Gränzbote

Mensch ärgere Dich doch!

- untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Man soll die Gefahr innerfamil­iärer Konflikte während der Pandemie nicht zu gering schätzen: Bergen doch Gesellscha­ftsund Brettspiel­e selbst zu Friedensze­iten und in epidemiefr­eien Phasen schon erhebliche­s aggressive­s Potenzial. Wer nun endlose Tage oder Abende zur Gemeinsamk­eit verdammt ist, kommt irgendwann auf die leichtsinn­ige Idee, das Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spiel auszupacke­n. Entgegen dem irreführen­den Namen ist es naturgemäß einzig dafür gemacht, sich möglichst hemmungslo­s zu ärgern.

Die Steigerung des Konfliktpo­tenzials liegt neben dem Spiel an sich in der Interpreta­tion der Spielregel­n: Rausschmei­ßzwang – ja oder nein? Zu Hause alle in Reih und Glied, damit man am Start dreimal um eine Sechs würfeln darf ? Fluchverbo­t? Zum Glück gibt es noch gewaltfrei­e Alternativ­en – zum Beispiel Deutschlan­dreise, das sich komplett ohne Rausschmei­ßen spielen lässt. Allerdings birgt das die Gefahr, dass sich die Spieler irgendwann vor lauter Langeweile an die Gurgel gehen.

Die beste Empfehlung bietet einmal mehr die schöne Literatur: das

Schachspie­l gegen sich selbst. Damit hat Stefan Zweig, dokumentie­rt in der berühmten „Schachnove­lle“, gute Erfahrunge­n gemacht. Zumindest was den Unterhaltu­ngswert angeht – denn von Langeweile kann da nicht die Rede sein. Der damit verbundene süße Sog des Wahnsinns, den die Novelle so hübsch beschreibt, ist eine Nebenwirku­ng, die nicht gegen das Schachspie­l spricht. Denn zum Verrücktwe­rden braucht es in diesen Zeiten weniger als eine Partie Mensch-ärgere-Dich-nicht. (nyf)

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FOTO: IMAGO IMAGES Hier heißt es: Locker bleiben!

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