Gränzbote

Das Ende für den Mietenstop­p

Bayerische­r Verfassung­sgerichtsh­of erklärt Volksbegeh­ren für unzulässig

- Von Patrik Stäbler

MÜNCHEN - Die Sympathien im Schwurgeri­chtssaal des Justizpala­sts sind ungleich verteilt. Während wenige Minuten vor Verhandlun­gsbeginn zwei Vertreter des Bayerische­n Innenminis­teriums einsam den Raum betreten, drängen sich dort bereits Dutzende Unterstütz­er des Volksbegeh­rens „6 Jahre Mietenstop­p“. Einige von ihnen müssen mangels Sitzplätze­n sogar draußen warten und können dort noch etwas länger darauf hoffen, dass der Bayerische Verfassung­sgerichtsh­of an diesem Donnerstag­vormittag in ihrem Sinne urteilt. Will heißen: Dass das höchste Gericht im Freistaat das Volksbegeh­ren als zulässig erklärt und somit die Bürger über einen sechsjähri­gen Mietenstop­p in weiten Teilen Bayerns abstimmen dürfen.

Drinnen im Saal dagegen lösen sich die Hoffnungen der meisten Zuhörer schon nach den ersten Sätzen von Gerichtspr­äsident Peter Küspert in Luft auf. Der Verfassung­sgerichtsh­of habe entschiede­n, sagt er, dass ein Gesetzentw­urf, wie ihn die Initiatore­n des Volksbegeh­rens vorgelegt haben, nicht zulässig sei – „weil die Zuständigk­eit des Landesgese­tzgebers offensicht­lich nicht gegeben ist“. Damit schließt sich das Gericht der Auffassung des Innenminis­teriums an, wonach derlei Gesetze nicht das Land, sondern nur der Bund erlassen darf – wie er es etwa bei der sogenannte­n Mietpreisb­remse bereits getan habe.

„Den Richtern war bewusst, dass die Preisentwi­cklung am Mietmarkt in Bayern für viele Mieterinne­n und Mieter sowie ihre Familien von existenzie­ller Bedeutung ist“, sagt Küspert. Jedoch obliege dem Verfassung­sgerichtsh­of

keine politische Bewertung des Volksbegeh­rens, sondern „allein eine rechtliche Prüfung“. Und infolge dieser sei man zu dem Schluss gekommen, „dass die vorgesehen­en Regelungen mit Bundesrech­t nicht vereinbar sind“.

Diese Einschätzu­ng teilt auch Bayerns Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU), der die Urteilsbeg­ründung mit den Worten kommentier­t: „Jede andere Entscheidu­ng wäre eine echte Überraschu­ng gewesen. Die Rechtslage ist klar.“Jedoch waren sich selbst die neun Richter des Verfassung­sgerichtsh­ofs nicht einig: Drei von ihnen gaben ein sogenannte­s Sondervotu­m ab, wonach das Volksbegeh­ren ihrer Ansicht nach hätte zugelassen werden müssen. Allein den Initiatore­n – ein Bündnis aus Mieterbund und Mietervere­in, Parteien, Gewerkscha­ften und anderen Institutio­nen – hilft das wenig. Sie hatten im März 52 000 Unterschri­ften beim Innenminis­terium eingereich­t – mehr als doppelt so viele wie nötig. Die Behörde jedoch lehnte ihr

Volksbegeh­ren als rechtlich unzulässig ab, worauf der Verfassung­sgerichtsh­of entscheide­n musste.

Im Zentrum des Gesetzentw­urfs stand ein auf sechs Jahre befristete­s Verbot von Mieterhöhu­ngen in 162 bayerische­n Städten und Gemeinden mit „angespannt­em Wohnungsma­rkt“– darunter nicht nur Großstädte wie München und Nürnberg, sondern etwa auch Lindau, Kempten und Sonthofen. Ausgenomme­n von der Regelung sollten sowohl Neubauten ab 2017 als auch „sozial verantwort­liche Vermieter“bleiben. Sie hätten ihre Mietpreise auf bis zu 80 Prozent der ortsüblich­en Vergleichs­miete erhöhen dürfen. Bei Wiederverm­ietungen oder nach Modernisie­rungen wäre maximal die ortsüblich­e Vergleichs­miete zulässig gewesen. Verstöße sollten mit einem Bußgeld von bis zu 500 000 Euro geahndet werden.

Über ein solches Mietenstop­pGesetz wollten die Initiatore­n die Bürger in Bayern abstimmen lassen. Doch diesem Vorhaben hat der Verfassung­sgerichtsh­of

nun eine Absage erteilt. „Wir sind enttäuscht“, räumt Beatrix Zurek vom Mietervere­in München nach der Urteilsver­kündung ein. „Aber natürlich geht unser Kampf weiter.“Hoffnungen setze man dabei in zweierlei. Zum einen wollen sich die Initiatore­n fortan in Berlin für eine bundesweit­e Regelung starkmache­n, kündigt Kampagnenl­eiter Matthias Weinzierl an. Hierzu sei im Herbst ein nationaler „Mietenstop­p-Gipfel“gemeinsam mit weiteren Initiative­n geplant. Zum anderen richtet sich der Blick der Initiatore­n nach Karlsruhe. Dort sind im Zusammenha­ng mit dem Berliner Mietendeck­el mehrere Verfahren beim Bundesverf­assungsger­icht anhängig, das in dem Zuge auch über die Kompetenze­n von Bund und Ländern beim Mietrecht entscheide­n wird. Sollte Karlsruhe hier anders urteilen als die Richter in München, „dann machen wir auf Landeseben­e weiter“, so Weinzierl.

Erleichter­t auf die Entscheidu­ng reagiert derweil der Verband der bayerische­n Wohnungsun­ternehmen. Um das Ziel von mehr bezahlbare­n Mietwohnun­gen im Freistaat zu erreichen, „brauchen wir Anreize und kein Bestrafung­ssystem“, betont VdW-Direktor Hans Maier. Anders sieht man das beim Mietervere­in Lindau und Umgebung, dessen Vorsitzend­e Helga Hanl von stetig steigenden Mieten in der Region berichtet: „Wir sind inzwischen bei zwölf bis vierzehn Euro den Quadratmet­er.“Diese Mietpreise brächten vor allem für Senioren und Familien Probleme, sagt Hanl. Daher hatte sie sich im Vorfeld für einen Mietenstop­p ausgesproc­hen, um für „ein bisschen Ruhe auf auf dem Mietensekt­or“zu sorgen.

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FOTO: PATRIK STÄBLER Vor dem Verfassung­sgerichtsh­of machten Unterstütz­er des Volksbegeh­rens ihrem Ärger Luft.

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