Landtagswahl: AfD-Kandidaten-Kür wird zum Machtkampf
Kreisverband Rottweil-Tuttlingen will erneute Wahl von Doris Senger verhindern – Nun droht sogar die Spaltung
TUTTLINGEN - Machtkampf in der AfD: Der Kreisverband RottweilTuttlingen will die Kandidatur der Donaueschinger Landtagsabgeordneten Doris Senger für die Wahl im kommenden Jahr verhindern. Ein prominenter Gegenkandidat für den Wahlkreis 55 – Tuttlingen-Donaueschingen – ist auch schon gefunden. Die Konfrontation könnte sogar zur Spaltung des Kreisverbandes führen.
Emil Sänze, AfD-Landtagsabgeordneter für Rottweil und Sprecher des Kreisverbands (KV) RottweilTuttlingen, macht keinen Hehl daraus, dass „wir als Kreisverband mit der Besetzung nicht zufrieden sind.“Anstelle von Senger, die vor einem Jahr für den heutigen Europa-Abgeordneten Lars Patrick Berg als Vertreterin des Wahlkreises 55 in das Landesparlament nachrückte, würde er sich wünschen, „dass Tuttlingen werthaltiger vertreten ist“.
Für ihn sei „Donaueschingen nur ein Appendix“des Wahlkreises. Zusammen mit den benachbarten Gemeinden Blumberg und Hüfingen würde das Mittelzentrum nur rund 23 000 der mehr als 120 000 Wahlberechtigten ausmachen. Zudem wäre die Zusammenführung des Kreises Tuttlingen mit Donaueschingen kein „natürliches Konglomerat“, weil sich die Stadt im Schwarzwald-Baar-Kreis eher an Villingen-Schwenningen orientieren würde. „Deshalb sollen sie auch nicht bestimmen dürfen“, sagt Sänze.
Neuer starker Mann in der Region Tuttlingen-Donaueschingen soll Rüdiger Klos werden. Der gebürtige Heidelberger ist seit 2016 Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Mannheim I – dort gewann er vor vier Jahren mit 23 Prozent das Direktmandat. Seit einem Jahr, erklärt Sänze, sei der frühere Unternehmensberater Mitglied im Kreisverband RottweilTuttlingen. „Deshalb steht es ihm frei, zu kandidieren“, erklärt der KVSprecher. Klos hat mittlerweile auch seinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt in das Gebiet des Kreisverbandes verlegt, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt.
„Ja, ich habe meinen Hut in den Ring geworfen“, bestätigt Klos, dass er im Wahlkreis 55 antreten will. Nach dem Wechsel von Berg ins Europaparlament sei eine andere Situation eingetreten. Trotz des Nachrückens von Senger in das Landesparlament sieht er den Wahlkreis 55 als vakant an. Aber warum will er nicht erneut in Mannheim antreten? „Dort gibt es sehr viele Leute, die ernten wollen, wo sie nicht gesät haben“, deutet Klos Unstimmigkeiten an. Er berichtet, dass 2016 der dortige Kreisvorstand kopflos gewesen sei und niemand in Mannheim habe kandidieren wollen. Klos habe aber gemeint, das Gebiet könne nicht brach liegen gelassen werden und sei mit Erfolg angetreten.
Im Kern ähnlich äußert sich auch Robert Schmidt. Er ist jetzt Kreisvorsitzender der Mannheimer AfD. „Rüdiger Klos hat sich mit dem Kreisverband überworfen“, berichtet er. Nach seiner Wahl in den Landtag habe es einen „ziemlich üblen Machtkampf um den Kreisverband gegeben. Er wollte seine Machtposition ausbauen.“Dies scheint nicht gelungen zu sein. Die Abstimmung um die Spitzenkandidatur für die Kommunalwahl 2019 verlor er, laut Bericht auf der Homepage der Mannheimer AfD, mit 8:40-Stimmen.
Dass Klos „nun von Emil Sänze abgezogen worden ist“, freut Schmidt. „Rüdiger Klos ist bei uns nicht gern gesehen und wir sind froh, dass er weg ist.“Gleiches äußert Klos: „Die politische Position von Robert Schmidt ist nicht meine und mit seinen Methoden gehe ich nicht konform. Mit diesem Menschen will ich nichts zu tun haben.“
Die Entscheidung, ob Klos im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen
für die AfD antreten wird, ist allerdings auch noch nicht gefallen. Bei einer Partei-Versammlung am 29. Februar in Gosheim endete die Abstimmung zwischen ihm und Senger zweimal in einem 16:16-Patt. „Wir haben die Sitzung dann abgebrochen“, erklärt Sänze, der damals Versammlungsleiter gewesen ist. Mehrere Kandidaten hatten sich zuvor „kanibalisiert“, der Show-Down zwischen den Landtagsabgeordneten blieb ohne Sieger. „Wir können ja nicht ewig wählen lassen. Und losen dürfen wir ja auch nicht“, meint der Rottweiler Abgeordnete im Landtag.
