Gränzbote

Krautwicke­l von Oma sind die Besten

Die Geschichte einer Spaichinge­rin zeigt, wie wichtig Großeltern für ihre Enkel sind

- Von Regina Braungart

SPAICHINGE­N - Einer Spaichinge­r Oma wird in diesem Moment, wenn sie ihre Zeitung aufschlägt, vermutlich die Sprache wegbleiben. „Schuld“daran ist ihre Enkelin Adina, die sich mit einer Mail mit dem Betreff „Das muss in Ihre Zeitung!“gemeldet und in einem späteren Gespräch die Geschichte einer ganz einfachen, aber auch ganz besonderen Frau erzählt hat, ihrer Oma Anna Damm, die heute 85 Jahre alt wird.

„Omas Krautwicke­l sind die Besten.“Sie hat sie Adina immer mit zum Studium eingepackt. Hinter dieser Geste verbirgt sich alles an Wärme und Fürsorge, die Adina und ihr Bruder Andreas Alk von der Oma genossen haben. Wie wichtig Großeltern für ihre Enkel sein können, das zeigt diese Geschichte.

Anna Krachtus wird am 25. August 1935 in Rumänien, im Dorf Colonie Bulgara im Banat geboren. In ihrem Dorf leben hauptsächl­ich bulgarisch­stämmige Leute, aber auch eine große Anzahl Deutschstä­mmige wie Anna Krachtus, und Ungarnstäm­mige, wenig Rumänen. Das bringt es mit sich, dass sie heute das ganze Wartezimme­r unterhalte­n kann - sogar, wenn dort neben Deutsch auch Ungarisch, Rumänisch oder Bulgarisch geredet wird, lacht ihre Enkelin.

Anna Krachtus erlebte wie die meisten Frauen ihrer Generation, dass ihr ihre Rolle durch die Position in der Familie, vor allem als Älteste, oder auch durch das Geschlecht zugeschrie­ben wurde. Und damit auch ein Teil des Selbstbewu­sstseins geprägt wurde.

„Ich bin halt dumm“, ist so ein standardsp­ruch der Oma, - weil sie nur zwei Jahre lang in die Schule durfte und dann in der Landwirtsc­haft arbeiten musste. Es ist fast ironisch, dass sie dann auch noch Kindsmagd für die Lehrerskin­der war, während der in der Schule andere Kinder unterricht­ete.

Für die Enkelin ist die Oma klug, lebensklug mangels formeller Ausbildung, stark und alles andere als dumm. Sie, 33 Jahre alt, hat sich zusammen mit ihrem Partner Arne Kocher, den sie 2009 im Studium (Druck- und Medientech­nologie) in Stuttgart kennen gelernt hatte, mit einer eigenen Agentur namens Schwarzwal­d Anker selbststän­dig gemacht. Adina Alk hat auch Mediengest­altung in Hechingen studiert, unter anderem in Chemnitz und als Prozessing­enieurin in einer Leiterplat­tenfirma gearbeitet Also ein fachlich breites Spektrum abgebildet - Kurz, ihre Frau gestanden. Aus dieser Perspektiv­e ist das Bild, das die Oma von sich hatte, schon gleich gar nicht akzeptabel. Adina Alk und Arne Kocher haben ein Video über das Leben der Oma gedreht, darin viele Bilder eingebette­t und auch die zahlreiche­n Szenen, die die Beziehung in der Familie und mit der Enkelin verdeutlic­hen.

Und dabei gab es offensicht­lich jede Menge Spaß und Blödsinn: ein gemeinsame­r Schönheits­tag mit Maske, rote Pappnasen im Krankenhau­s, Gesellscha­ftsspiele, das Abgewöhnen des „Ich bin dumm“-Satzes mittels Coachings mit Selbstbest­ätigungen („Ich bin klasse“, ich liebe mich“) und vieles anderes. Es sei ihr nicht leicht gefallen, diese Stempel abzulösen. Aus dem, auf einem Flipchart präsentier­ten, Übungssatz „Ich liebe mich“wurde dann regelmäßig „Ich liebe mich - und euch“.

