Curevac darf Impfstoff am Menschen testen
Der in Ulm ansässige Radarspezialist Hensoldt steht kurz vor dem größten Auftrag der Unternehmensgeschichte
TÜBINGEN/LANGEN (AFP) - Die deutschen Behörden haben grünes Licht für eine klinische Studie mit einem weiteren möglichen Impfstoff gegen Corona gegeben. Das in Tübingen ansässige Biotechunternehmen Curevac erhielt die Genehmigung für erste Tests seines Kandidaten an rund 170 gesunden Freiwilligen, wie das Paul-Ehrlich-Institut in Langen am Mittwoch mitteilte. Der Bund hatte zuvor angekündigt, sich mit 300 Millionen Euro an Curevac zu beteiligen. Es ist das zweite Mal, dass in Deutschland eine klinische Studie eines Impfstoffs gegen Corona genehmigt wird. Seit April darf auch das Mainzer Biotechnologieunternehmen Biontech testen.
RAVENSBURG/ULM/BERLIN - Für den Rüstungskonzern Hensoldt mit Sitz in Taufkirchen bei München und Werken in Ulm, Oberkochen und Friedrichshafen erschließen sich neue Wachstumsdimensionen: Am Mittwoch hat der Haushaltsausschuss des Bundestags in Berlin das Budget für die Ertüchtigung der in die Jahre gekommenen Radarsysteme der gesamten deutschen Eurofighter-Flotte bewilligt. Damit winkt dem Konzern der mit Abstand größte Auftrag in der Unternehmensgeschichte.
Auf mehr als 1,5 Milliarden Euro beziffert Hensoldt den Anteil, den das Unternehmen in den kommenden Jahren für die Entwicklung und die Produktion des ECRS Mk1, des Eurofighter Common Radar System Mk1, erlösen wird. Die Verträge mit dem Hauptauftragnehmer und Systemintegrator, der Airbus-Rüstungssparte Defence and Space, sind ausverhandelt. Mit einer Unterschrift und damit der finalen Auftragsbestätigung rechnet Hensoldt in den kommenden Wochen.
Um die Dimension des Auftrags abzuschätzen hilft ein Blick auf die aktuellen Geschäftszahlen: Im vergangenen Jahr setzte Hensoldt, das seit 2018 dem US-amerikanischen Finanzinvestor KKR gehört, mit knapp 5500 Mitarbeitern 1,1 Milliarden Euro um und verbuchte einen kleinen Gewinn von acht Millionen Euro.
Für Erwin Paulus, Vorstandsmitglied von Hensoldt und verantwortlich für die in Ulm konzentrierte Radarsparte des Konzerns, bei der rund 2000 Mitarbeiter beschäftigt sind, ist die Entscheidung „eine Zeitenwende“. Und das in mehrfacher Hinsicht. Wirtschaftlich bekommt Hensoldt durch das Programm „mittel- bis langfristig einen deutlichen Schub“, sagt Paulus im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Das Unternehmen rechnet mit dem Aufbau von rund 400 hochqualifizierten Arbeitsplätzen über die gesamte Programmlaufzeit – vor allem in Ulm, aber auch in Taufkirchen und in Friedrichshafen. Ein Teil davon wurde in Erwartung der Entscheidung bereits eingestellt. Zudem muss der Standort Ulm erweitert werden. „Wir brauchen mehr Laborund Büroflächen und perspektivisch auch größere Produktionskapazitäten“, erklärt Paulus.
Mindestens ebenso wichtig wie die wirtschaftliche ist die strategische Dimension der Entscheidung. Denn erstmals bekommt Hensoldt die Führungsverantwortung im Eurofighter-Radarkonsortium, in dem noch die spanische Indra vertreten ist. Bislang oblag diese Aufgabe dem britischen Rüstungskonzern Leonardo, doch der ist in dem neuen Bündnis nicht mehr vertreten. „Damit übernimmt Deutschland erstmals eine Vorreiterrolle im Bereich der Schlüsseltechnologie für den Eurofighter, der Sensorik“, kommentiert Hensoldt-Chef Thomas Müller die neue Rolle seines Unternehmens.
Bewährt sich Hensoldt als erfolgreicher Systemführer, verbessert sich die Verhandlungsposition des Unternehmens bei Folgeaufträgen, und es kann künftig auf Augenhöhe mit viel größeren Wettbewerbern wie beispielsweise der französischen Thalys konkurrieren. „Das ist für uns eine riesige Chance“, ordnet Paulus ein.
Ein solcher Folgeauftrag könnte die Weiterentwicklung des Eurofighters als Teil des von Deutschland und Frankreich geplanten „Luftkampfsystems der Zukunft“(Future Combat Air System, kurz FCAS) mit Kampffliegern, vernetzten Drohnen und Satelliten sein, das bis 2040 realisiert werden soll. Doch das ist Zukunftsmusik. Bis dahin braucht der Eurofighter neue Fähigkeiten, zum Beispiel für die elektronische Kampfführung, die sich die Luftwaffe von dem neuen, digitalen Radar ECRS Mk1 erhofft.
Für die Entwicklung hat das Konsortium unter der Leitung von Hensoldt fünf Jahre veranschlagt. Hensoldt und Indra werden die Radare bauen und diese an den Systemintegrator Airbus ins oberbayerische Manching liefern.
Auch dort ist man über die Entscheidung des Bundestags glücklich. „Für die Eurofighter-Familie ist dieser Radarvertrag sehr wichtig, denn alle zukünftigen Radar-Entwicklungen beruhen auf diesem System“, erklärt ein Airbus-Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“. Hinzu komme, dass dieses System weltweit führend ist, auch die USA hätten nicht diese Fähigkeiten.
Airbus plant, in Manching ein Test- und Integrationszentrum für die Radare aufzubauen. „Genau aus diesem Grund ist der Vertrag so wichtig, Airbus holt so zusätzliche Fähigkeiten nach Manching“, erklärte der Sprecher weiter.
Von 2025 an sollen dann die rund 110 deutschen Eurofighter der zweiten und dritten Generation mit den neuen Radaren ausgerüstet werden. Weitere 50 Systeme könnte perspektivisch Spanien für seine Eurofighter-Flotte abnehmen. Und auch für den Ersatz der Eurofighter der ersten Generation, die aufgrund der wesentlich älteren Technik nicht umgerüstet werden können und stattdessen durch neue Maschinen ersetzt werden sollen, darf sich Hensoldt Hoffnung machen.
„Damit bekommt die Bundeswehr die Ausrüstung, die sie braucht, um auf neue Bedrohungen antworten zu können“, erklärt Hensoldt-Chef Müller und greift noch eimal die Budgetfreigabe des Bundestags auf: Die Entscheidung sei nämlich auch ein Signal für Europa, dass Deutschland in eine Technologie investiere, die für die europäische Verteidigungskooperation von entscheidender Bedeutung ist.
Und zwar nicht nur am Himmel, sondern auch auf See. Denn ebenfalls am Mittwoch hat der Bundestag das Budget für die Beschaffung von vier Mehrzweckkampfschiffen MKS 180 für die Deutsche Marine genehmigt. Auch für dieses Projekt liefert Hensoldt die entsprechenden Radare. Volumen: 200 Millionen Euro.