„Es ist wie Schweben beim Tauchen ohne Luftgerät“ Die Ravensburger Künstlerin Barbara Ehrmann nimmt in ihren mystischen Bildräumen Bezug zur Unterwasserwelt
Viele Künstler haben in der Corona-Krise die Farbe für sich entdeckt. Auch Sie?
Das kann ich so nicht sagen. Nach der Absage des Projekts in der Türkei habe ich zunächst mit stillen, kleinen, streng reduzierten Zeichnungen in Serie angefangen. Thematisch ging es dabei um die äußere Ruhe und die innere Unruhe – also diese Gegenläufigkeit innerhalb unserer Gesellschaft in Zeiten der Pandemie. Das war meine künstlerische Antwort auf diese Krise. Gleichzeitig bin ich beim Aufräumen meines Lagers auf Bilder gestoßen, die ich 2010 für einen Kunst-am-BauWettbewerb gemalt habe. Das Motiv war für das tiermedizinische Institut in Aulendorf gedacht. Damals grassierte ja die Schweinegrippe und ich habe deshalb interessanterweise kugelartige Coronaviren grafisch in meine Bilder eingebaut.
Im Moment ist das Leben von Ungewissheit geprägt. Fühlen Sie sich mit ihren Arbeiten, die etwas Schwebendes haben, bestätigt?
Ja, total. Die Situation ist für mich geräume
rade wie beim Apnoetauchen – also das Tauchen ohne Atemluftgerät, nur mit einem Atemzug –, wenn man schwerelos im Wasser schwebt. Hinter diesem ästhetischen Aspekt steckt allerdings stets etwas leicht Beunruhigendes. Diese einsamen, melancholisch überschatteten Bildziehen sich ja immer wieder durch mein Werk. Sie sind meditativ angelegt, denn es geht auch um das Nach-Innen-Schauen.
Sie arbeiten häufig in Serien. Was beschäftigt Sie momentan?
Das Motiv der Unterwasserwelt mit
ihren Schwämmen und Korallen und Luftbläschen. Hinzu kommen kleine, im Bildraum manchmal verloren wirkende menschliche Figuren, die mit Gewichten belastet sind oder sich davon frei machen bzw. mit abstrakten „Schwimmkörpern“interagieren. Für frische Impulse sorgte dafür mein Aufenthalt neulich auf der Insel Elba, als man endlich wieder reisen durfte. Das Schwimmen und Apnoetauchen im Meer, in diesem blauen, unendlich anmutenden Raum hat mich mal wieder aufs Neue dazu inspiriert. Wobei ich das Motiv des Schwebezustandes seit vielen Jahren immer wieder durchspiele, schon in Zeiten vor meiner Tauchleidenschaft.
Was macht Sie glücklich?
Bezogen auf die Kunst erfüllt es mich mit Freude, wenn ich so eine fertige Serie anschaue. Aber es gibt ja noch viele andere Freuden im Leben – zum Beispiel wie unser Garten wächst. Ich war während des Lockdowns mit dem Garten so eng verbunden wie noch nie. Ich habe mich natürlich auch viel damit beschäftigt und konnte beobachten, wie die Natur im Frühjahr explodiert. Die Gartenarbeit hat mich geerdet, auch wenn die innere Verunsicherung natürlich immer da war.
Viele Künstlerinnen beklagen, dass der Kunstmarkt auch heute noch weit entfernt von Gleichbehandlung ist.
Ich sehe zur Zeit eine erfreuliche Tendenz. Das Museum Biberach zum Beispiel hat ja in einem großen Projekt Künstlerinnen ins Licht gerückt. In der Ausstellung kann man feststellen, dass Frauen unglaublich tolle Sachen machen. Gleichzeitig gibt es in den vergangenen Jahren immer mehr Künstlerinnen, die auch international erfolgreich sind. Da ist schon einiges aufgeholt worden. Wenn ich an meine Akademiezeit denke, da gab es nur männliche Professoren. Das hat sich zum Glück geändert, heute lassen sich die Frauen nicht mehr die Butter vom Brot nehmen.
Werden Werke von Künstlerinnen auch schlechter bezahlt?
Ich stelle schon fest, dass Künstlerinnen sich schwer tun, einen hohen Preis zu verlangen. Meine männlichen Kollegen sind da deutlich selbstbewusster, während wir Frauen eher bescheiden und selbstkritisch sind. Da hilft ein engagierter Galerist ungemein. Wobei es mir wichtig ist, authentisch zu bleiben und keinem Hype hinterherzurennen.
Viele Künstler aus Oberschwaben sind in die Großstadt gezogen. War das nie eine Option für Sie?
Als ich nach meiner Zeit an der Akademie in Stuttgart mit meinem Mann zurück nach Oberschwaben kam, habe ich anfangs gelitten. Mitte der 1990er-Jahre erhielt ich ein Stipendium an der Cité des Arts in Paris, das motivierte mich zu weiteren Arbeitsaufenthalten in dieser aufregenden Stadt. Da bin ich dann eine Zeitlang viel hin- und hergereist. Irgendwann habe ich dann aber festgestellt, dass die Großstadt auf Dauer nichts für mich ist. Ich brauche die Ruhe zum Arbeiten. Und inzwischen ist auch hier, vor Ort und in nächster Umgebung, kulturell so viel Spannendes geboten. Deshalb bin ich schon am richtigen Ort.