Ein Waffennarr in seinem Wald
Auch am Dienstag in und um Oppenau keine Spur von gesuchtem 31-Jährigen – Bedrohter Polizist hatte Todesangst
OPPENAU (dpa) - Bei dem seit Sonntag wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gesuchten Mann aus Oppenau im Schwarzwald gehen die Ermittlungsbehörden nicht von einem rechtsradikalen Hintergrund aus. Das sagte der Offenburger Oberstaatsanwalt Herwig Schäfer am Dienstag vor der Presse und fügte hinzu: „Wir wissen nicht, was den Schuldigen bewogen hat, so zu handeln.“Der Gesuchte ist laut Schäfer „als Waffennarr einzustufen“– er habe eine „große Affinität zu Waffen“.
Der Mann wird mit nationalem und europäischem Haftbefehl gesucht. Der Vorbestrafte ohne festen Wohnsitz war am Sonntag von der Polizei kontrolliert worden. Dabei bedrohte er vier Beamte, die ihn in einer Hütte am Waldrand aufgesucht hatten, unvermittelt mit gezückter Schusswaffe und nahm ihnen ihre Dienstwaffen ab. Seitdem ist der 31-Jährige verschwunden (bis Druckbeginn dieser Ausgabe blieb die Suche erfolglos). Die Ermittler vermuten, dass er sich noch in der Region Oppenau aufhält. „Er lebt im Wald, er fühlt sich hier sicher“, sagte Polizeipräsident Reinhard Renter. „Der Wald ist schlicht sein Wohnzimmer.“Deshalb gingen die Beamten davon aus, „dass er noch hier ist“. Es werde weitere Durchsuchungen und verdeckte Maßnahmen geben, um den 31-Jährigen zu finden.
Die Polizei richtet sich jedoch auf eine längere Suche ein. Reinhard Renter betonte: „Wir werden nicht nachlassen, wir haben einen langen Atem.“
Aktuell seien etwa 200 Polizisten im Einsatz. Am Montag hätten sogar bis zu 440 Beamte, darunter Spezialkräfte, das unwegsame, steile Waldgelände im Ortenaukreis durchsucht und das Städtchen Oppenau gesichert.
Der Gesuchte war nach Oberstaatsanwalt Schäfers Worten nie in einem Schützenverein. Bereits 2010 sei ihm untersagt worden, Waffen und
Munition zu besitzen. Er habe im Herbst seine Wohnung in Oppenau verloren und sei seitdem ohne festen Wohnsitz. Einen Beruf habe er gelernt, sei aber zuletzt arbeitslos gewesen.
Als die vier Polizeibeamten ihn in der Hütte kontrollierten, habe er hinter einem Tisch gesessen und einen entspannten Eindruck gemacht. In die Gartenhütte sei er eingebrochen und habe sich dort häuslich eingerichtet. Erst als die Beamten ihn aufforderten, die Hütte zu verlassen, habe der Mann plötzlich eine Schusswaffe gezogen. Er forderte demnach die Beamten auf, ihre Pistolen niederzulegen. Dann habe er die Waffen an sich genommen und sei geflohen. Zumindest für einen der Polizisten sei die Situation lebensbedrohlich gewesen, sagte Reinhard Renter. Nur durch das besonnene Verhalten aller Beamten habe es keine Verletzten gegeben; sie hätten somit bei der Kontrolle des Mannes „alles richtig gemacht“.
Der Polizeipräsident („Das höchste Gut ist unser Leben“) zeigte sich folglich verärgert über Kommentare in sozialen Netzwerken, in denen sich Nutzer über die Polizisten lustig gemacht hatten. „Ich verurteile das aufs Schärfste.“Niemand könne sich in eine derartige Situation hineinversetzen. „Die Beamten hatten Angst um ihr Leben“, bestätigte Oberstaatsanwalt Schäfer und zitierte den dezidiert bedrohten Polizisten so: „Er hat die Waffe direkt auf mich gerichtet. Ich habe jederzeit damit gerechnet, dass er schießen könnte und ich in dieser Hütte sterben könnte.“
Der gesuchte Mann war den Ermittlungen zufolge schon mehrfach mit der Polizei in Konflikt geraten, unter anderem wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz. 2010 war er zu einer Jugendstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden: Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Pforzheim hatte er im Jahr zuvor mit einer Sportarmbrust auf eine Frau geschossen und diese schwer verletzt.
Die Schulen in Oppenau waren am Dienstag wieder geöffnet. Mit der Polizei war ein Sicherheitskonzept abgestimmt worden; Eltern durften selbst entscheiden, ob sie ihre Kinder zum Unterricht schickten oder nicht.
Eindrücke aus Oppenau sowie Einschätzungen der Polizei im Video auf www.schwäbische.de/oppenau