Streit um Regelschulbetrieb hält an
Gewerkschaften warnen – Ansteckungsrisiko laut neuer Studie bei Kindern geringer
BERLIN/SYDNEY/STUTTGART (AFP/ dpa/kab) - Während in Baden-Württemberg und Bayern die Sommerferien gerade erst begonnen haben, sind sie in anderen Bundesländern bereits vorbei – und damit läuft die Diskussion über die geplante Rückkehr zum Regelschulbetrieb trotz der Corona-Krise. Die Kritik daran verstummt nicht. Bereits am Montag hatte SPD-Chefin Saskia Esken die Rückkehr zum Regelschulbetrieb eine „Illusion“genannt. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnte am Dienstag: „Die Schulöffnungen stellen ein hohes Risiko dar.“Auch die Lehrergewerkschaft
Verband Bildung und Erziehung (VBE) hält den Normalbetrieb für unrealistisch.
„Es wird keinen flächendeckenden, vollumfänglichen Regelschulbetrieb wie vor Corona geben“, sagte VBE-Chef Udo Beckmann am Dienstag der „Welt“. Die bisher geplanten Hygienemaßnahmen zum Schuljahresbeginn werden Beckmann zufolge nicht ausreichen, „wenn die Gesundheit von allen an Schule Beteiligten einem nicht noch größeren Risiko ausgesetzt werden soll“. GEW-Chefin Marlis Tepe sagte der „Passauer Neuen Presse“, es sei grundsätzlich gut, dass die Kinder wieder in die Schule gehen könnten. Sie befürchte aber, dass es in „manchen Schulen“keinen normalen Regelbetrieb geben könne.
Derweil macht eine neue Studie aus Australien Mut. Das Risiko für Corona-Ausbrüche in Schulen und Kindergärten lasse sich demnach gut managen. Obwohl mit dem Virus infizierte Lehrer und Kinder ihre Einrichtungen aufgesucht hätten, als sie bereits infektiös waren, seien nur wenige weitere Menschen infiziert worden, berichten Forscher im Fachjournal „The Lancet Child & Adolescent Health“. Das effektive Verfolgen von Kontakten Infizierter und die
Quarantäne seien Schlüssel dafür, die Ausbreitung zu verhindern.
Eine Analyse der Forscher ergab zudem, dass das Virus merklich häufiger zwischen Erwachsenen oder von einem Erwachsenen auf ein Kind übertragen wurde als von einem Kind auf einen Erwachsenen oder zwischen Kindern. Das bestätigt die Funde der sogenannten Heidelberger Studie. Hierfür hatten die UniKliniken im Südwesten im Auftrag der Landesregierung 2500 ElternKind-Paare untersucht und ähnliche Schlüsse gezogen. Kinder seien keine Treiber des Infektionsgeschehens, so die Forscher.
SYDNEY/LONDON (dpa) - Das Risiko für Corona-Ausbrüche in Schulen und Kindergärten lässt sich einer Studie aus Australien zufolge mit Maßnahmen wie Kontaktverfolgung gering halten. Obwohl mit dem Virus infizierte Lehrer, Betreuer und Kinder ihre jeweilige Einrichtung aufgesucht haben, als sie bereits infektiös waren, seien dort nur wenige weitere Menschen infiziert worden, berichten Forscher im Fachjournal „The Lancet Child & Adolescent Health“. Schlüssel dafür sei das effektive Verfolgen von Kontakten Infizierter gewesen.
Anders als in vielen anderen Ländern waren die Schulen in Australien während der ersten Ausbreitungswelle begleitet von Abstands- und Hygieneregeln offen geblieben. Forscher um Kristine Macartney von der Universität Sydney hatten von Januar bis April für 25 Schulen und Kindergärten im Bundesstaat New South Wales Infektionszahlen und -wege erfasst. Gab es in einer Einrichtung einen Nachweis, wurden die engen Kontakte des Betroffenen identifiziert. Diese Menschen wurden angehalten, 14 Tage in Quarantäne zu gehen und regelmäßig nach Symptomen gefragt. Gab es diese, wurde ein Test veranlasst.