Alle zwei Wochen ist das junge Paar in Spaichinge­n bei der Oma, auf die sonst Pflegekräf­te und Adinas Vater samt seiner Cousine achten.

Die Familie war bereits 1983 von Rumänien nach Deutschlan­d übergesied­elt. Also Oma Anna, Opa Johann (Hans) Damm, den sie am 6. September 1958 geheiratet hatte und Adinas Mutter Rosalia. Der Vater, Eugen Alk, kam est 1985 nach. Adinas Mutter, 1959 geboren, hatte es besonders schwer gehabt, sie hatte schon als Kind Typ-1-Diabetes und die Gesundheit­sversorgun­g war nicht besonders gut. Auch das ein Grund, warum die Großeltern nach Deutschlan­d übersiedel­n wollten.

Die Oma hat die Familie immer unterstütz­t, die Kinder zum Kindergart­en gebracht, ihre legendären Krautwicke­l gekocht und die Familie zusammen gehalten. Alle am Tisch zu haben, das war das Größte, erinnert sich die Enkelin. Für sie war und ist die Oma wie eine Mutter.

Schicksals­schläge hätten sie noch mehr zusammen geschweißt, sagt Adina Alk in ihrem Oma-Video. 1997 starb Anna Damms Mutter und ihr Fels in der Brandung, ihr Mann Hans. 2015 schlug das Schicksal noch einmal zu: Tochter, Rosalia, Adinas Mutter, bekam eine Krebsdiagn­ose. Sie starb 59-jährig 2018.

„Das Leben ist wie ein Rubbellos,manchmal gewinnt man, manchmal verliert man“, ist der erste Satz in dem Video, das das junge Paar über das Leben der Oma gedreht hat. Arne

Kocher nennt die Oma auch Oma und lebt die starke Bindung innerhalb der Familie mit. Gerade auch, als in diesem Jahr die Angst um die Oma besonders groß war: Erst ein Oberschenk­elhalsbruc­h Ende Januar, dann eine Lungenentz­ündung und dann, ganz unverhofft, auch noch eine Lungenembo­lie. Das alles habe ihr nur immer noch deutlicher gemacht, was eigentlich wichtig ist und welchen Wert ein so guter Zusammenha­lt in der Famlie bedeutet, sagt Adina Alk.

Sie habe höchsten Respekt vor der Oma, ihrer Lebensleis­tung, davor, dass sie nach dem Bruch mühsam wieder laufen gelernt hat. Diese Erfahrung in seiner „Spaichinge­r Familie“wirke inzwischen auch in seine eigene Familie hinein, sagt ihr Arne Kocher.

Adina hat während der Krankheits­phasen der Oma - es stand Spitz auf Knopf - die Veranwortu­ng für die Pflege und Organisati­on übernommen. „Wir sind dankbar für jeden Moment“, sagt Arne Kocher.

Neben Rubbellose­n liebt Oma Anna auch die Queen besonders, weil sie ähnlich alt ist, und so mächtig ist und es zu etwas gebracht hat. Die „Queen von Spaichinge­n“aber soll an ihrem Ehrentag kräftig gefeiert werden.

 ?? FOTO: ADINA ALK ?? Oma Anna Damm mit ihrer Enkelin Adina und deren Partner Arne Kocher. Die Oma wird heute 85 Jahre alt.
FOTO: ADINA ALK Oma Anna Damm mit ihrer Enkelin Adina und deren Partner Arne Kocher. Die Oma wird heute 85 Jahre alt.
 ?? FOTO: ADINA ALK ?? Spaß mit der Oma beim Ausprobier­en von Schönheits­masken.
FOTO: ADINA ALK Spaß mit der Oma beim Ausprobier­en von Schönheits­masken.

Newspapers in German

Newspapers from Germany