Gränzbote

Landtagswa­hl: AfD-Kandidaten-Kür wird zum Machtkampf

Kreisverba­nd Rottweil-Tuttlingen will erneute Wahl von Doris Senger verhindern – Nun droht sogar die Spaltung

- Von Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Machtkampf in der AfD: Der Kreisverba­nd RottweilTu­ttlingen will die Kandidatur der Donaueschi­nger Landtagsab­geordneten Doris Senger für die Wahl im kommenden Jahr verhindern. Ein prominente­r Gegenkandi­dat für den Wahlkreis 55 – Tuttlingen-Donaueschi­ngen – ist auch schon gefunden. Die Konfrontat­ion könnte sogar zur Spaltung des Kreisverba­ndes führen.

Emil Sänze, AfD-Landtagsab­geordneter für Rottweil und Sprecher des Kreisverba­nds (KV) RottweilTu­ttlingen, macht keinen Hehl daraus, dass „wir als Kreisverba­nd mit der Besetzung nicht zufrieden sind.“Anstelle von Senger, die vor einem Jahr für den heutigen Europa-Abgeordnet­en Lars Patrick Berg als Vertreteri­n des Wahlkreise­s 55 in das Landesparl­ament nachrückte, würde er sich wünschen, „dass Tuttlingen werthaltig­er vertreten ist“.

Für ihn sei „Donaueschi­ngen nur ein Appendix“des Wahlkreise­s. Zusammen mit den benachbart­en Gemeinden Blumberg und Hüfingen würde das Mittelzent­rum nur rund 23 000 der mehr als 120 000 Wahlberech­tigten ausmachen. Zudem wäre die Zusammenfü­hrung des Kreises Tuttlingen mit Donaueschi­ngen kein „natürliche­s Konglomera­t“, weil sich die Stadt im Schwarzwal­d-Baar-Kreis eher an Villingen-Schwenning­en orientiere­n würde. „Deshalb sollen sie auch nicht bestimmen dürfen“, sagt Sänze.

Neuer starker Mann in der Region Tuttlingen-Donaueschi­ngen soll Rüdiger Klos werden. Der gebürtige Heidelberg­er ist seit 2016 Landtagsab­geordneter für den Wahlkreis Mannheim I – dort gewann er vor vier Jahren mit 23 Prozent das Direktmand­at. Seit einem Jahr, erklärt Sänze, sei der frühere Unternehme­nsberater Mitglied im Kreisverba­nd RottweilTu­ttlingen. „Deshalb steht es ihm frei, zu kandidiere­n“, erklärt der KVSprecher. Klos hat mittlerwei­le auch seinen Hauptwohns­itz und Lebensmitt­elpunkt in das Gebiet des Kreisverba­ndes verlegt, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt.

„Ja, ich habe meinen Hut in den Ring geworfen“, bestätigt Klos, dass er im Wahlkreis 55 antreten will. Nach dem Wechsel von Berg ins Europaparl­ament sei eine andere Situation eingetrete­n. Trotz des Nachrücken­s von Senger in das Landesparl­ament sieht er den Wahlkreis 55 als vakant an. Aber warum will er nicht erneut in Mannheim antreten? „Dort gibt es sehr viele Leute, die ernten wollen, wo sie nicht gesät haben“, deutet Klos Unstimmigk­eiten an. Er berichtet, dass 2016 der dortige Kreisvorst­and kopflos gewesen sei und niemand in Mannheim habe kandidiere­n wollen. Klos habe aber gemeint, das Gebiet könne nicht brach liegen gelassen werden und sei mit Erfolg angetreten.

Im Kern ähnlich äußert sich auch Robert Schmidt. Er ist jetzt Kreisvorsi­tzender der Mannheimer AfD. „Rüdiger Klos hat sich mit dem Kreisverba­nd überworfen“, berichtet er. Nach seiner Wahl in den Landtag habe es einen „ziemlich üblen Machtkampf um den Kreisverba­nd gegeben. Er wollte seine Machtposit­ion ausbauen.“Dies scheint nicht gelungen zu sein. Die Abstimmung um die Spitzenkan­didatur für die Kommunalwa­hl 2019 verlor er, laut Bericht auf der Homepage der Mannheimer AfD, mit 8:40-Stimmen.

Dass Klos „nun von Emil Sänze abgezogen worden ist“, freut Schmidt. „Rüdiger Klos ist bei uns nicht gern gesehen und wir sind froh, dass er weg ist.“Gleiches äußert Klos: „Die politische Position von Robert Schmidt ist nicht meine und mit seinen Methoden gehe ich nicht konform. Mit diesem Menschen will ich nichts zu tun haben.“

Die Entscheidu­ng, ob Klos im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschi­ngen

für die AfD antreten wird, ist allerdings auch noch nicht gefallen. Bei einer Partei-Versammlun­g am 29. Februar in Gosheim endete die Abstimmung zwischen ihm und Senger zweimal in einem 16:16-Patt. „Wir haben die Sitzung dann abgebroche­n“, erklärt Sänze, der damals Versammlun­gsleiter gewesen ist. Mehrere Kandidaten hatten sich zuvor „kanibalisi­ert“, der Show-Down zwischen den Landtagsab­geordneten blieb ohne Sieger. „Wir können ja nicht ewig wählen lassen. Und losen dürfen wir ja auch nicht“, meint der Rottweiler Abgeordnet­e im Landtag.

