Das Ende für den Mietenstopp
Bayerischer Verfassungsgerichtshof erklärt Volksbegehren für unzulässig
MÜNCHEN - Die Sympathien im Schwurgerichtssaal des Justizpalasts sind ungleich verteilt. Während wenige Minuten vor Verhandlungsbeginn zwei Vertreter des Bayerischen Innenministeriums einsam den Raum betreten, drängen sich dort bereits Dutzende Unterstützer des Volksbegehrens „6 Jahre Mietenstopp“. Einige von ihnen müssen mangels Sitzplätzen sogar draußen warten und können dort noch etwas länger darauf hoffen, dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof an diesem Donnerstagvormittag in ihrem Sinne urteilt. Will heißen: Dass das höchste Gericht im Freistaat das Volksbegehren als zulässig erklärt und somit die Bürger über einen sechsjährigen Mietenstopp in weiten Teilen Bayerns abstimmen dürfen.
Drinnen im Saal dagegen lösen sich die Hoffnungen der meisten Zuhörer schon nach den ersten Sätzen von Gerichtspräsident Peter Küspert in Luft auf. Der Verfassungsgerichtshof habe entschieden, sagt er, dass ein Gesetzentwurf, wie ihn die Initiatoren des Volksbegehrens vorgelegt haben, nicht zulässig sei – „weil die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers offensichtlich nicht gegeben ist“. Damit schließt sich das Gericht der Auffassung des Innenministeriums an, wonach derlei Gesetze nicht das Land, sondern nur der Bund erlassen darf – wie er es etwa bei der sogenannten Mietpreisbremse bereits getan habe.
„Den Richtern war bewusst, dass die Preisentwicklung am Mietmarkt in Bayern für viele Mieterinnen und Mieter sowie ihre Familien von existenzieller Bedeutung ist“, sagt Küspert. Jedoch obliege dem Verfassungsgerichtshof
keine politische Bewertung des Volksbegehrens, sondern „allein eine rechtliche Prüfung“. Und infolge dieser sei man zu dem Schluss gekommen, „dass die vorgesehenen Regelungen mit Bundesrecht nicht vereinbar sind“.
Diese Einschätzung teilt auch Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU), der die Urteilsbegründung mit den Worten kommentiert: „Jede andere Entscheidung wäre eine echte Überraschung gewesen. Die Rechtslage ist klar.“Jedoch waren sich selbst die neun Richter des Verfassungsgerichtshofs nicht einig: Drei von ihnen gaben ein sogenanntes Sondervotum ab, wonach das Volksbegehren ihrer Ansicht nach hätte zugelassen werden müssen. Allein den Initiatoren – ein Bündnis aus Mieterbund und Mieterverein, Parteien, Gewerkschaften und anderen Institutionen – hilft das wenig. Sie hatten im März 52 000 Unterschriften beim Innenministerium eingereicht – mehr als doppelt so viele wie nötig. Die Behörde jedoch lehnte ihr
Volksbegehren als rechtlich unzulässig ab, worauf der Verfassungsgerichtshof entscheiden musste.
Im Zentrum des Gesetzentwurfs stand ein auf sechs Jahre befristetes Verbot von Mieterhöhungen in 162 bayerischen Städten und Gemeinden mit „angespanntem Wohnungsmarkt“– darunter nicht nur Großstädte wie München und Nürnberg, sondern etwa auch Lindau, Kempten und Sonthofen. Ausgenommen von der Regelung sollten sowohl Neubauten ab 2017 als auch „sozial verantwortliche Vermieter“bleiben. Sie hätten ihre Mietpreise auf bis zu 80 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöhen dürfen. Bei Wiedervermietungen oder nach Modernisierungen wäre maximal die ortsübliche Vergleichsmiete zulässig gewesen. Verstöße sollten mit einem Bußgeld von bis zu 500 000 Euro geahndet werden.
Über ein solches MietenstoppGesetz wollten die Initiatoren die Bürger in Bayern abstimmen lassen. Doch diesem Vorhaben hat der Verfassungsgerichtshof
nun eine Absage erteilt. „Wir sind enttäuscht“, räumt Beatrix Zurek vom Mieterverein München nach der Urteilsverkündung ein. „Aber natürlich geht unser Kampf weiter.“Hoffnungen setze man dabei in zweierlei. Zum einen wollen sich die Initiatoren fortan in Berlin für eine bundesweite Regelung starkmachen, kündigt Kampagnenleiter Matthias Weinzierl an. Hierzu sei im Herbst ein nationaler „Mietenstopp-Gipfel“gemeinsam mit weiteren Initiativen geplant. Zum anderen richtet sich der Blick der Initiatoren nach Karlsruhe. Dort sind im Zusammenhang mit dem Berliner Mietendeckel mehrere Verfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig, das in dem Zuge auch über die Kompetenzen von Bund und Ländern beim Mietrecht entscheiden wird. Sollte Karlsruhe hier anders urteilen als die Richter in München, „dann machen wir auf Landesebene weiter“, so Weinzierl.
Erleichtert auf die Entscheidung reagiert derweil der Verband der bayerischen Wohnungsunternehmen. Um das Ziel von mehr bezahlbaren Mietwohnungen im Freistaat zu erreichen, „brauchen wir Anreize und kein Bestrafungssystem“, betont VdW-Direktor Hans Maier. Anders sieht man das beim Mieterverein Lindau und Umgebung, dessen Vorsitzende Helga Hanl von stetig steigenden Mieten in der Region berichtet: „Wir sind inzwischen bei zwölf bis vierzehn Euro den Quadratmeter.“Diese Mietpreise brächten vor allem für Senioren und Familien Probleme, sagt Hanl. Daher hatte sie sich im Vorfeld für einen Mietenstopp ausgesprochen, um für „ein bisschen Ruhe auf auf dem Mietensektor“zu sorgen.