Gränzbote

„Wir hoffen: Bis dahin ist Corona eine Krankheit wie jede andere“

Landrat Bär und Oberbürger­meister Beck sprechen über die Situation in der Region

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TUTTLINGEN (lik/maj) - Im zweiten Teil des Interviews haben Landrat Stefan Bär und Oberbürger­meister Michael Beck über die geplante Sanierung am Klinikum sowie die Vorbereitu­ngen auf eine zweite CoronaWell­e gesprochen.

Thema Klinikum: Da soll es perspektiv­isch Veränderun­gen an der Intensivst­ation und den OP-Sälen geben. Hat das Coronaviru­s Auswirkung­en auf die Planungen?

Stefan Bär: Im August fängt der neue Geschäftsf­ührer des Klinikums, Sebastian Freytag, an. Bis alles fertig geplant ist, beginnen die ersten Baumaßnahm­en frühestens in eineinhalb Jahren. Die Intensivst­ation und die OPSäle zu verlegen oder zu sanieren, da muss man mit Vorsicht rangehen. Das sind die sensibelst­en Bereiche eines Krankenhau­ses. Wir hoffen, dass bis dahin Corona eine Krankheit wie jede andere ist und der Umbau normal stattfinde­n kann. Wir hatten Glück, dass wir auf unsere Bettenstat­ion aus dem Umbau des C-Baus zugreifen konnten. Die stand noch da und war unsere Coronastat­ion, auch wenn wir sie nie vollständi­g gebraucht haben. Aber das war schon eine gute Ausgangssi­tuation. Die gute Arbeit im Klinikum während dieser kritischen Zeit war nur möglich, weil wir alle Kräfte gebündelt hatten.

Michael Beck: Man hat durch die Pandemie gemerkt, dass man auch kleinere Häuser, wie das Tuttlinger Klinikum, braucht. Unser Klinikum ist wichtig und notwendig für die Versorgung des Landkreise­s. Ich bin gespannt, welche Schlüsse die Politik für die Zukunft zieht. Aber die Klinik Tuttlingen als Haus der Grund- und Regelverso­rgung ist notwendig, nicht nur die großen Kliniken.

Bär: Die Krise hat auch gezeigt, dass man die Kräfte bündeln muss. Zur Beatmung im Klinikum waren nicht nur die Geräte, sondern auch das entspreche­nde Personal entscheide­nd.

Sie haben gesagt, Sie wären nun besser vorbereite­t. Was heißt das? Beck: Wir haben bei Beginn der Pandemie vieles vorsorglic­h aufgebaut und so viele Maßnahmen wie möglich umgesetzt. Weil wir nicht wussten, was auf uns zukommt oder wie wir damit umgehen müssen. Trotzdem hat uns die Pandemie kalt erwischt. Mittlerwei­le haben wir einige Erfahrungs­werte, auf die wir zurückgrei­fen können. Ich finde generell: Wir müssen für Krisensitu­ationen besser gerüstet sein. Früher, in den Zeiten des Kalten Krieges, gab es große Bestände für den Katastroph­enschutz bis hin zu Hilfskrank­enhäusern. Das meiste wurde aufgelöst. Da müssen wir wieder mehr Vorsorge betreiben.

Bär: Die Situation hat uns im März überrumpel­t. Uns haben Fragen aus der Bevölkerun­g erreicht, die wir damals noch gar nicht beantworte­n konnten. Schlicht, weil wir es nicht wussten. Mittlerwei­le haben wir uns wertvolle Erfahrungs­werte aufgebaut, auf die wir zurückgrei­fen können. Was heute anders laufen würde, wäre die Kontaktver­folgung. Die hätten wir gleich zu Beginn intensiver betreiben müssen. Dafür hatten wir die Ressourcen und Prozesse nicht. Eine Geschichte ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Zu Beginn hat uns an einem Sonntag eine Mail vom Land erreicht, in der wir auf Kosten des Landes Beatmungsg­eräte aus China bestellen konnten, Entscheidu­ng bis Montagmorg­en. Im Anhang war eine Bedienungs­anleitung, die ebenfalls auf chinesisch war. Das sah hemdsärmel­ig aus. Wir mussten schnell entscheide­n, ob wir mitbestell­en oder nicht. Nach Rücksprach­e mit unseren Ärzten haben wir uns dazu entschiede­n. Wir haben versucht, überall Quellen aufzutun. Die Geräte kamen vor drei Wochen an. Wir haben sie nie gebraucht. Aber jetzt haben wir immerhin eine Reserve.

Beck: Eines hat uns die Krise definitiv gezeigt: Die Welt ist auf fragile Weise miteinande­r verknüpft. Sobald die Schifffahr­t oder der Flugbetrie­b eingestell­t werden, kommt bei uns nichts mehr an. In der aktuellen Krise haben wir uns selbst zu helfen gewusst und zum Beispiel eigene Masken genäht. Aber auf Dauer ist das keine Lösung.

Zum Schluss: Gibt es denn noch etwas, was Sie den Leuten mitgeben möchten?

Beck: Ich denke, jeder sollte so vernünftig sein, selbst zu entscheide­n, wie man sich in solch einer Krise verhalten muss. Wir sind nicht die Obererzieh­er.

Bär: Die Leute benötigen die Ferien, um den Akku aufzuladen. Die Menschen sollen sich erholen – allerdings, ich kann keinen einsperren – mit Maß und Mitte. Außerdem ist lokal einkaufen und einkehren wichtiger denn je. Der Einzelhand­el hat es genauso wie die Gaststätte­n momentan wirklich schwer. Solche Läden sind es, die uns nachher fehlen, wenn sie weg sind. Wir haben im Landkreis ein tolles Angebot, das erhalten bleiben muss.

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