Gränzbote

Ein König des Monologs

Von Galileo Galilei bis Motzki – Berliner Schauspiel­er Jürgen Holtz mit 87 Jahren gestorben

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BERLIN (dpa) - Vielleicht kann man den Mut, den Jürgen Holtz hatte, an einer seiner letzten Rollen festmachen. Am Berliner Ensemble stellte er sich mit 86 Jahren auf die Bühne – und zwar splitterna­ckt. Die Haut, wabblig geworden vom Leben. Holtz schreckte das nicht ab. „Ich muss das volle Risiko eingehen“, sagte er der „Süddeutsch­en Zeitung“damals, „anders geht es nicht“. Holtz spielte den Physiker Galileo Galilei. Fast sechs Stunden dauerte die Inszenieru­ng von Regisseur Frank Castorf. Und Holtz stand etwas zerbrechli­ch, aber mit wuchtigem Text auf der Bühne. Nun ist er am

Sonntag im Alter von 87 Jahren gestorben, wie das Berliner Ensemble am Montag bestätigte. Theaterint­endant Oliver Reese würdigte Holtz als Ausnahmekü­nstler: „Diese knorrige Präsenz auf der Bühne, sein klarer, kritischer Geist – er hinterläss­t eine schmerzhaf­te Lücke.“

Das Haus am Schiffbaue­rdamm war nur eines von vielen Theatern, an denen Holtz aufgetrete­n ist. Geboren wurde er am 10. August 1932 in Berlin. Nach seiner Schulzeit entschied er sich fürs Theater: Er studierte die Bühnenkuns­t in Weimar und Leipzig, erste Rollen übernahm er damals in der DDR in Erfurt und Brandenbur­g an der Havel.

Holtz spielte an der Berliner Volksbühne und am Berliner Ensemble, er arbeitete mit Theatermac­hern wie Benno Besson, Einar Schleef und Heiner Müller zusammen. Anfang der 1980er verließ Holtz die DDR und reiste in die Bundesrepu­blik. Und machte Karriere. Für seine Darstellun­g im Drama „Katarakt“von Rainald Goetz in Frankfurt bekam er 1993 den Gertrud-Eysoldt-Ring. Die Zeitschrif­t „Theater heute“kürte ihn damals zum „Schauspiel­er des Jahres“. Auch in Filmen ist er zu sehen, etwa in der DDR-Komödie „Good Bye, Lenin!“und in Margarethe von Trottas Porträtfil­m „Rosa Luxemburg“. Anfang der 1990er-Jahre spielte er in der ARD-Serie „Motzki“einen hemmungslo­sen Nörgler, der aus dem Mosern nicht herauskam. Die Serie nahm satirisch die deutsche Wiedervere­inigung aufs Korn. Motzki war eine heikle Rolle, die dem Schauspiel­er auch Kritik einbrachte.

Holtz sei „ein Grantler, ein feiner Gedankenve­rfertiger im Sprechen, ein König des Monologs“, schrieb 2013 eine Jury von der Stiftung Preußische Seehandlun­g. Sie sprach Holtz damals den Theaterpre­is Berlin für herausrage­nde Verdienste um das deutschspr­achige Theater zu. Die Berliner Akademie der Künste ehrte ihn kurz darauf mit dem KonradWolf-Preis für sein Lebenswerk.

„Es geht nicht um Erfolge, es geht um Verwirklic­hung. Erfolg ist nichts“, sagte Holtz vergangene­s Jahr in einem Interview . „Wenn man gebauchpin­selt wird, freut man sich, aber die Premierenf­eier dauert ja nicht ewig.“Selbst ins Theater ging Holtz nach eigenen Worten nicht mehr. Warum? „Die Theater von heute machen aus Poesie Prosa“, so seine Antwort.

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