Wann die Wahl stattfinden wird, ist nicht klar. Entweder kurz vor oder unmittelbar nach den Sommerferien, meint Sänze. Eine Versammlung in den Ferien könne angefochten werden. Die Terminierung sei so schwierig, weil man wegen der Ausbreitung des Coronavirus einen entsprechenden Versammlungsort bräuchte, um die Abstands- und Hygieneregeln einhalten zu können. Es dürften mehr als 300 Teilnehmer aus den Landkreisen Schwarzwald-Baar, Rottweil und
Tuttlingen werden, mutmaßt Sänze. Schließlich könne man weder Mitglieder noch Wahlberechtigte ausschließen. „Die Restriktionen behindern uns. Und wir können ja nicht in einem Hinterzimmer tagen.“
Aus Sicht von Doris Senger dürfte sagt Emil Sänze. Sprecher des Kreisverbandes Rottweil-Tuttlingen, über die Abgeordnete Doris Senger aus dem Wahlkreis 55 Tuttlingen-Donaueschingen.
die Suche des Veranstaltungsortes nur vorgeschoben wirken. Sie vermutet einen Plan hinter der verzögerten Terminierung. „Emil Sänze will Rüdiger Klos als Kandidat durchdrücken“, sagt sie. Eine kurzfristig anberaumte Terminierung könnte dazu führen, dass die Unterstützer-Reihe von Senger nicht geschlossen ist. Aber genau darauf könnte es für die 61-Jährige ankommen. Bei der Wahl im Februar lagen die Kandidaten gleichauf. Eine Tatsache, die Sänze als „bemerkenswert“und Senger wohl eher als merkwürdig bewertet.
Die Donaueschingerin deutet an, dass bei der Gosheimer Abstimmung nicht alles korrekt abgelaufen ist. Sie geht davon aus, dass nicht alle Personen, die für ihren Kontrahenten votierten, auch stimmberechtigt waren. Dazu müssten die Frauen und Männer nicht nur Mitglied der Partei, sondern auch im Wahlkreis gemeldet sein. Eine Einsicht in das Protokoll wurde Senger bisher verwehrt. „Ich habe das Protokoll angefordert. Eigentlich müsste ich zwei Wochen später Einsicht erhalten. Emil Sänze hat das abgelehnt.“
Dies, wehrt er ab, habe aber nichts mit der Wahl zu tun. Das Protokoll sei den Sprechern der Kreisverbände zugestellt worden. Wenn Senger dies einsehen wolle, müsse sie dies bei „ihrem Chef“Martin Rothweiler in Villingen-Schwenningen anfordern. Er selbst werde die Datei oder personifizierte Daten wie Mitgliederlisten des Kreisverbandes wegen der Datenschutzgrundverordnung „nicht mehr elektronisch durch die Gegend jagen“. Schließlich habe man den unterlegenen Kandidaten zugesichert, dass ihre Namen nicht bekannt werden. In einem früheren Gespräch mit unserer Zeitung hatte Sänze erläutert, diese würden durch ihr Engagement in der AfD berufliche Nachteile befürchten.
Aus Sicht des Rottweiler Landtagskandidaten würde die Einsicht ins Protokoll ohnehin wenig Sinn machen. Der Parteiausweis sowie der Wohnsitz seien vor der Sitzung in Gosheim überprüft, die Zahl der Stimmberechtigten ihm als Versammlungsleiter mitgeteilt worden. Außerdem habe die Wahlprüfungskommission den Ausgang der Wahl als korrekt festgestellt. Sollte Senger dies nicht akteptieren, müsse sie die Wahl schon vor dem Schiedsgericht anfechten.
Ob sie das tut, ist nicht klar. Großes Misstrauen herrscht vor der Wahl zum AfD-Kandidaten für die Landtagswahl bei ihr schon. Sänze habe seine eigene Rechtsauffassung und verstoße notorisch gegen Satzungen, heißt es aus ihrem Lager. Auch wenn Sänze erklärt, er halte sich aus der Bewerbung für die Kandidatur heraus, weil es „zwei Kollegen betrifft“, könnte der Ausgang des Machtkampfs Konsequenzen für den bisherigen AfD-Kreisverband haben. Senger überlegt eine Abspaltung vom Kreis Rottweil und spricht über die Gründung eines eigenen Tuttlinger Kreisverbandes mit gemäßigteren Kräften.
„Wir als Kreisverband sind mit der Besetzung nicht zufrieden“,