Am Ende liegen in Heidenheim die Nerven blank
Chaoten bewerfen den Mannschaftsbus von Werder Bremen – Nach dem knappen Scheitern hadert der Zweitligist mit der Auswärtstorregel
HEIDENHEIM - Diese Szenen hat es nach der viel beachteten Relegation nicht gebraucht. Randale im beschaulichen Heidenheim – passt eigentlich so gar nicht. Doch bevor der grün-weiße Mannschaftsbus des Fußball-Bundesligisten Werder Bremen um 0.17 Uhr begleitet von Polizisten das Stadiontor der Voith-Arena passierte, gab es ein paar unschöne Minuten auf dem Gelände des 1. FC Heidenheim, bei denen es nicht mehr um Fußball ging. Leider.
Attacken von einigen Fans unter knapp 150 FCH-Anhängern auf dem Stadiongelände mit Flüssigkeiten sowie Stein- und Flaschenwürfe gegen feiernde Werder-Spieler auf dem Weg zum Bus und den Bus selbst – braucht keiner. „Wir finden das selbstverständlich nicht gut und distanzieren uns auch davon“, sagte FCH-Pressesprecher Markus Gamm am Dienstag der „Schwäbischen Zeitung“. Man entschuldige sich bei den Bremern für das Verhalten der eigenen Fans und mögliche Schäden. Zu Ausschreitungen kam es auch in Bremen. Diese Szenen gingen viral. Keine guten Bilder.
Zum realen Fußball lässt sich sagen: Der FCH bleibt ein FußballZweitligist,
hat ein gutes Bild in der Saison abgegeben. Den Verein von der Ostalb werden sicher noch mehr Beobachter auf der Rechnung haben. Schon allein ob des Interview-Marathons der vergangenen aufregenden Tage benötigt der Fußballlehrer Frank Schmidt nun eine Pause. Es ist Teil des Jobs, zu erklären, was gut oder schlecht lief bei seiner Mannschaft. Am nervenaufreibenden Montag war es besonders schwer.
In seinem letzten Statement dieser Saison auf der virtuellen Pressekonferenz
war Schmidt, der Dauertrainer des FCH, sichtlich enttäuscht. Das größte Spiel der Vereinsgeschichte ging verloren, obwohl die Heidenheimer ja gar nicht verloren hatten in beiden Relegationsspielen zur Bundesliga. „Es war möglich, das Spiel zu gewinnen“, befand Schmidt. „Bitter, es tut weh. Es war eine große Chance für uns. Wir waren nah dran.“Seine pragmatische Sichtweise: „Am Ende sind es zwei Unentschieden und man steigt nicht auf. Wenn Auswärtstore eine höhere Wertung haben, muss man das akzeptieren.“Der FCH-Vorstandsvorsitzende Holger Sanwald befand: „Am Schluss hat ein bisschen gefehlt – auch, weil es Bremen gut gemacht hat und stark dagegengehalten hat. Wir haben nicht verloren. 0:0 und 2:2 – so ist nun mal die Regelung. Es war denkbar knapp.“
Beim 2:2 (0:1) kam die Auswärtstorregel zur Geltung, die so manchen Fußballfan nervt. Wie schon bei der Relegation im Vorjahr entschieden die Auswärtstore, damals zulasten des Erstligisten. Der VfB Stuttgart stieg nach dem 2:2 und 0:0 gegen Union Berlin aus der Bundesliga ab. Diese Ergebnisse gaben nach den sportlichen Ereignissen am Donnerstag und Montag den Ausschlag – diesmal für den Erstligisten. Bei so manchem Werder-Fan lagen dem Vernehmen nach während des spannenden Rückspiels in Heidenheim die Nerven blank. Bis fünf Minuten vor Schluss schien aus Heidenheimer Sicht noch alles möglich, nachdem sich der FCH wieder mal mit großer Moral nach einem denkbar schlechten Start (Eigentor von Norman Theuerkauf ) zurückgekämpft hatten. Nach dem 1:1 war die Bundesliga so dicht vor Augen, dann wurde sie hauchdünn verpasst. So blieb auch festzuhalten: Werder hatte es nicht nur mit einem Unentschieden geschafft, eine Saison zum Vergessen zu retten, sondern auch damit, nur ein Tor selbst geschossen zu haben.
Claudio Pizarro tanzte nach der Rettung erst einmal beim Abschied mit seinen Jungs im Mannschaftsbus. Die 41-jährige Werder-Legende kam auf dem Platz allerdings nicht mehr zum Einsatz, die Dienstreise nach Heidenheim war seine letzte. „Ich habe mich bei ihm entschuldigt. Die Situation war einfach leider nicht da“, sagte Werder-Trainer Florian Kohfeldt (37), der insgesamt anmerkte: „Scheiß Saison, gutes Ende.“
Von Polizisten begleitet rollte der Werder-Bus neben aufgebrachten Fans gen Flughafen und in seine 41. Bundesligasaison hintereinander. Wann die erste Bundesligasaison der Heidenheimer Vereinsgeschichte ansteht, dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein. Wer die Heidenheimer kennt, weiß: Sie stehen wieder auf. „Am Ende“, meinte Schmidt, „dürfen wir uns nicht als Verlierer sehen.“
Die Vorfälle in Heidenheim in unserem Exklusiv-Video unter:
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