Maas sieht Handlungsbedarf
Außenminister will Beziehungen zu den USA verbessern
BERLIN/WASHINGTON (dpa/AFP) Außenminister Heiko Maas (SPD) sieht „dringenden Handlungsbedarf“zur Verbesserung der angeschlagenen Beziehungen zu den USA. „Die transatlantischen Beziehungen sind außerordentlich wichtig, sie bleiben wichtig und wir arbeiten auch dafür, dass sie eine Zukunft haben“, sagte er am Sonntag. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump vor dreieinhalb Jahren haben sich die Beziehungen zwischen Deutschland beziehungsweise der EU und den USA drastisch verschlechtert.
Der US-Präsident steht derweil unter Druck. Laut „New York Times“habe Trump Geheimdienstinformationen über etwaige russische Prämien für Taliban-Attacken auf US-Soldaten in Afghanistan erhalten. Trump dementierte dies.
WASHINGTON - Russland hat nach Erkenntnissen der amerikanischen Geheimdienste den Taliban-Milizen in Afghanistan eine Kopfprämie für US-Soldaten angeboten. Donald Trump unternahm nichts.
Der US-Präsident gibt sich ahnungslos. „Niemand hat mich, Vizepräsident Pence oder Stabschef Meadows unterrichtet oder etwas gesagt“, erklärte Trump auf Twitter zu der Untätigkeit seiner Regierung angesichts der explosiven Enthüllungen. Als Erste hatte die „New York Times“berichtet, der Präsident sei in dem täglichen Briefing seiner Geheimdienste schriftlich über das russische Kopfgeld auf US-Soldaten in Afghanistan informiert worden.
Inzwischen haben die „Washington Post“, der Fernsehsender CNN und das „Wall Street Journal“den Inhalt der Geschichte unabhängig voneinander bestätigt. Statt auf die Substanz der Berichte einzugehen, verlangt der Präsident von den „Fake News“die Preisgabe der anonymen Quelle. „Ich wette, sie können das nicht. Diese Person gibt es vermutlich nicht einmal.“
Analysten machen darauf aufmerksam, dass die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, nicht bestreitet, dass die US-Geheimdienste entsprechende Informationen über die russischen Kopfgeld-Prämien haben. Wie auch nicht infrage gestellt wird, dass der Nationale Sicherheitsrat im Weißen Haus Ende März darüber beriet, wie die USA darauf reagieren könnten.
Der Nationale Sicherheitsrat entwickelte nach Aussagen eines hohen Mitarbeiters des Präsidenten in der „New York Times“einen Stufenplan. Dieser sah als Optionen eine diplomatische Beschwerde in Moskau, eskalierende Sanktionen und andere mögliche Reaktionen vor. Nichts von dem sei jemals umgesetzt worden.
Insider halten es für ausgeschlossen, dass solche brisanten Informationen intern ohne Kenntnis des Präsidenten diskutiert würden. Zumal die US-Geheimdienste diese Erkenntnisse mit den Verbündeten in Großbritannien geteilt hätten.
CNN hatte bereits im Frühjahr von auffällig vielen Telefonaten zwischen Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin berichtet. Inmitten der ersten Welle der Corona-Pandemie in den USA sprachen die beiden Präsidenten zwischen dem 30. März und Mitte April viermal miteinander.
Der designierte Herausforderer Trumps bei den Wahlen im November, Joe Biden, wittert Verrat. „Seine ganze Präsidentschaft war ein Geschenk an Putin, aber dieses übersteigt alles“, sagte der Demokrat auf die Enthüllungen. „Das ist ein Verrat an der heiligsten Pflicht gegenüber der Nation, unsere Truppen zu schützen und auszurüsten, wenn wir sie in eine Gefahrenzone schicken.“
Selbst führende Republikaner wie Liz Cheney, die Nummer 3 ihrer Fraktion im Repräsentantenhaus, hat Fragen. Die Tochter des früheren Vizepräsidenten George W. Bush will wissen, warum angeblich weder der Präsident noch der Vizepräsident unterrichtet worden seien. „Wer wusste was wann?“Darüber hinaus verlangt sie Auskunft über den Inhalt des schriftlichen Tagesbriefings der Geheimdienste und Antwort auf die Frage, was zum Schutz der Truppen und Bestrafung Putins unternommen worden sei.
Das von Trump-kritischen Republikanern finanzierte „Lincoln-Project“produzierte einen Werbespot, in dem mit Sternenbanner bedeckte Särge gefallener Soldaten zu sehen sind. „Jetzt wissen wir, dass Wladimir Putin Kopfgeld für die Ermordung amerikanischer Soldaten zahlt“, sagt der Sprecher. „Donald Trump wusste das und unternahm nichts.“Trump selber spielte in einem weiteren Tweet die Vorwürfe herunter. Diese seien nicht nur falsch, sondern in Afghanistan habe es „nicht viele Angriffe auf uns gegeben“.
2019 sind 20 US-Soldaten in Afghanistan getötet worden, vier weitere Anfang dieses Jahr. Seit dem Waffenstillstand zwischen den Taliban-Milizen und den USA haben die Islamisten keine amerikanischen Stellungen mehr angegriffen.
Nach den Erkenntnissen der USGeheimdienste war das Kopfgeld von der Einheit 29155 des russischen Spionagedienstes GRU ausgesetzt worden. Dabei handelt es sich um eine Elitetruppe, die auch für die Vergiftung des früheren GRU-Offiziers Serei Skripal im englischen Salisbury verantwortlich gemacht wird. Experten spekulieren darüber, dass der erste direkte Angriff auf US-Interessen ein doppeltes Ziel verfolgte: Die Gespräche zwischen den Taliban und den USA zu unterminieren und die russischen Toten eines US-Vergeltungsschlags in Syrien 2018 zu rächen.
Trump drängte zuletzt auf eine Wiederaufnahme Russlands in die Gruppe der G7 und behauptet, nicht Moskau, sondern die Ukraine habe sich 2016 in die Wahlen eingemischt.