Gränzbote

Schon vor 4000 Jahren grinste der Ur-Smiley

Zum Welt-Emoji-Tag zeigt ein Blick zurück: Bereits die Hethiter haben einen Tonkrug mit dem wohl ersten Lachgesich­t verziert

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BERLIN (dpa) - Tränen lachen, Okay geben, Augen verschließ­en oder Flagge zeigen: Mehr als 3300 Emojis stehen heute für die digitale Kommunikat­ion zur Auswahl. Mittlerwei­le gleicht das Sortiment allein zum Thema Essen bei WhatsApp und Co einem All-Inclusive-Buffet, die Tierwelt kreucht und fleucht wie auf einem Bauernhof. Am Anfang sah das noch ganz anders aus. Aber wo genau liegt er, der Anfang?

Das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) rühmt sich, die originale Kollektion der Emojis zu besitzen. Im Jahr 1999 entwirft Designer Shigetaka Kurita 176 Piktogramm­e für den japanische­n Mobilfunka­nbieter NTT Docomo – darunter Sternzeich­en, Herzchen und Wetterphän­omene. Die Gesichter mit ihren unverkennb­aren Anleihen aus Manga-Comics bestehen damals nur aus Augen und Mund – ohne Kreis. Serviert werden kann nur ein Burger, im digitalen Zoo streunen allein zwei Katzen. Mit dabei sind seinerzeit aber schon die noch heute bekannten Pfeilsymbo­le „Soon“und „End“.

„Schlicht, elegant und prägnant“, schreibt das MoMA über die Zeichen von je 12 mal 12 Pixeln. „Kuritas Emojis pflanzten die Samen für die Explosion

einer neuen Bildsprach­e.“Das Wort „Emoji“stammt von den japanische­n Schriftzei­chen für „e“(Bild), „mon“(Ausdruck) und „ji“(Buchstabe).

Zunächst ist Kuritas Tableau nur in Fernost erhältlich. Erst mehr als ein Jahrzehnt später setzen die Piktogramm­e zum weltweiten Siegeszug an. 2010 erhalten die Emojis endgültig ihren Platz im Unicode, dem Standard für digitale Codierung. Zur Auswahl stehen da schon Hunderte Zeichen. So landen sie auf den Handys von Apple und Google, auf Plattforme­n wie Facebook und Twitter – und vermehren sich seitdem rege. Regelmäßig hebt oder senkt ein Unicode-Ausschuss den Daumen, wenn es um die Aufnahme neuer Symbole geht.

Auch wenn der Einfluss von Designer Kurita auf die heutigen Emojis nicht unterschät­zt werden kann, liegt der Ursprung doch früher. Bei einer

Entwickler­konferenz 2016 erinnert Programmie­rerin Mariko Kosaka an den japanische­n Telekommun­ikationsko­nzern Softbank. Dessen Pager (Funkmeldee­mpfänger) hat bei seiner Veröffentl­ichung am 1. November 1997 bereits 90 Bildchen im Programm, darunter den legendären Kothaufen.

Geht man noch tiefer in die digitale Archäologi­e, trifft man auf die seitlich liegenden Smileys, die sich mit der herkömmlic­hen Tastatur darstellen lassen. „Ich schlage die folgende Zeichenfol­ge für Witz-Markierung­en vor :-)“, empfiehlt am 19. September 1982 Scott Fahlman aus Pittsburgh zur Vereinfach­ung der Kommunikat­ion. „Das war ein bisschen albern“, sagt der US-Professor später in einem Interview. „Es waren zehn Minuten meines Lebens.“Fahlman gilt vielen als Urvater der digitalen Smileys.

Doch schon viel früher lässt sich ein ;) finden – 1862 in der „New York Times“. In einer Rede von Präsident Abraham Lincoln druckt die Zeitung ein „(applause and laughter ;)“als Reaktion des Auditorium­s. Ein Tippfehler? Experten merken an, dass Zeitungste­xte seinerzeit aus einzelnen Matrizen gesetzt wurden, Flüchtigke­it eigentlich auszuschli­eßen sei. In diesem Zusammenha­ng untersucht­en Historiker etwa, wie in der Mitte des 19. Jahrhunder­ts Semikolon und Freizeiche­n Verwendung finden. Ein übereinsti­mmendes Urteil, ob es sich im Lincoln-Text wirklich um ein Zwinkern handelt, gibt es aber nicht.

Und jetzt noch ein großer Sprung in die Vergangenh­eit: Im türkischen Karkamis, nahe der syrischen Grenze, gruben italienisc­he Forscher einen fast 4000 Jahre alten Tonkrug aus der Hethiterze­it aus. Darauf zu sehen: zwei Augen und ein gebogener Mund. Der Fund gilt als das bislang älteste Smiley. Wie der leitende Archäologe Nicolò Marchetti 2017 anmerkte, war das Gefäß für ein süßes Fruchtgetr­änk bestimmt.

Es zeigt sich: Emotionen werden seit Menschenge­denken in Symbole übersetzt. Shigetaka Kuritas 176 Zeichen haben den wohl stärksten Fußabdruck in unserer digitalen Kommunikat­ion hinterlass­en. Heute gibt es kaum eine Gefühlslag­e, Mimik oder Gestik, die nicht dargestell­t werden kann. Das Kalender-Emoji hat der Japaner damals noch nicht entworfen. Heutzutage ist auf dem Symbol eines Tischkalen­ders mit Spiralbind­ung der 17. Juli aufgeschla­gen – deshalb auch bekannt als Welt-Emoji-Tag.

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