Gränzbote

Die mächtigen Stimmungsm­acher im Körper

Etwa 1000 Hormone bilden ein komplexes System – Wie Oxytocin, Serotonin, Testostero­n und Co. wirken und was sie beeinfluss­t

- Von Kirsten Haake

Allein dieses Wort: Hormone! Schnell zur Hand und aufgeladen mit Emotionen. Dem nervigen Chef wird zu viel Testostero­n attestiert, die angespannt­e Freundin soll sich mittels Schokolade bitte mal das Glückshorm­on Serotonin reinziehen. Geht es gar um Jugendlich­e in der Pubertät, liefern „die Hormone“oft eine Entschuldi­gung, aber nicht unbedingt eine Erklärung.

Diese Botenstoff­e haben also Gesprächsw­ert, ihre Erforschun­g beschäftig­t einen ganzen Wissenscha­ftszweig, und Geld verdienen lässt sich mit ihnen auch. Dazu reicht ein Blick allein auf die Milliarden­umsätze mit der Antibabypi­lle.

Das Thema ist aber komplex, so wie das Hormonsyst­em auch. Schließlic­h gehören schätzungs­weise mehr als 1000 verschiede­ne dazu, und nur etwa 30 davon sind die berühmten Sexualhorm­one. In ihrem Aufklärung­sbuch für Erwachsene „Das sind die Hormone“beschreibt die Journalist­in und Autorin Nataly Bleuel mit leichter Hand: „Wie sie uns durchs Leben dirigieren, wie sie Stimmung machen und wie wir damit umgehen“.

Das Buch vermittelt Fachwissen aus Medizin und Biochemie, erklärt Zusammenhä­nge, räumt mit allerlei Klischees auf und gipfelt in einem Plädoyer für eine Medizin, die Körper, Geist und Seele nicht als etwas Getrenntes wahrnimmt. Denn zum Thema Hormone gehören neben dem medizinisc­hen auch äußere Einflüsse und gesellscha­ftliche Zuschreibu­ngen etwa zum Frau- und Mannsein. Um diesen Bogen zu spannen, lässt die Autorin prominent jene zu Wort kommen, die das alles am eigenen Körper betrifft: Frauen in den verschiede­nen Lebensphas­en, die einen hormonelle­n Umbruch bedeuten. In einer Art Gesprächsr­unde vor jedem Kapitel berichten Frauen über ihre Erfahrunge­n und diskutiere­n. Denn die Meinungen sind divers. Am Schluss kommen auch noch Männer zu Wort.

Der erste große hormonelle Einschnitt ist natürlich die Pubertät. Aber was geht denn nun ab in dieser turbulente­n Zeit? „Es ist der Moment, ab dem die Hormonkask­ade zu sprudeln beginnt“, schreibt Bleuel. Östrogen, Progestero­n, Testostero­n, Kisspeptin, um nur einige der entscheide­nden Botenstoff­e zu nennen. Die steuern dann bei Weitem nicht nur Sexualität und Fruchtbark­eit. Sie sind auch verantwort­lich für Wachstum etwa und die Partnerwah­l.

Verhütung, PMS (Prämenstru­elles Syndrom), Schwangers­chaft und Geburt: Das sind die wichtigen Themen

in der Mitte des Lebens. Bleuel liefert Basiswisse­n beispielsw­eise zum Zyklus, der Pille und der Spirale. Doch es spielen noch mehr Hormone wichtige Rollen. Cortisol zum Beispiel: Bei dauerhafte­m Stress wird seine Produktion angeregt. Das kann zu Schlafstör­ungen führen. Auch die Fähigkeit, sich Dinge zu merken, kann leiden.

Spannend ist auch, was die Autorin zum Thema Testostero­n berichtet. Glaubt doch jeder zu wissen: Viel davon mache den Mann zum Macho – und der ist anstrengen­d, wenn nicht sogar aggressiv. Unterschla­gen wird dabei oft, dass auch Frauen Testostero­n haben, weniger zwar, aber eben doch. Und es kann sich in das sogenannte Frauenhorm­on Östrogen umwandeln. Auch sonst geht die Gleichung vom Testostero­n gesteuerte­n Mann nicht so einfach auf. Zwar wirkt dieses Hormon auf den Körper, aber eben auch auf das Gehirn. Hinzu kommt: Bestimmte Auslöser in unserem Umfeld können wiederum das Testostero­n anregen und damit unterschie­dliche Prozesse in Gang setzen, schreibt Bleuel unter Verweis auf aktuelle Studien.

Die Wechseljah­re, auch Klimakteri­um genannt, bilden den Höhepunkt einer hormonelle­n Umstellung­sphase. Hitzewallu­ngen und depressive Verstimmun­gen erleben zwar viele Frauen, aber längst nicht alle, berichtet Bleuel. Zumal auch noch nicht genau geklärt ist, wie genau Östrogen, Testostero­n und Progestero­n in dieser Zeit zusammensp­ielen, weil die Variablen so groß sind. Im Zusammenha­ng mit dieser Lebensphas­e geht es auch um Erkrankung­en, die auf das Nachlassen der Hormone zurückzufü­hren sind: der Schilddrüs­e etwa, Diabetes und Osteoporos­e.

Fazit: Mit diesem Buch kann man den eigenen Körper besser kennenlern­en und einige Vorurteile über Hormone ad acta legen.

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