ENRW-Ansiedlung in Neufra ist umstritten
Der Versorger will die Standorte Spaichingen und Rottweil dort zusammenlegen – Ortstermin anberaumt
ROTTWEIL-NEUFRA/SPAICHINGEN (sbo/sz) - Die ENRW versorgt neben Spaichingen auch noch andere Gemeinden des nördlichen Landkreises Tuttlingen mit Gas und Wasser. Dazu, – auch um die Fristen bei Störungen halten zu können –, hat sie auch einen Standort in Spaichingen. Jetzt sollen in Neufra die Standorte Rottweil und Spaichingen zusammen gelegt werden. Dagegen hat sich Widerstand gebildet.
Der Grund: Einige Bürger halten das beabsichtigte Gelände in der Au für ein „Filetstück, das nicht mit einem Großbetrieb belegt werden soll. Es blieben dann nur noch 7000 Quadratmeter für Bauplätze übrig. Außerdem fürchteten die Protestierer, dass mehr Fahrzeugverkehr in den 120-Einwohner-Ort komme. Dass Gewerbe und Wohnen sowieso in diesem Gebiet vorgesehen war, das sei von Anfang an so gewesen, hatte der Ortsvorsteher gesagt. Die ENRW als moderner Dienstleister sei da ein angenehmer Nachbar.
Die Pläne sollten bis 2025 umgesetzt sein, der bisherige schwer zugängliche Standort am Neckar mit Wohnungen oder anderem in das Landesgartenschaukonzept für 2028 einbezogen werden.
In Spaichingen, wo 15 Mitarbeiter arbeiten, will die ENRW nicht ganz verschwinden, sondern einen Kundenshop zur Beratung und Vertragsfragen einrichten, so hatte die Mitteilung im April geheißen.
Ortstermin vergangene Woche: 30 Grad, sengende Sonne und ein heißes Thema: Im Streit um den geplanten ENRW-Neubau in Neufra kam es zum Schlagabtausch an Ort und Stelle.
Die Stadtverwaltung hatte zum Termin im Gebiet Berland im Rahmen einer öffentlichen Ortschaftsratssitzung eingeladen. Mit dabei: ENRW-Chef Christoph Ranzinger, Stadt- und Ortschaftsräte sowie knapp 100 interessierte Bürger – sowohl Gegner als auch Befürworter. Die Debatte wurde zum Teil höchst emotional ausgetragen.
Und auch zum Sonnenuntergang kam man noch auf keinen gemeinsamen Nenner – es blieb die Zusage von Oberbürgermeister Ralf Broß, die Bürger eng in das nun folgende Planungsverfahren einzubinden.
Die Gegner hatten die bislang fehlende Information der Bevölkerung mehrfach bemängelt. OB Broß betonte dagegen, dass diese im Frühjahr den Coronabedingungen zum Opfer gefallen sei.
Dass in Neufra auf 10 000 Quadratmetern die neue ENRW-Zentrale entstehen soll, hatten viele Neufraer über die Zeitung erfahren – etliche von ihnen haben sich in einer Interessengemeinschaft zusammengetan, um das ihrer Ansicht nach überdimensionierte Projekt im Ort zu verhindern.
Direkt auf dem von den Gegnern als „Filetstück“bezeichneten Grundstück wurden nun Fragen geklärt, über die es bislang nur wenig öffentliche Informationen gab. „Wir scheuen den Dialog nicht, wir wollen Rede und Antwort stehen“, betonte Broß. In Leserbriefen und Flyern seien zum Teil „Halbwahrheiten“in Umlauf gebracht worden. Nun wolle man „Klartext reden“.
Dies tat denn auch zunächst Ortsvorsteher Willy Schaumann, der die Grundsatzentscheidung des Ortschaftsrats verteidigte. Gegen eine Gewerbeansiedlung mit 150 zukunftssicheren Arbeitsplätzen zu stimmen, das hätte wohl ebenso einen Aufschrei gegeben. In Anbetracht der Tatsache, dass in Neufra jährlich zwei bis drei Bauplätze nachgefragt würden, sei man weiter mit Bauland gut versorgt.
ENRW-Chef Christoph Ranzinger, der bislang mit näheren Infos zu den Plänen höchst zurückhaltend gewesen war, erklärte: „Wir sind ein moderner Energiedienstleister und kein Bauhof.“Auf dem Gelände entstünde ein Verwaltungsgebäude für 90 der 139 Mitarbeiter, ein überdachtes Lager und ein Logistikbereich. „Ein Großteil der Fläche wird für Parkplätze genutzt“, versicherte er mit Blick auf die befürchtete Verkehrsproblematik.
Der Fuhrpark umfasse 45 Fahrzeuge, zudem gebe es pro Stunde höchstens eine Anfahrt. Er zeigte sich überrascht, dass die Ansiedlung so kritisch aufgenommen wird. Woanders würde man die ENRW mit Kusshand aufnehmen.
Dies würden sich etliche Neufraer wünschen, allen voran Reinhold Fetzer, der engagiert die Sicht der Interessengemeinschaft schilderte, auf den Verlust von Bauplätzen hinwies und Alternativ-Standorte ins Spiel brachte. Man habe einiges geprüft, so Broß.
Was das Gewerbegebiet Inkom angehe, so mache man sich „unglaubwürdig“, wenn man einen städtischen Betrieb in Zimmern ansiedle.
Vor allem, wenn dieser, wie die ENRW, die Nähe zu Spaichingen sucht.
Bürgermeister Christian Ruf und Fachbereichsleiter Lothar Huber gingen auf Details der Bebauungsplanänderung und die noch vorhandenen Bauplätze – inklusive Baulücken – ein, konnten damit aber die Bedenken der Kritiker nicht zerstreuen. Manchmal, so eine Anliegerin in einem emotionalen Appell, müsse man eben mit dem Herzen entscheiden. Die große ENRW-Ansiedlung sei nicht das Richtige für Neufra und seine Entwicklung – dabei wisse sie wohl, dass das Gebiet irgendwann bebaut werde.
OB Broß appellierte, „nicht im Streit“auseinanderzugehen, sondern gemeinsam im Bebauungsplanverfahren nach einer verträglichen Lösung zu suchen. Auf zahlreiche Einwendungen muss die Verwaltung gefasst sein.