Das Möhringer Wappen bleibt
Eine Petition fordert dies für Stuttgarter Ortsteil – „Möhrin“kein Hinweis auf Rassismus
Darstellung einer „Möhrin“ist aus Sicht der Stadt nicht rassistisch.
TUTTLINGEN-MÖHRINGEN - Die Protestwelle nach dem gewaltsamen Tod des dunkelhäutigen US-Amerikaners George Floyd hat längst Europa erreicht. Denkmäler von Personen, die mit Rassismus oder Sklaverei in Verbindung stehen, werden zerstört. Straßen, Plätze und Hallen sollen umbenannt werden. Eine Petition fordert nun sogar, das Wappen des Stuttgarter Stadtteils Möhringen abzuschaffen, auf dem ein schwarzer Kopf zu sehen ist. Im gleichnamigen Tuttlinger Ortsteil wird es dazu nicht kommen. Aus guten Gründen.
Bestrebungen, das Möhringer Wappen zu ändern, gebe es nicht, sagt Tuttlingens Oberbürgermeister Michael Beck. Die Darstellung mit dem Kopf einer dunkelhäutigen Frau – einer „Möhrin“– sei aus Sicht der Stadt nicht rassistisch. „Vor allem nicht, wenn man den historischen Kontext betrachtet“, meint Beck.
Das Wappen ist im Jahr 1470 entstanden, erklärt Stadtarchivar Alexander Röhm. Zu dieser Zeit hätte der Kaiser Friedrich III. den wappenlosen Städten ein Wappen verliehen. Bei der Gestaltung hätten sich die kaiserlichen Beamten am Namen des Ortes orientiert, sagt Böhm. „Man spricht auch von redenden Wappen.“
Laut dem Stadtarchivar sei nicht davon auszugehen, dass es zur Entstehungszeit des Wappens eine Beziehung zwischen dem lange davor gegründeten Ort Möhringen und Menschen schwarzer Hautfarbe gegeben habe. „Das Möhringer Wappen und die Darstellung der Möhrin haben keinerlei realen historischen Hintergrund – also auch nicht zu Sklaverei, Kolonialismus oder anderen negativ belasteten historischen Ereignissen.“
Das Wappen des Stadtteils geht vielmehr auf den Anführer der gründenden Sippe zurück, schreibt Böhm. In dem Fall von Möhringen sei dies Mero oder Maro gewesen. Ähnlich wie bei Tuttlingen (Tuttilo), Trossingen (Truoch) oder Aldingen (Aldo) ist auch Möhringen eine alemannische Gründung, weshalb sich der Ortsname aus Mero oder Maro und dem üblichen „-ingen“zusammensetzt. Durch eine spätere Lautverschiebung wurde aus Meringen dann Möhringen. Dies, sagt Böhm, habe die Gestalter des Wappens dazu veranlasst, das redende Wappen mit einer „Möhrin“zu versehen.
Für die Herkunft des Begriffs Mohren könne es mehrere Erklärungen geben, erklärt der Archivar. Es sei entweder vom Bewohner Mauretaniens (dem früheren NordwestAfrika) oder vom griechischen Wort mauros (braun oder schwarz) abzuleiten. Im Mittelalter habe der Begriff auch keine abwertende Bedeutung gehabt. Der Mohr wurde auf einen der Heiligen Drei Könige bezogen. Die positive Besetzung schlage sich auch in zahlreichen Stadtwappen wie Coburg oder Zwickau oder in den bischöflichen Wappen von Freising oder Würzburg nieder.
Dass die Frage, nach einer Veränderung des Wappens, nun aufgeworfen werde, sei legitim, erklärt Beck. „Nicht erst seit der aktuellen Rassismus-Debatte werden auch in Deutschland Kunstwerke, Symbole,
Denkmale oder Straßennamen aus früheren Epochen verstärkt kritisch betrachtet und rege diskutiert. Dies ist richtig und wichtig.“Nach wie vor würden Geisteshaltungen, die mit der demokratischen und weltoffenen Gesellschaft unvereinbar seien – auf unterschiedliche Weise öffentlich verewigt. „Es ist für mich unerträglich, wenn noch heute antisemitische, rassistische oder kriegsverherrlichende Positionen weiterhin öffentlich gewürdigt werden.“Beck stellt aber in Frage, ob „eine unkontrollierte Zerstörung der Denkmäler“wie bei den Denkmalstürzen in den USA und Großbritannien der richtige Weg ist.
Der Stadt Tuttlingen sei es außerordentlich wichtig, verantwortungsbewusst mit Geschichte umzugehen und eine kritische Erinnerungskultur zu pflegen. Dazu gehören der Gedenkpfad
Lager Mühlau und die Stolpersteine. Zu einem kritischen und differenzierten Umgang gehöre aber auch, „dass man nicht reflexhaft reagiert und sich nicht unbedacht von jahrhundertealten Traditionen trennt“, sagt Beck. „Ich gehe sogar noch etwas weiter: Überreaktionen – und die Änderung des Wappens wäre eine solche – sind letzten Endes nur Wasser auf die Mühlen von Rassisten und Rechtspopulisten. Sie liefern Argumente für diejenigen, die ohnehin davon überzeugt sind, dass Einheimische unterdrückt werden, Migranten die Politik bestimmen oder gar ein von der Regierung inszenierter Bevölkerungsaustausch anstehe. Aus diesem Grund ist keine Änderung des Möhringens Stadtwappens – und auch des von ihm inspirierten Brunnens – vorgesehen.“