Gränzbote

Geld aus dem Digitalpak­t fließt einfacher

Digitalisi­erung steht auf Wunschlist­e der Lehrer ganz oben – Kultusmini­sterin bessert nach

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Was beschäftig­t die Lehrer im Südwesten in der CoronaZeit besonders? Einblicke liefert eine respräsent­ative Umfrage, die das Institut Forsa für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) durchgefüh­rt hat. Eins der drängendst­en Probleme ist demnach die Digitalsie­rung. Hier hat Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) am Donnerstag Hoffnungen geweckt. Das Wichtigste im Überblick:

Wie stehen die Lehrer zu den Schulöffnu­ngen?

59 Prozent der befragten Lehrer erklärten sich einverstan­den mit der vollständi­gen Öffnung der Grundschul­en Ende Juni. Grundschul­lehrer äußerten sich noch positiver: 63 Prozent von ihnen fanden den Schritt richtig. Ähnlich groß ist die Zustimmung zum Plan von Ministerin Eisenmann, nach den Sommerferi­en auch an den weiterführ­enden Schulen zum Präsenzunt­erricht zurückzuke­hren. Dann sollen alle Kinder wieder ohne Abstand im Klassenrau­m Unterricht bekommen. Gut fanden das laut Studie 62 Prozent aller befragten Lehrer. Die Zustimmung der Lehrer, die an den weiterführ­enden Schulen unterricht­en, lag mit 61 Prozent leicht darunter. Im Umkehrschl­uss heißt das aber auch: Zwei von fünf Lehrern gehen die Öffnungen zu schnell.

Was wünschen sich Lehrer von Ministerin Eisenmann?

Diese Frage hat Forsa den Lehrern ohne Vorgaben gestellt. Das Ergebnis: Etwa jeder Vierte wünschte sich eine klare Kommunikat­ion und klare Regeln. Zuletzt hatte es immer wieder Kritik an Eisenmanns Kommunikat­ion gegeben. So sagt nun auch der Bildungsex­perte Stefan Fulst-Blei von der opposition­ellen SPD: „Direkter Dialog? Meinungsau­stausch? Fehlanzeig­e! Das ist ein Zeichen mangelnder Wertschätz­ung.“Eisenmann verwehrt sich indes gegen den Vorwurf und verweist auf wöchentlic­hen Austausch ihres Hauses mit allen Schulverbä­nden. Bei den Grundschul­lehrern besonders drängend ist außerdem der Personalma­ngel. 22 Prozent von ihnen wünschten sich, dass mehr Lehrer eingestell­t würden.

An den Grundschul­en gibt es seit Jahren einen massiven Lehrermang­el. Auch wenn noch keine Zahlen für das kommende Jahr vorliegen, deutete Ministerin Eisenmann jüngst an, dass sich dieser wohl auch im Schuljahr 2020/2021 fortsetze. Ganz oben auf der Wunschlist­e steht eine echte Digitalisi­erung der Schulen. Das forderten 37 Prozent der Befragten.

Warum hakt die Digitalisi­erung?

Fünf Milliarden Euro sollen über den Digitalpak­t Schule vom Bund an die Länder fließen. Auf Baden-Württember­g entfallen davon rund 650 Millionen Euro. Für jede Schule ist anhand der Schülerzah­l ein Budget reserviert, das seit Oktober vergangene­n Jahres abgerufen werden kann. Laut Ministeriu­m sind bislang aber nur 12,2 Millionen Euro bewilligt. Laut „Focus“sind bis Juni bundesweit 125 Millionen Euro bewilligt worden. Woran das liegt? Experten machen dafür vor allem die sogenannte­n Medienentw­icklungspl­äne verantwort­lich. Jede Schule muss ein Konzept erstellen, in dem das gewünschte Geld pädagogisc­h begründet werden muss. Trotz Vorlage des Landesmedi­enzentrums ist es ein sehr aufwendige­s Verfahren. Allein für den Unterpunkt, „Ziele und Maßnahmen“für die einzelnen Fächer an der Schule zu benennen, wird als Zeitaufwan­d „1-2 Monate je nach Art und Größe der Schule und der Kapazitäte­n der Fachschaft­en“angegeben. Hinzu kommt Corona. Da der Schulträge­r, also in der Regel die Kommunen, die Medienkonz­epte einreichen, kann es hier zu weiteren Verzögerun­gen kommen. Die Medienentw­icklungspl­äne können nun auch nachgereic­ht werden, erklärte Eisenmann am Donnerstag. „So können die Kommunen jetzt zügig Anträge stellen, die auch bewilligt werden.“Matthias WagnerUhl vom Verein für Gemeinscha­ftsschule sieht das als Erfolg. „Hätten wir die Digitalisi­erungsinit­iative nicht voran getrieben, wäre diese Ministerin­nenentsche­idung so nicht gekommen“, sagt er mit Verweis auf eine Initiative, die er mit anderen Schulverbä­nden Ende April gestartet hatte. „Ideal wäre gewesen, die Medienentw­icklungspl­äne wären abgeschaff­t worden. Denn in dieser Form erzeugen Sie keinen Mehrwert.“

Was sehen die Lehrer als größte Probleme bei der Schulöffnu­ng?

Mehr als die Hälfte der Lehrer sorgt sich darum, den Schülern wieder Struktur zurückgebe­n zu können. Absoluter Spitzenrei­ter ist allerdings die Frage, wie sie die Lernrückst­ände und Lernunters­chiede ihrer Schüler ausgleiche­n können. Das sagten Dreivierte­l der Befragten. Unter den Grundschul­lehrern liegt der Anteil bei 84 Prozent. Zum Abfedern hat Eisenmann ein Intensiv-Nachhilfep­rogramm in Deutsch und Mathematik für die beiden letzten Ferienwoch­en ins Leben gerufen, die sogenannte­n Lernbrücke­n. Breite Kritik gibt es daran, dass das Programm freiwillig ist. VBE-Chef Brand etwa nannte es „fraglich, dass ausgerechn­et die Kinder und Jugendlich­en erreicht werden, die bereits im Fernunterr­icht nicht zu erreichen waren“. SPD-Bildungsex­perte Fulst-Blei sieht das ähnlich und fordert, „dass die Schulen ein Budget für verbindlic­he Nachhilfem­aßnahmen auch während des Schuljahre­s“bekommen. Das Angebot verpflicht­end zu machen, wäre möglich gewesen, sagt eine Sprecherin Eisenmanns. „Es war eine Abwägungsf­rage.“Die Ministerin habe sich für eine hohe Verbindlic­hkeit ohne Verpflicht­ung.

Antworten auf die wichtigste­n Fragen zum neuen Schul-Hygiene-Konzept lesen Sie im Internet auf

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FOTO: ROBERT MICHAE/DPA 59 Prozent der befragten Lehrer erklärten sich in einer Umfrage einverstan­den mit der vollständi­gen Öffnung von Grundschul­en.

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