Tübinger Unternehmen testet Corona-Impfstoff am Menschen
Paul-Ehrlich-Institut genehmigt Curevac klinische Studie – Erste Ergebnisse im Herbst – Impfstoff könnte Mitte 2021 auf dem Markt sein
TÜBINGEN - Nach dem Biotechnologieunternehmen Biontech darf jetzt auch Curevac mit einer klinischen Studie für einen Corona-Impfstoff starten. Das baden-württembergische Unternehmen ist damit das zweite in Deutschland. Curevac kann seinen Impfstoff jetzt also erstmals an noch zu rekrutierenden Freiwilligen testen, wie Curevac und das für die Genehmigung zuständige PaulEhrlich-Institut (PEI) am Mittwoch mitteilten. Bereits Ende April hatte das PEI dem Mainzer Unternehmen Biontech Tests an Menschen erlaubt.
Weltweit gibt es laut dem Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, 130 Impfstoffprojekte. Davon laufen bereits zehn genehmigte klinische Studien an Menschen für einen Corona-Impfstoff. Die elfte kommt jetzt vom biopharmazeutischen Unternehmen Curevac.
Die Genehmigung durch die Zulassungsbehörde habe neun Arbeitstage betragen, sagte Cichutek. „Das war deswegen möglich, weil wir hier einen erhöhten Personaleinsatz betrieben haben, aber auch eine intensive Beratung im Vorfeld hatten.“
Mariola Fotin-Mleczek, im Vorstand von Curevac zuständig für Technologie, sagte zu der Entscheidung: „Wir sind stolz und froh, dass wir auch unsere Technologie als Lösung anbieten können.“Das Unternehmen
will jetzt im Juni mit seinem Ribonukleinsäure-Impfstoff (RNA) in die klinischen Studien in Deutschland und Belgien starten.
168 gesunde Freiwillige im Alter zwischen 18 und 60 Jahren nehmen laut Franz-Werner Haas, amtierender Vorstandschef von Curevac, an der sogenannten Phase-1-Studie teil. Haas sagte, das Studienmaterial sei bereits produziert, die Testzentren bereit. Diese befinden sich laut Fotin-Mleczek in Tübingen, Hannover, München und in der belgischen Stadt Gent. Auch von belgischen Behörden hatte Curevac grünes Licht für den Start der klinischen Studie bekommen.
Erste auswertbare Daten erwartet das Biotech-Unternehmen laut Haas im September oder Oktober. Ein fertiger Impfstoff könne voraussichtlich Mitte 2021 auf den Markt kommen, sagte er. „Ich halte das auch für realistisch“, ergänzte Cichutek. Er betonte: „Wichtig ist, dass wir eine genügend große Datenbasis haben zur Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit des Impfstoffes.“
15 Monate dauere die erste Phase der Studie insgesamt, erklärte FotinMleczek. In dieser Zeit werde etwa beobachtet, wie lange der Immunschutz anhalte. Währenddessen können laut ihr jedoch schon die folgenden Phasen zwei und drei anlaufen. Tests der Phase drei könnten laut Fotin-Mleczek etwa schon im September beginnen. Dann soll einer weitaus größeren Zahl an Freiwilligen der Impfstoff verabreicht werden.
In der Hoffnung auf ein lukratives Geschäft liefern sich Unternehmen in der Pharma- und Biotechbranche derzeit ein Rennen um einen Corona-Impfstoff. Seit Januar forscht etwa Curevac daran. Es ist nach eigenen Angaben Pionier in der präklinischen und klinischen Entwicklung von Arzneimitteln, die auf BotenRNA (mRNA) basieren. Curevac beschäftigt weltweit insgesamt 470 Mitarbeiter an den Standorten Tübingen, Frankfurt am Main und Boston (USA).
Erst Beginn der Woche hatte die Bundesregierung angekündigt, sich über die Förderbank KfW mit 300 Millionen Euro an dem Tübinger Unternehmen Curevac zu beteiligen. Der Bund wird damit einen Anteil von rund 23 Prozent des Unternehmens halten. Curevac VorstandsChef Haas machte am Mittwoch in Hinblick auf die Investition aber deutlich: „Das hat keinerlei Konsequenzen auf das operative Geschäft.“Der Bund trete lediglich als Gesellschafter auf.
Die Bundesregierung will mit dem Einstieg Entwicklungen beschleunigen und dem Unternehmen finanzielle Sicherheit geben. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, der Einstieg sei ein erster Schritt eines umfassenden Corona-Konjunktur- und Zukunftspakets der Bundesregierung. „Darin haben wir uns zum Ziel gesetzt, bei der Herstellung von Wirkstoffen und deren Vorprodukten sowie in der Impfstoffproduktion über mehr Unabhängigkeit zu verfügen.“
Kritik kam vom CDU-Wirtschaftsrat. Er fordert den Bund auf, ein verbindliches Ausstiegsszenario für die Beteiligung bei Curevac vorzulegen. „Wir müssen auch in Krisenzeiten an den Prinzipien unserer Sozialen Marktwirtschaft festhalten, die unser Land erst erfolgreich gemacht haben. Dazu gehört die Zurückhaltung des Staates bei Eingriffen in die Eigentumsordnung“, sagte Generalsekretär Wolfgang Steiger der Deutschen Presse-Agentur. Der Einstieg müsse ein absoluter Ausnahmefall bleiben.
Zuletzt hatte schon die EU-Kommission dem Unternehmen einen Kredit angeboten. Curevac könne dadurch die Erweiterung neuer Produktionsanlagen schneller fertigstellen, sagte Haas. Die neue Anlage biete dann die Kapazität für Milliarden von Impfdosen, erklärte er. Mit der bisherigen Anlage sind laut Haas mehrere Hunderte Millionen Dosen im Jahr möglich. Die Produktion des Corona-Impfstoffs bei Curevac hat bereits begonnen, um im Falle einer Zulassung direkt mit großen Mengen auf den Markt zu kommen.