Zwölf Kinder und 15 Lehrer/Betreuer besuchten ihre jeweilige Einrichtung demnach auch zu einer Zeit, in der sie infektiös waren – also etwa am Tag vor dem Auftreten erster Symptome. Von ihren 1448 Kontaktpersonen dort erkrankten lediglich 18 an Covid-19. Betroffen war neben drei Schulen vor allem ein Kindergarten, in dem ein Erwachsener das Virus auf sechs Erwachsene und sieben
Kinder übertrug. Eine Detailanalyse, bei der auch Antikörpertests gemacht wurden, ergab, dass Sars-CoV-2 merklich häufiger zwischen Erwachsenen oder von einem Erwachsenen auf ein Kind übertragen wurde als von einem Kind auf einen Erwachsenen oder zwischen Kindern.
Die Forscher gehen auch auf die Schwächen ihrer Studie ein: So seien die meisten der engen Kontaktpersonen nur getestet worden, wenn sie Symptome entwickelten. Es sei anzunehmen, dass einige mild oder symptomlos verlaufene Fälle nicht erfasst wurden. Hinzu komme, dass die Schulen offengeblieben seien, die Kinder aber angehalten waren, wenn möglich von daheim aus zu lernen. Kurz vor dem Ferienstart im April habe das Gros der Schüler das gemacht.
In dem Fachjournal stellen Forscher um Jasmina Panovska-Griffiths vom University College London zudem eine Modellanalyse für sechs Szenarien zur Öffnung der Schulen nach den Ferien in Großbritannien vor. Betrachtet wurde das potenzielle Infektionsgeschehen etwa bei rotierendem Unterricht jeweils für einen Teil der Schüler. Demnach muss es für eine Vollzeit-Schulöffnung gelingen, etwa drei Viertel der symptomatischen Infektionen zu erkennen und zu isolieren, um eine Ausbreitung eindämmen zu können. Zudem müsse dafür ein Großteil der Kontaktpersonen Infizierter erfasst werden. Die Modellrechnung lasse den Schluss zu, dass die Schulen in Großbritannien – begleitet von einer effizienten Testund Kontaktverfolgungsstrategie – problemlos wieder öffnen können.
PFORZEN/TÜBINGEN (AFP/dpa/KNA) - Den Schädel eines rund elf Millionen Jahre alten Riesenkranichs haben Forscher im Ostallgäu gefunden. Bei dem Fossil aus der einschlägig ergiebigen Tongrube Hammerschmiede bei Pforzen handle es sich um den frühesten Nachweis eines großen Kranichs in Europa, teilte die Eberhard-Karls-Universität Tübingen jetzt mit.
Die neu entdeckte Art stehe möglicherweise am Beginn der Evolution der Echten Kraniche (Gruinae). Das Tier dürfte demnach der größte Vogel zu Lebzeiten von „Udo“gewesen sein – des zweibeinigen Menschenaffen
(Danuvius guggenmosi), dessen Fund in der Hammerschmiede gegen Ende des vergangenen Jahres Annahmen zur Evolution des aufrechten Gangs infrage gestellt hatte. Seine versteinerten Überreste nämlich ließen den Schluss zu, dass er sich vor 11,62 Millionen Jahren sowohl auf zwei Beinen als auch kletternd fortbewegen konnte. Die Fähigkeit, aufrecht zu gehen, gilt als zentrales Merkmal von Menschen.
Der Kranich indes sei 1,75 Meter groß gewesen und habe Spannweiten bis zu 2,80 Meter besessen, sagte Gerald Mayr vom Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt. Die Größe entspreche den größten heute lebenden Kranichen – dem asiatischen Saruskranich und dem afrikanischen Klunkerkranich –, erklärten Mayr sowie Thomas Lechner und Madelaine Böhme vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen. Beide Kranicharten erreichen die Größe eines erwachsenen Menschen und haben Flügelspannweiten von 2,60 bis 2,80 Meter.
Der Schnabel des elf Millionen Jahre alten Tieres deutet laut Grabungsleiter Lechner (Universität Tübingen) darauf hin, dass der Riesenkranich an offenem Süßwasser gelebt und sich dort wohl von Wurzeln und Rhizomen von Wasserpflanzen ernährt hat, die er mithilfe eben seines Schnabels ausgegraben habe. Die entsprechenden Lebensräume hätten damals im Ostallgäu weitgehend vorgeherrscht.
Über ihre Analysen berichteten die Forscher im Fachmagazin „Journal
of Ornithology“. – In der ehemaligen Ziegelei „Hammerschmiede“entdeckte der Hobbyarchäologe Sigulf Guggenmos 1972 die ersten Fossilien – an ihn soll der Name Danuvius guggenmosi erinnern.