Storz&Bickel wächst konstant
Das Medizintechnik-Unternehmen erweitert seine Firmenzentrale.
TUTTLINGEN - Jürgen Bickel macht keinen Hehl daraus. „Wir sind Profiteur des Coronavirus“, sagt der Geschäftsführer des MedizintechnikUnternehmens Storz & Bickel. Ungeachtet des zwischenzeitlichen Lockdowns und der schwächelnden Wirtschaft wächst der Hersteller von Cannabis-Verdampfern weiter. Dies wird auch im Stadtbild deutlich.
Vor drei Jahren ist das Unternehmen erst in das neue Firmengebäude im Gewerbegebiet Grubenäcker eingezogen. Jetzt wird der Bau bereits erweitert. Für 20 Millionen Euro vergrößert Storz&Bickel die Fläche. Auf den weiteren 3700 Quadratmetern wird dann vor allem die Produktion sowie die Verwaltung angesiedelt sein. Neue Produktionslinien und Maschinen sollen die Herstellung noch effizienter machen.
„Zu klein, zu erfolgreich“: So beschreibt Bickel den Aufstieg des Unternehmens in den vergangenen Jahren, der mit den vorhandenen Räumlichkeiten einfach nicht zusammenpasste. Von der Roten Straße 1 – jetzt die Heimat des Innovationslabors Werk 39 von B. Braun – zog es Storz & Bickel 2017 nach Grubenäcker. Innerhalb eines Jahres wurde der Firmensitz auf 5900 Quadratmetern fertig gestellt. Und ist zwei Jahre später eigentlich schon zu klein. Ende 2019 habe es bereits die Notwendigkeit gegeben, die Möglichkeit, das Gebäude zu vergrößern, auszuschöpfen, heißt es in einer Firmenbroschüre.
„Wir haben ein jährliches Wachstum von 30 Prozent“, sagt Bickel – und zwar kontinuierlich. Einen Ausreißer habe es mal gegeben: „Da haben wir uns fast verdoppelt“, erklärt er. Eine Situation, mit der Bickel sicher gut leben kann. Auch wenn er meint: „Konstantes Wachstum kostet auch konstant Geld.“Die Investition in die Erweiterung sei aber notwendig, erklärt Bickel. Man habe einen Schichtbetrieb in der Produktion einführen müssen, um die Enge zu entzerren. Trotz der Schwierigkeit, Mitarbeiter für diese Form der Produktion zu finden, sei im Herstellungsbereich immer „alles voll“gewesen. Und ein „beengtes Arbeiten“ sei auch nur auf Zeit in Ordnung, findet der Geschäftsführer.
Das Kapital um den Anbau zu stemmen, hat sich Storz & Bickel wenigstens nicht bei der Bank besorgen müssen. Ende 2018 wurde die Firma für 145 Millionen Euro an den kanadischen Konzern Canopy Growth Corporation verkauft. Nun steht der Investor für die Erweiterung gerade. Dies wertet Bickel als Zeichen, dass die Kanadier „am Standort Tuttlingen interessiert“seien. Ob man selbst ohne die Unterstützung aus Übersee schon wieder bauen würde, stellte Bickel jedenfalls in Frage. Die Erweiterung sei aber immer vorgesehen gewesen. Das Gebäude in Grubenäcker sei so geplant worden, dass „es in zwei Abschnitten funktionieren muss.“Bis Mai 2021 will man fertig sein. Auch wenn bis dahin noch bauliche Herausforderungen zu meistern sind. So muss das vollautomatische Lager auf die gesamte Länge des Bauwerks ausgedehnt und gekoppelt werden.
Ein weiteres Wachstum oberhalb Tuttlingens ist nicht mehr möglich. Die Fläche am Hang ist verbraucht, eine Leitung der Bodensee-Trinkwasserversorgung hinter dem Gebäude verhindert die Ausdehnung. „Die wird niemand für uns verlegen. Wenn es weiteres Wachstum braucht, dann wird es woanders sein“, sagt Bickel. Denn schon bei der jetzigen Erweiterung brauchte man die wohlwollende Zustimmung von Nachbar Simeon Medical. Der Hersteller von Lösungen für Operationssäle habe 1000 Quadratmeter zur Verfügung gestellt, damit eine bessere Zufahrt über den Wendehammer auf das Firmengelände von Storz & Bickel möglich war. Dafür hat Storz & Bickel auf der gegenüberliegenden Straßenseite Parkplätze für 90 Fahrzeuge gebaut, die auch die Mitarbeiter von Simeon Medical nutzen können. „Das war praktisch der Kaufpreis“, sagt Bickel.
Aber auch bei der Möglichkeit, Autos abzustellen, könnte es bald eng werden. Allein in diesem Jahr hat Storz & Bickel 30 Mitarbeiter neu eingestellt. Gut 125 Frauen und Männer sind nun bei dem Medizintechnik-Unternehmen beschäftigt. Kurzarbeit, so Bickel, habe es im Vergleich zu anderen Unternehmen nicht gegeben.
Warum die Produkte seiner Firma weiter so gut verkauft werden, kann Bickel nicht abschließend erklären. „Ich denke nicht, dass deutlich mehr Cannabis konsumiert wurde. Es scheint mir aber, dass die Leute mehr Zeit zu Hause verbracht und gesucht haben, was es Neues gibt. Außerdem war zu Beginn der Corona-Krise noch mehr Geld zur Verfügung“, sagt Bickel und verweist darauf, dass – weil viele Geschäfte geschlossen waren – der Zuwachs hauptsächlich auf dem Online-Geschäft beruhe. Hauptabsatzmarkt unter den 120 Ländern mit Storz & Bickel-Produkten sind die USA (40 Prozent). In Deutschland werde gut 15 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet. Neben den Vaporisatoren für medizinischen Cannabis produziert der Tuttlinger Betrieb auch sogenannte „Haushaltsgeräte“, in denen Kräuter wie Hopfen oder Kamille verdampft werden können.
Das Erfolgsgeheimnis von Storz & Bickel erklärt der FirmenGeschäftsführer damit, „dass wir in der Lage sind, gradgenau heiße Luft zu produzieren.“Ab 180 Grad Celsius wird der Wirkstoff, der im Cannabis als Säure vorliegt, umgewandelt. Steigt die Hitze auf 230 Grad an, werde auch die Cellulose der Pflanze verbrannt. Dann habe man die gleichen schlechten Nebenwirkungen, als wenn geraucht werde. Ein Abkühlen der guten Entwicklung bei Storz & Bickel ist jetzt nicht zu erwarten. Durch die Ausweitung der Produktion sollen bald 1400 Geräte am Tag hergestellt werden, die als Weiterentwicklung auch für flüssige Stoffe geeignet sein sollen.