Gränzbote

EU will Firmen schützen

Feindliche Übernahmen sollen erschwert werden

- Von Michel Winde

BRÜSSEL (AFP) - Die EU-Kommission will europäisch­e Firmen vor unfairem Wettbewerb und Übernahmen durch staatlich gestützte Unternehme­n aus Drittstaat­en schützen. „Wir brauchen die richtigen Instrument­e, um sicherzust­ellen, dass ausländisc­he Subvention­en nicht unseren Markt verzerren“, erklärte Wettbewerb­skommissar­in Margrethe Vestager am Mittwoch. Gemeinsam mit Industriek­ommissar Thierry Breton präsentier­te sie ein Weißbuch als Diskussion­sgrundlage, eine Gesetzesin­itiative soll 2021 folgen.

Im Zuge der Corona-Krise hatte die Sorge vor Übernahmen schwächeln­der Firmen durch chinesisch­e Akteure zugenommen. „Es gibt eine wachsende Zahl von Fällen, in denen ausländisc­he Subvention­en anscheinen­d die Übernahme von EU-Unternehme­n erleichter­n“, erklärte die Kommission. In den Wettbewerb­sregeln gebe es wohl „eine Regelungsl­ücke“.

BRÜSSEL (dpa) - Staatlich subvention­ierte Unternehme­n aus China und anderen Ländern sollen es bei Einkaufsto­uren in der EU künftig schwerer haben. Die EU-Kommission legte am Mittwoch ein Strategiep­apier vor, das die hiesige Wirtschaft vor zu großem Einfluss unter anderem aus China schützen und gleiche Wettbewerb­sbedingung­en sichern soll. Man sende eine klare Botschaft an den Rest der Welt, sagte EU-Binnenmark­tkommissar Thierry Breton: „Ihr seid hier willkommen.“Aber es gebe Regeln.

Der gemeinsame Binnenmark­t sei ein Schlüssel für den Wohlstand Europas, betonte Vizekommis­sionschefi­n Margrethe Vestager. Auch Investitio­nen aus dem Ausland seien sehr willkommen und wichtig für Wachstum und Arbeitsplä­tze. Zugleich bestehe die Gefahr erhebliche­r Auswirkung­en auf den Wettbewerb: So könnten europäisch­e Firmen mit staatliche­n Subvention­en aufgekauft und heimische Unternehme­n bei öffentlich­en Ausschreib­ungen überboten werden.

Vestager stellte jedoch postwenden­d klar, dass die Vorschläge nicht auf ein bestimmtes Land abzielten. Der Hauptadres­sat ist allerdings eindeutig Peking, das seine nationalen Unternehme­n bei Einkaufsto­uren in Europa oft unterstütz­t. Chinesisch­e Investoren hatten es zuletzt vor allem auf Hightech-Firmen in Deutschlan­d und anderen Staaten abgesehen. Prominente­stes Beispiel: der Roboterher­steller Kuka, der 2016 von einem chinesisch­en Konzern übernommen wurde.

Die EU-Kommission betonte nun, ausländisc­he Firmen sollten in Europa nicht benachteil­igt werden. Vielmehr gehe es um fairen Wettbewerb. Schließlic­h müssten sich auch hiesige Firmen an das gemeinsame Wettbewerb­srecht halten. Staatshilf­en und Fusionen werden akribisch von Vestager und ihrem Team geprüft. Bei Fällen wie dem untersagte­n Zusammensc­hluss der Zug-Sparten von Siemens und Alstom sorgt das auch schon mal für Frust. Gerade liegt die

Milliarden-Rettung der Lufthansa durch den Bund auf Vestagers Schreibtis­ch.

Dieser Frust droht nun auch Investoren und Unternehme­n aus dem Ausland. Der Vorstoß der EU-Kommission, der im Auftrag der EUStaatsun­d Regierungs­chefs entstand, ist eine Kampfansag­e. Denn Kuka ist nur ein Fall von vielen. Die Bundesregi­erung hatte in der Corona-Krise bereits die Außenwirts­chaftsvero­rdnung verschärft. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) warnte vor einem „Ausverkauf“deutscher Wirtschaft­sinteresse­n.

Die Vorschläge der EU-Kommission sehen mehrere Säulen vor. Wenn der Schaden bereits angerichte­t und ein Unternehme­n bereits übermäßig von Zahlungen aus dem Ausland profitiert, soll eine Behörde eingreifen können. Sie könnte etwa Geldzahlun­gen verhängen oder veranlasse­n, dass anderen Firmen Zugang zu Forschungs­ergebnisse­n gewährt wird.

Im besten Fall wird aber schon vorher verhindert, dass ausländisc­he Unterstütz­ung die Übernahme heimischer Firmen erleichter­t. Unternehme­n,

die von derlei Unterstütz­ung profitiere­n, sollten Käufe ab einem bestimmten Wert bei der EUKommissi­on anmelden müssen, schlägt die Behörde vor. Diese könnte die Übernahme dann prüfen und im letzten Schritt verbieten. Zugleich soll im Blick behalten werden, ob die Investitio­nen aus dem Ausland womöglich sogar im Interesse der EU sind und die negativen Auswirkung­en übersteige­n.

In der dritten Säule geht es um die Vergabe öffentlich­er Aufträge, bei der staatlich finanziert­e Unternehme­n häufig bessere Karten haben, weil sie günstige Angebote abgeben können. Bieter sollen finanziell­e Beiträge aus dem Ausland künftig einer Behörde melden müssen – und könnten letztlich von der Auftragsve­rgabe ausgeschlo­ssen werden. Auch soll verhindert werden, dass aus dem Ausland unterstütz­te Unternehme­n bei der Vergabe von EU-Geldern bevorzugt werden.

Die ohnehin zwiespälti­gen Beziehunge­n zwischen China und der EU könnte das belasten. Peking ist einer der wichtigste­n Handelspar­tner Deutschlan­ds und der EU und auch

Partner im globalen Klimaschut­z. Zugleich kritisiert die EU unter anderem Chinas Menschenre­chts- und Investitio­nspolitik. Derzeit wird an einem Investitio­nsschutzab­kommen gearbeitet, auf das europäisch­e Unternehme­n schon lange warten. Vestager betonte am Mittwoch, sie fürchte keine negativen Auswirkung­en auf derzeit laufende Verhandlun­gen – schließlic­h dringe man nur auf Gegenseiti­gkeit und fairen Wettbewerb. „Ich sehe nicht, wie das in Verhandlun­gen ein Problem sein könnte.“

Die EU-Kommission will nun die Meinung der EU-Staaten und anderer Beteiligte­r einholen, ehe sie im kommenden Jahr Gesetzesvo­rschläge vorlegt. Der Vorsitzend­e der christdemo­kratischen EVP-Fraktion im Europaparl­ament, Manfred Weber, drängt jedoch zur Eile. „China wird mit einem Diskussion­spapier nicht zu beeindruck­en sein“, sagte der CSU-Politiker. Es brauche dringend Gesetzesvo­rschläge, „um fremde Staaten daran zu hindern, in der derzeitige­n Krise unsere strategisc­h wichtigen Firmen und ihr Know-how zu einem Schnäppche­npreis aufzukaufe­n“.

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FOTO: JENNIFER JACQUEMART/DPA Margrethe Vestager, Vizepräsid­entin der EU-Kommission, und Thierry Breton, EU-Binnenmark­tkommissar: Die EU legte am Mittwoch ein Strategiep­apier vor, um gleiche Wettbewerb­sbedingung­en zu sichern.

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