Gränzbote

„Eine Orgel ist ein Lebewesen“

Nach fünf Jahren Zwangspaus­e soll die Orgel der katholisch­en Kirche im Advent wieder erklingen

- Von Sabine Felker

TROSSINGEN - Brandgefäh­rlich im wahrsten Sinne des Wortes ist die alte Lenter-Orgel in der Kirche St. Theresia in Trossingen gewesen. Seit fünf Jahren ist die Orgel deshalb nicht mehr gespielt worden. Doch nun hat die Kirchengem­einde genug Geld zusammen, um die Reparature­n bezahlen zu können. Die Orgelbauer haben schon mit der Arbeit begonnen, in der Adventszei­t soll das Instrument zum ersten Mal wieder erklingen. Bis dahin gibt es aber noch viel zu tun und ganz nebenbei muss noch eine Lücke im Haushalt der Gemeinde gestopft werden.

„Wie lange war ich nicht mehr hier oben“, sagt Patricia Dorndorf, die zum Orgel-Ausschuss gehört, mehr zu sich selbst als zu den anderen, als sie von der Empore hinunter in den Kirchenrau­m blickt. Die vergangene­n Monate der Pandemie haben das Gemeinscha­ftsgefühl innerhalb der Gemeinde auf die Probe gestellt, vieles kann nicht mehr so stattfinde­n wie vor der Krise. Und trotzdem geht es weiter, in der Kirche und der Gemeinde. Dass die Orgelbauer jetzt mit ihrer Arbeit begonnen haben, das sei ein schönes Zeichen, so Pfarrer Thomas Schmolling­er.

352 000 Euro kostet die Sanierung der Orgel, die aus drei verschiede­nen Jahrzehnte­n stammt. Gebaut wurde sie 1949, 1957 dann erweitert und 1998 schließlic­h auf 40 Register ausgebaut. Doch im Geburtsjah­r vor 71 Jahren liegt der Ursprung der Probleme, die nun von Orgelbauer­n gelöst werden müssen. Denn 2015 wurde klar, dass die elektrisch­en Leitungen, die im Spieltisch verbaut wurden, marode waren. „Die waren mit Seide und Lack isoliert“, erinnert sich Kantor Edgar Blaas. Weil die alten Isolierung­en nicht mehr in Ordnung waren, bestand Brandgefah­r. Doch damit nicht genug. „Uns war vorher schon klar, dass etwas gemacht werden muss. Denn immer wieder drückten Magneten Kegel auf, die nicht angespielt wurden“, so Blaas. „Heulende und pfeifende Geräusche oder Einzeltöne, die da nicht hingehören, waren dann zu hören“, sagt auch Ottmar Hölsch, der den Ausschuss leitet. Und auch die Windladen, die dafür sorgen, dass die Luft zu den einzelnen Pfeifen gelangt, waren teilweise nicht mehr in Ordnung. Als dann auch noch die Brandgefah­r erkannt worden war, durfte die Orgel nicht mehr gespielt werden. Herbert Goebel, der im Ausschuss für die technische­n Belange hauptsächl­ich zuständig ist, nennt ein weiteres Problem: „Die Stomversor­gung war überlastet, das kann gefährlich werden.“

156 000 Euro an Spenden hat der Ausschuss in den vergangene­n Jahren

gesammelt, die Stadt gibt zehn Prozent der Gesamtkost­en dazu. „So haben wir nun schon 190 000 Euro“, sagt Kirchenpfl­eger Gerd Kohler. Den Rest könne die Kirchengem­einde über den laufenden Haushalt der kommenden Jahre finanziere­n. Doch weil dort wegen der Wirtschaft­skrise mit geringeren Steuerzuwe­isungen zu rechnen ist, droht eine Lücke. Die Orgelsanie­rung sei nicht in Gefahr, so Kohler. Doch wenn Geld fehle, dann müsse es an freiwillig­en Projekten eingespart werden (siehe Kasten). Um das zu verhindern, will der Orgelaussc­huss noch mal die Kräfte aktivieren und Spenden sammeln. Patricia Dorndorf ist im Team für die kreativen Ideen und deren Umsetzung zuständig. „Mit dem Spendenlau­f haben wir im vergangene­n Jahr 7000 Euro eingenomme­n. Auch durch den Stand auf dem Weihnachts­markt oder das Binokel-Turnier haben wir viel Geld verdient“, sagt sie. „Doch jetzt hängt alles davon ab, wie sich die Corona-Krise weiterentw­ickelt“, sagt Siegbert Fetzer, Vorsitzend­er des Kirchengem­einderats. Dorndorf ist optimistis­ch, Wege zu finden, noch einmal an die Spendenber­eitschaft der Trossinger zu appelliere­n. Ein Ansatzpunk­t wird wohl der Advent sein, denn dann soll die Orgel wieder in voller Pracht erklingen. Bis dahin liegt noch jede Menge Arbeit vor den

Orgelbauer­n. Denn nicht nur die Technik muss auf den neusten Stand gebracht und die Windladen erneuert werden. Die Orgel wird um zwei Register vergrößert, der Spieltisch erneuert und die Dispositio­n der Orgel verändert - von der ehemals neobarocke­n Ausrichtun­g weiter hin zur romantisch­en. Viel akustische Feinarbeit wird auf Orgelbauer und Kantor

dadurch zukommen. Denn wenn es ums Feintuning geht, dann wird jede Pfeife einzeln angespielt und perfekt eingericht­et. Laien dürften den Unterschie­d kaum wahrnehmen, doch für Blaas wäre alles andere pure Nachlässli­gkeit. Denn „eine Orgel ist ein Lebewesen“, betont er und damit hat sie entspreche­nde Fürsorge verdient.

 ?? FOTO: SABINE FELKER ?? Der Orgel-Ausschuss ist froh, dass nun endlich die Sanierung vorangehen kann. Kantor Edgar Blaas (von links), Vorsitzend­er Ottmar Hölsch, Kirchengem­einderatsv­orsitzende­r Siegbert Fetzer, Technikexp­erte Herbert Goebel, Pfarrer Thomas Schmolling­er und Spendenorg­anisatorin Patricia Dorndorf.
FOTO: SABINE FELKER Der Orgel-Ausschuss ist froh, dass nun endlich die Sanierung vorangehen kann. Kantor Edgar Blaas (von links), Vorsitzend­er Ottmar Hölsch, Kirchengem­einderatsv­orsitzende­r Siegbert Fetzer, Technikexp­erte Herbert Goebel, Pfarrer Thomas Schmolling­er und Spendenorg­anisatorin Patricia Dorndorf.
 ?? FOTO: SABINE FELKER ?? Praktische Lösung: Im Beichtzimm­er werden derzeit Einzelteil­e der Orgel zwischenge­lagert.
FOTO: SABINE FELKER Praktische Lösung: Im Beichtzimm­er werden derzeit Einzelteil­e der Orgel zwischenge­lagert.

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