Gränzbote

Europäisch­e Richter stärken Datenschut­z

Trotz der Facebook-Entscheidu­ng können Daten weiter in die USA übertragen werden

- Von Michel Winde und Christoph Dernbach

LUXEMBURG (AFP) - Knapp fünf Jahre nach dem Aus für ein EU-Datenschut­zabkommen mit den USA hat der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) auch das Nachfolgea­bkommen gekippt. Der EuGH erklärte am Donnerstag den „Privacy Shield“Beschluss der EU zur Übermittlu­ng personenbe­zogener Daten in die USA für ungültig. Die USA reagierten enttäuscht, Datenschüt­zer erleichter­t. Auslöser für das Urteil war ein Streit um den Transfer von Facebook-Daten aus der EU in die USA. Grundsätzl­ich möglich bleibt die Weitergabe aber weiterhin.

LUXEMBURG (dpa) - Der österreich­ische Jurist Max Schrems hat europäisch­e Datenschut­z-Geschichte geschriebe­n. Auf sein Betreiben kippte der Europäisch­e Gerichtsho­f das Datenabkom­men „Privacy Shield“zwischen der EU und den USA. Der EuGH hatte nach einer Schrems-Klage bereits 2015 die Vorgängerr­egelung „Safe Harbor“kassiert.

Was ist die zentrale Aussage des Urteils?

Das Urteil beinhaltet zwei Entscheidu­ngen: Zum einen stellt der Gerichtsho­f fest, dass Standardve­rtragsklau­seln zur Datenübert­ragung ins Ausland nicht gegen die Charta der Grundrecht­e der Europäisch­en Union verstoßen. Diese nutzt auch Facebook für die Datenübert­ragung zwischen der EU und den USA. Das Datenabkom­men „Privacy Shield“zwischen den USA und der EU erklärt der EuGH hingegen für ungültig.

Was ist „Privacy Shield“?

Nach dem Scheitern des „Safe Habor“-Abkommens zwischen den USA und der EU vor dem EuGH 2015 wurde ein Jahr später eine andere Abmachung geschlosse­n. Darin wurde geregelt, dass Unternehme­n personenbe­zogene Daten unter bestimmten Schutzvork­ehrungen von EU-Ländern in die USA übermittel­n dürfen. Es wird pauschal festgestel­lt, dass eine wichtige Bedingung der Europäisch­en Datenschut­z-Grundveror­dnung (DSGVO) erfüllt ist. Nach der DSGVO dürfen im Ausland nur personenbe­zogene Daten gespeicher­t und verarbeite­t werden, wenn die Datenschut­zvorkehrun­gen in jenem Land ähnlich hoch sind.

Warum wurde „Privacy Shield“jetzt für ungültig erklärt?

Dem EuGH gehen die Überwachun­gsbefugnis­se der US-Geheimdien­ste und Sicherheit­sbehörden zu weit. NSA, FBI und andere dürfen auch ohne einen richterlic­hen Beschluss die Daten ausländisc­her Nutzer durchforst­en. Den Enthüllung­en des Whistleblo­wers Edward Snowden konnte man entnehmen, dass Daten von Microsoft, Facebook, Google, Apple, Yahoo und anderen abgesaugt werden.

Was hat es mit den Standardve­rtragsklau­seln auf sich?

In diesen Verträgen erklären die beteiligte­n Parteien, dass es auch im Ausland einen angemessen­en Schutz für die Daten von EU-Bürgern gibt. Sie gelten deshalb als einfach anwendbare­s Instrument, um rechtskonf­orm personenbe­zogene Daten ins Ausland zu übermittel­n.

Sind die Standardve­rtragsklau­seln also ein Freibrief für die Datenübert­ragung ins Ausland?

Nein. Das Konstrukt wurde zwar vom EuGH bestätigt. Aber auch hier haben die Betroffene­n die Möglichkei­t, die Rechtmäßig­keit im konkreten Fall durch die zuständige­n Datenschut­zbehörden überprüfen zu lassen. Im Streit zwischen Schrems und Facebook liegt der Ball damit wieder im Feld der irischen Datenschut­zbehörde DPC. Die ist bislang nicht durch ein scharfes Vorgehen gegenüber US-Konzernen aufgefalle­n, die von Irland aus ihr EuropaGesc­häft betreiben.

Was bemängelt der Datenschüt­zer und Jurist Max Schrems genau?

Schrems hat bei der irischen Datenschut­zbehörde beanstande­t, dass Facebook Irland seine Daten an den Mutterkonz­ern in den USA weiterleit­et, obwohl diese dort nicht angemessen gegen Ausspähakt­ionen gesichert seien. Diese Frage wurde nun vom EuGH entschiede­n.

Sind nur Kunden von Firmen wie Facebook und Microsoft betroffen?

Nein, die Entscheidu­ng des EuGH betrifft ganz grundsätzl­ich die Datenübert­ragung ins Ausland. Häufig werden Daten auch in den USA gespeicher­t, selbst wenn man es mit Firmen aus Europa zu tun hat. Diese greifen nämlich auf Cloud-Dienste in den USA wie Amazon AWS, Microsoft Azure oder Google Cloud zurück. In der Regel agieren die großen US-Anbieter nicht allgemein unter dem Dach des „Privacy Shield“, sondern haben Verträge abgeschlos­sen.

Was bedeutet das Urteil für die Digital-Branche?

Der Branchenve­rband Bitkom beklagt, dass jetzt zum zweiten Mal die Rechtsgrun­dlage für die Datenverar­beitung zwischen der EU und den USA weggefalle­n ist. Auch die bis dato gültige Praxis der Standardve­rtragsklau­seln gerate mit dieser Entscheidu­ng ins Wanken. „Für Unternehme­n mit einer Datenverar­beitung in den USA entsteht durch dieses Urteil massive Rechtsunsi­cherheit“, sagte Susanne Dehmel, Mitglied der Bitkom-Geschäftsl­eitung.

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FOTO: AFP Hat ein Erdbeben für den Datenausta­usch mit den USA ausgelöst: der Aktivist Max Schrems.

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