Fragezeichen vor Plan B
Profiradsport hofft auf Tour de France mit Zuschauern am Streckenrand – Austragung ist aber weiter ungewiss
KÖLN (SID/dpa) - Hunderttausende Fans vor Nizzas Bilderbuch-Kulisse am Samstag, tags darauf der erste Favoriten-Showdown mit Emanuel Buchmann in den Bergen der Côte d’Azur: Am Wochenende hätte die 107. Tour de France spektakulär beginnen sollen. Weil die Corona-Krise diesen Plan A zunichte gemacht hat, ruht die ganze Hoffnung des gebeutelten Profiradsports auf Plan B mit dem neuen Starttermin am 29. August – einen Plan C gibt es nicht.
„Ich bin froh, dass das normale Radprofileben wieder losgeht“, sagt Bora-hansgrohe-Kapitän Buchmann einen guten Monat vor dem Saisonrestart am 1. August und gut zwei Monate vor seinem großen Auftritt bei der Frankreich-Rundfahrt, der den Vorjahresvierten ins Gelbe Trikot führen soll: „Warum nicht? Es ist nicht unmöglich.“Zahlreiche Sportligen Europas haben nach einem etwa zweimonatigen Stillstand ihren Betrieb wieder aufgenommen. In Frankreich sind ab 11. Juli sogar wieder Sportevents mit 5000 Zuschauern erlaubt, eine weitere Lockerung für die zweite Augusthälfte, die dann auch die Tour betreffen würde, erscheint denkbar. Ralph Denk, Buchmanns Teamchef, sagte: „Ich bin kein Fan davon, ohne Publikum zu fahren. Bevor wir aber Rennen absagen, ist es besser, ohne Zuschauer zu fahren.“
Wenn das 23-tägige Spektakel von Nizza bis Paris tatsächlich stattfindet, würde es einige Änderungen geben. Massenansammlungen im Zielbereich der Etappen sind kaum denkbar, auch an anderen Stellen wie bei der Werbekarawane oder im Pressebereich mit rund 2000 Journalisten dürfte nachjustiert werden.
„Natürlich hängen wir von der gesundheitlichen Situation ab, sie ist das Wichtigste“, sagte Tourchef Christian Prudhomme. Die Zahlen aus Frankreich machen deutlich, dass die Grande Nation die Pandemie keineswegs überstanden hat. 56 000 aktive Corona-Fälle unter 65 Millionen Einwohnern meldete Frankreich Anfang der Woche – europaweit Platz eins. Da erscheint es unrealistisch, dass Ende August wieder rund zehn Millionen Tour-Fans an den Straßen stehen, zumal Prudhomme eine Geisterrundfahrt ausgeschlossen hat.
Der Weltverband UCI hat immerhin in der vergangenen Woche Restart-Richtlinien veröffentlicht, in denen er das Schaffen von „Team Bubbles“und „Peloton Bubbles“zur Abschottung vor und während der Rennen vorsieht – was gerade bei den Fanmassen einer Tour aber nur schwer realisierbar scheint. Er könne sich nicht vorstellen, „wie gewohnt durch Tunnel von Menschen“zu fahren, sagt der viermalige Tour-Sieger Chris Froome, der in Frankreich bereits mit Bechern voller Urin beworfen wurde – fliegende Körperflüssigkeiten will man sich besonders jetzt kaum vorstellen.