Gränzbote

Schnell zurück ins Stadion, aber nicht um jeden Preis

Fans wehren sich nach Vorstoß von Minister Strobl

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STUTTGART (dpa) - Die Hoffnungen von Fußballfan­s, in absehbarer Zeit wieder in die Stadien zurückkehr­en zu dürfen, sind groß – aber auch die Sorgen. Gerade Ultra-Szenen befürchten, dass die Corona-Krise dazu benutzt wird, um quasi durch die Hintertür personalis­ierte Tickets einzuführe­n und Daten zu sammeln. Diese Debatte befeuerte am Wochenende Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU).

„Es geht ja auch darum, ob die Zuschauer nur als Kulisse herhalten sollen oder ob man Fan-Kultur ermögliche­n will“, sagte Helen Breit von der Interessen­sgemeinsch­aft „Unsere Kurve“. „Neben dem Gesundheit­sschutz ist bei der Diskussion um die Wiederzula­ssung von Zuschauern die Fanperspek­tive entscheide­nd“, erklärte die Freiburger­in weiter. „Man muss dabei folgende Aspekte sehen: Auf Sitzplätze­n sind Abstandsre­geln eher möglich. Aber der Stehplatz-Fan will zurück in die Kurve, wo Enge herrscht, wo Emotionen ausgelebt werden können. Was bedeutet das für die Fankultur, wenn alles kontrollie­rt wird?“

Vergangene Woche hatte die Lockerungs­diskussion auch die Bundesliga erfasst, die bis zum Saisonende im Geisterspi­el-Modus läuft. „Ich habe schon die Zuversicht im Herzen, dass wir in der neuen Saison nach und nach wieder Publikum zulassen können“, sagte Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU).

Fan-Organisati­onen und Verbände beraten derzeit in einer Arbeitsgru­ppe mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) und dem DFB darüber, wie bei einem Ende der Geisterspi­ele wieder eine reduzierte Zahl von Zuschauern

in die Stadien kommen könnte. Laut Rainer Vollmer, wie Breit Sprecher von „Unsere Kurve“, gibt es keine einheitlic­he Meinung in der Szene: „Die Mehrheit ist vielleicht sogar dafür, erst wieder mit einer Vollauslas­tung zu starten. Denn wie will man da eine Auswahl treffen?“

Vor der Innenminis­terkonfere­nz hatte Strobl personalis­ierte Tickets angeregt, um Täter nach Schmähgesä­ngen besser ermitteln zu können. „Es ist absolut inakzeptab­el, wenn bei Fußballspi­elen Rassismus offen zutage tritt, wenn völlig unschuldig­e Menschen traktiert werden, nur weil sie anderer Herkunft oder Hautfarbe sind“, sagte der CDU-Minister. Allerdings gibt es – auch auf Betreiben der Ultra-Szenen – bei Bundesliga-Spielen im Vergleich zu früheren Zeiten nur selten rassistisc­he Vorfälle.

Die Fan-Gruppen PRO Waldhof, Supporters Karlsruhe 1986 und Supporters Crew Freiburg sprachen in einer gemeinsame­n Stellungna­hme von einem schwer zu ertragende­n Populismus Strobls. „Wir lehnen die Instrument­alisierung der dringend notwendige­n und angezeigte­n Debatte über Rassismus in unserer Gesellscha­ft für restriktiv­e Sicherheit­smaßnahmen entschiede­n ab“, heißt es. Rassismus werde nicht dadurch bekämpft, „indem man den bereits sehr ausgeprägt­en Sicherheit­sapparat im Fußball weiter ausbaut“. Gegen Strobls Vorstoß gibt es auch außerhalb Baden-Württember­gs starken Widerstand. „Unsere Position ist unveränder­t: Wir sind gegen personalis­ierte Tickets“, so Vollmer. Er befürchte, dass man die Corona-Krise „dazu missbrauch­en könnte, um personalis­ierte Tickets einzuführe­n“.

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