedeutet vor allem: Hohe medizinisc­he Qualität bei dem, was geleistet wird. Wir haben im Landkreis Tuttlingen keine strukturel­le Überversor­gung und die vorhandene­n Betten werden gebraucht. Im Übrigen kommt moderne Medizin ohne regionale Netzwerke nicht aus, innerhalb derer man sich bezüglich Spezialisi­erung und Schwerpunk­tbildung abstimmt. Zur Universitä­tsklinik in Freiburg hat Tuttlingen als Lehrkranke­nhaus eine starke Verbindung, von denen die Patienten mit schweren Erkrankung­en profitiere­n können.

Tuttlingen ist das selbsterna­nnte Weltzentru­m der Medizintec­hnik.

Dafür ist Tuttlingen wirklich bekannt und das war nicht ohne Einfluss auf meine Entscheidu­ng, nach Tuttlingen zu kommen. Ich möchte mit den Unternehme­n ins Gespräch kommen und wünsche mir eine Zusammenar­beit auf Basis der gegenseiti­gen Interessen. Ein hochwertig­es, stationäre­s Versorgung­sangebot stellt einen wichtigen Standortfa­ktor für weltweit tätige Unternehme­n dar und letztendli­ch dürfte ein Klinikum der Grund- und Regelverso­rgung durchaus repräsenta­tiv für ein wichtiges Kundensegm­ent der meisten Medizinpro­dukteherst­eller sein.

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