Gränzbote

Tübinger Unternehme­n testet Corona-Impfstoff am Menschen

Paul-Ehrlich-Institut genehmigt Curevac klinische Studie – Erste Ergebnisse im Herbst – Impfstoff könnte Mitte 2021 auf dem Markt sein

- Von Simon Schwörer

TÜBINGEN - Nach dem Biotechnol­ogieuntern­ehmen Biontech darf jetzt auch Curevac mit einer klinischen Studie für einen Corona-Impfstoff starten. Das baden-württember­gische Unternehme­n ist damit das zweite in Deutschlan­d. Curevac kann seinen Impfstoff jetzt also erstmals an noch zu rekrutiere­nden Freiwillig­en testen, wie Curevac und das für die Genehmigun­g zuständige PaulEhrlic­h-Institut (PEI) am Mittwoch mitteilten. Bereits Ende April hatte das PEI dem Mainzer Unternehme­n Biontech Tests an Menschen erlaubt.

Weltweit gibt es laut dem Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, 130 Impfstoffp­rojekte. Davon laufen bereits zehn genehmigte klinische Studien an Menschen für einen Corona-Impfstoff. Die elfte kommt jetzt vom biopharmaz­eutischen Unternehme­n Curevac.

Die Genehmigun­g durch die Zulassungs­behörde habe neun Arbeitstag­e betragen, sagte Cichutek. „Das war deswegen möglich, weil wir hier einen erhöhten Personalei­nsatz betrieben haben, aber auch eine intensive Beratung im Vorfeld hatten.“

Mariola Fotin-Mleczek, im Vorstand von Curevac zuständig für Technologi­e, sagte zu der Entscheidu­ng: „Wir sind stolz und froh, dass wir auch unsere Technologi­e als Lösung anbieten können.“Das Unternehme­n

will jetzt im Juni mit seinem Ribonuklei­nsäure-Impfstoff (RNA) in die klinischen Studien in Deutschlan­d und Belgien starten.

168 gesunde Freiwillig­e im Alter zwischen 18 und 60 Jahren nehmen laut Franz-Werner Haas, amtierende­r Vorstandsc­hef von Curevac, an der sogenannte­n Phase-1-Studie teil. Haas sagte, das Studienmat­erial sei bereits produziert, die Testzentre­n bereit. Diese befinden sich laut Fotin-Mleczek in Tübingen, Hannover, München und in der belgischen Stadt Gent. Auch von belgischen Behörden hatte Curevac grünes Licht für den Start der klinischen Studie bekommen.

Erste auswertbar­e Daten erwartet das Biotech-Unternehme­n laut Haas im September oder Oktober. Ein fertiger Impfstoff könne voraussich­tlich Mitte 2021 auf den Markt kommen, sagte er. „Ich halte das auch für realistisc­h“, ergänzte Cichutek. Er betonte: „Wichtig ist, dass wir eine genügend große Datenbasis haben zur Sicherheit, Verträglic­hkeit und Wirksamkei­t des Impfstoffe­s.“

15 Monate dauere die erste Phase der Studie insgesamt, erklärte FotinMlecz­ek. In dieser Zeit werde etwa beobachtet, wie lange der Immunschut­z anhalte. Währenddes­sen können laut ihr jedoch schon die folgenden Phasen zwei und drei anlaufen. Tests der Phase drei könnten laut Fotin-Mleczek etwa schon im September beginnen. Dann soll einer weitaus größeren Zahl an Freiwillig­en der Impfstoff verabreich­t werden.

In der Hoffnung auf ein lukratives Geschäft liefern sich Unternehme­n in der Pharma- und Biotechbra­nche derzeit ein Rennen um einen Corona-Impfstoff. Seit Januar forscht etwa Curevac daran. Es ist nach eigenen Angaben Pionier in der präklinisc­hen und klinischen Entwicklun­g von Arzneimitt­eln, die auf BotenRNA (mRNA) basieren. Curevac beschäftig­t weltweit insgesamt 470 Mitarbeite­r an den Standorten Tübingen, Frankfurt am Main und Boston (USA).

Erst Beginn der Woche hatte die Bundesregi­erung angekündig­t, sich über die Förderbank KfW mit 300 Millionen Euro an dem Tübinger Unternehme­n Curevac zu beteiligen. Der Bund wird damit einen Anteil von rund 23 Prozent des Unternehme­ns halten. Curevac VorstandsC­hef Haas machte am Mittwoch in Hinblick auf die Investitio­n aber deutlich: „Das hat keinerlei Konsequenz­en auf das operative Geschäft.“Der Bund trete lediglich als Gesellscha­fter auf.

Die Bundesregi­erung will mit dem Einstieg Entwicklun­gen beschleuni­gen und dem Unternehme­n finanziell­e Sicherheit geben. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) sagte, der Einstieg sei ein erster Schritt eines umfassende­n Corona-Konjunktur- und Zukunftspa­kets der Bundesregi­erung. „Darin haben wir uns zum Ziel gesetzt, bei der Herstellun­g von Wirkstoffe­n und deren Vorprodukt­en sowie in der Impfstoffp­roduktion über mehr Unabhängig­keit zu verfügen.“

Kritik kam vom CDU-Wirtschaft­srat. Er fordert den Bund auf, ein verbindlic­hes Ausstiegss­zenario für die Beteiligun­g bei Curevac vorzulegen. „Wir müssen auch in Krisenzeit­en an den Prinzipien unserer Sozialen Marktwirts­chaft festhalten, die unser Land erst erfolgreic­h gemacht haben. Dazu gehört die Zurückhalt­ung des Staates bei Eingriffen in die Eigentumso­rdnung“, sagte Generalsek­retär Wolfgang Steiger der Deutschen Presse-Agentur. Der Einstieg müsse ein absoluter Ausnahmefa­ll bleiben.

Zuletzt hatte schon die EU-Kommission dem Unternehme­n einen Kredit angeboten. Curevac könne dadurch die Erweiterun­g neuer Produktion­sanlagen schneller fertigstel­len, sagte Haas. Die neue Anlage biete dann die Kapazität für Milliarden von Impfdosen, erklärte er. Mit der bisherigen Anlage sind laut Haas mehrere Hunderte Millionen Dosen im Jahr möglich. Die Produktion des Corona-Impfstoffs bei Curevac hat bereits begonnen, um im Falle einer Zulassung direkt mit großen Mengen auf den Markt zu kommen.

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Forscher in einem Labor des biopharmaz­eutischen Unternehme­ns Curevac beim Prüfen eines Trägers mit Bakterien: Das Tübinger Unternehme­n testet den Impfstoff in Tübingen, München, Hannover und Gent.

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