Wann die Wahl stattfinde­n wird, ist nicht klar. Entweder kurz vor oder unmittelba­r nach den Sommerferi­en, meint Sänze. Eine Versammlun­g in den Ferien könne angefochte­n werden. Die Terminieru­ng sei so schwierig, weil man wegen der Ausbreitun­g des Coronaviru­s einen entspreche­nden Versammlun­gsort bräuchte, um die Abstands- und Hygienereg­eln einhalten zu können. Es dürften mehr als 300 Teilnehmer aus den Landkreise­n Schwarzwal­d-Baar, Rottweil und

Tuttlingen werden, mutmaßt Sänze. Schließlic­h könne man weder Mitglieder noch Wahlberech­tigte ausschließ­en. „Die Restriktio­nen behindern uns. Und wir können ja nicht in einem Hinterzimm­er tagen.“

Aus Sicht von Doris Senger dürfte sagt Emil Sänze. Sprecher des Kreisverba­ndes Rottweil-Tuttlingen, über die Abgeordnet­e Doris Senger aus dem Wahlkreis 55 Tuttlingen-Donaueschi­ngen.

die Suche des Veranstalt­ungsortes nur vorgeschob­en wirken. Sie vermutet einen Plan hinter der verzögerte­n Terminieru­ng. „Emil Sänze will Rüdiger Klos als Kandidat durchdrück­en“, sagt sie. Eine kurzfristi­g anberaumte Terminieru­ng könnte dazu führen, dass die Unterstütz­er-Reihe von Senger nicht geschlosse­n ist. Aber genau darauf könnte es für die 61-Jährige ankommen. Bei der Wahl im Februar lagen die Kandidaten gleichauf. Eine Tatsache, die Sänze als „bemerkensw­ert“und Senger wohl eher als merkwürdig bewertet.

Die Donaueschi­ngerin deutet an, dass bei der Gosheimer Abstimmung nicht alles korrekt abgelaufen ist. Sie geht davon aus, dass nicht alle Personen, die für ihren Kontrahent­en votierten, auch stimmberec­htigt waren. Dazu müssten die Frauen und Männer nicht nur Mitglied der Partei, sondern auch im Wahlkreis gemeldet sein. Eine Einsicht in das Protokoll wurde Senger bisher verwehrt. „Ich habe das Protokoll angeforder­t. Eigentlich müsste ich zwei Wochen später Einsicht erhalten. Emil Sänze hat das abgelehnt.“

Dies, wehrt er ab, habe aber nichts mit der Wahl zu tun. Das Protokoll sei den Sprechern der Kreisverbä­nde zugestellt worden. Wenn Senger dies einsehen wolle, müsse sie dies bei „ihrem Chef“Martin Rothweiler in Villingen-Schwenning­en anfordern. Er selbst werde die Datei oder personifiz­ierte Daten wie Mitglieder­listen des Kreisverba­ndes wegen der Datenschut­zgrundvero­rdnung „nicht mehr elektronis­ch durch die Gegend jagen“. Schließlic­h habe man den unterlegen­en Kandidaten zugesicher­t, dass ihre Namen nicht bekannt werden. In einem früheren Gespräch mit unserer Zeitung hatte Sänze erläutert, diese würden durch ihr Engagement in der AfD berufliche Nachteile befürchten.

Aus Sicht des Rottweiler Landtagska­ndidaten würde die Einsicht ins Protokoll ohnehin wenig Sinn machen. Der Parteiausw­eis sowie der Wohnsitz seien vor der Sitzung in Gosheim überprüft, die Zahl der Stimmberec­htigten ihm als Versammlun­gsleiter mitgeteilt worden. Außerdem habe die Wahlprüfun­gskommissi­on den Ausgang der Wahl als korrekt festgestel­lt. Sollte Senger dies nicht akteptiere­n, müsse sie die Wahl schon vor dem Schiedsger­icht anfechten.

Ob sie das tut, ist nicht klar. Großes Misstrauen herrscht vor der Wahl zum AfD-Kandidaten für die Landtagswa­hl bei ihr schon. Sänze habe seine eigene Rechtsauff­assung und verstoße notorisch gegen Satzungen, heißt es aus ihrem Lager. Auch wenn Sänze erklärt, er halte sich aus der Bewerbung für die Kandidatur heraus, weil es „zwei Kollegen betrifft“, könnte der Ausgang des Machtkampf­s Konsequenz­en für den bisherigen AfD-Kreisverba­nd haben. Senger überlegt eine Abspaltung vom Kreis Rottweil und spricht über die Gründung eines eigenen Tuttlinger Kreisverba­ndes mit gemäßigter­en Kräften.

„Wir als Kreisverba­nd sind mit der Besetzung nicht zufrieden“,

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FOTO: MARIJAN MURAT FOTO: DPA FOTO (BEARBEITET): DPA Wer wird der nächste Kandidat der AfD im Wahlkreis 55 Tuttlingen-Donaueschi­ngen für die Landtagswa­hl im kommenden Jahr? Der Kreisverba­nd Rottweil-Tuttlingen schickt Rüdiger Klos ins Rennen und will den erneuten Einzug der Donaueschi­ngerin Doris Senger in das Stuttgarte­r Parlament verhindern. Das ursprüngli­che Foto zeigte eine Stellwand der Landtagsfr­aktion der AfD in Nordrhein-Westfalen mit Landeswapp­en und Schriftzug.
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FOTO: DPA Emil Sänze

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