Im Nieder Gang
Café Bereiche steht auf dem Aufsteller vor einer Bäckerei in Oberschwaben. Ein seltsamer Name, nie gehört, denkt man kurz – aber dann klingelt es. Natürlich müsste es Café-Bereiche heißen, mit Bindestrich, denn es geht hier nicht um den Eigennamen eines Cafés wie bei Café Maier oder Café
Bergblick, sondern um den Hinweis, dass während der Corona-Krise abgetrennte Ecken zum Verzehr eingerichtet sind. Und das sind dann CaféBereiche, mit der Betonung auf Café und vor allem zwingend mit Bindestrich geschrieben.
Aber was heißt schon Zwang in Zeiten einer sich verflüchtigenden Rechtschreibung. Gerade bei zusammengesetzten Substantiven nimmt die Aufweichung der Normen mehr und mehr groteske Formen an. Wo laut Regelwerk immer noch die Zusammenschreibung oder die Schreibung mit Bindestrich klar vorgeschrieben ist, wird heute hemmungslos getrennt, sodass man schon von der Deppen-Leerstelle spricht. Zum Beispiel bei der Werbung – Pflege Öl,
Auto Markt, Winter Kollektion. Oder
auf Speisekarten – Kerbel Suppe, Schweine Schnitzel, Zitronen Eis.
Aber auch bei Institutionen, die es eigentlich besser wissen müssten: Wenn die Tübinger Eberhard Karls
Universität in ihrem Logo heute die Bindestriche weglässt, weil sie das schick findet, so kann man nur noch den Kopf schütteln. Denn dann ist es – um es schwäbisch zu sagen – dem
Eberhard Karl sei Universität, und nicht mehr die Hochschule, die man einst zu Ehren von Graf Eberhard im Barte und Herzog Karl Eugen so nannte.
Gründe für diesen unseligen Trend gibt es viele: So haben heutige Grafiker – wie gerade anklang – einen Horror vor in ihren Augen altmodischen Zeichen wie dem Bindestrich. Wenn zudem Produktnamen auf Verpackungen über mehrere Zeilen gehen, stören die zu langen Komposita, weil man dann mit der Schriftgröße nicht hinkommt oder womöglich ein Bindestrich ans Zeilenende rutscht. Dann wird lieber forsch und falsch getrennt. Aber das greift dann leider auf normale Texte über. Selbstverständlich hat diese Mode auch mit dem Einfluss des Englischen zu tun. Dort gibt es zwar verschiedene Arten der Bildung von Komposita, aber die Getrenntschreibung wie bei school bus (Schulbus), summer sale (Sommerschlussverkauf)
oder dinner table (Esszimmertisch) ist stark vertreten, und dieses Muster färbt zusehends ab.
Auch die automatische Rechtschreibprüfung im PC oder auf dem Smartphone leistet der Leerstelle Vorschub. Diese Programme meckern viele nach unseren Regeln zusammengesetzte Hauptwörter, vor allem ausgefallenere, als inkorrekt an und schlagen dann eine falsche Trennung vor. Deswegen trennen etliche Schreiber lieber von vorneherein, und so wird aus der Autowäsche eben die Auto Wäsche.
Schließlich gerät der Bindestrich immer mehr ins Abseits, weil er bei Smartphone-Tastaturen erst auf der zweiten Ebene liegt. Da muss man dann zweimal zusätzlich klicken – und dieser Mehraufwand geht der Social-Media-Generation wohl im wahrsten Wortsinn gegen den Strich. Als ein Schriftsteller Ende der 1920er-Jahre für einen neuen Roman eine Privatorthografie entwarf und absichtlich alle Komposita trennte, schrieb Kurt Tucholsky in seiner Rezension: „Welch ein Bock-Mist!“So hart wollen wir es jetzt nicht sagen. Aber einen Nieder Gang in der Sprach
Kultur bedeutet die Leerstellen-Manie allemal.