Eine Woche, ein neues Leben
Vom Aushilfscaddie zum Golfstar – Badenerin Popov verbessert sich nach Cinderella-Story um 280 Plätze
TROON (dpa) - Die Tränen flossen bei Sophia Popov schon vor dem letzten Putt. In der Gewissheit, als erste deutsche Golferin ein Majorturnier zu gewinnen, ließ die 27-Jährige im altehrwürdigen Royal Troon Golf Club ihren Emotionen freien Lauf. „Es ist eine unglaubliche Geschichte“, sagte Popov nach ihrem Sieg bei der British Open mit tränenerstickter Stimme. „Ich denke, deshalb bin ich beim 18. Loch zusammengebrochen. Einfach, weil es etwas ist, wovon ich vor einer Woche nicht mal geträumt habe.“
Eigentlich wollte die in den USA lebende Popov ihre Golftasche schon in die Abstellkammer packen. Lange Zeit wurde sie von einer mysteriösen Krankheit zurückgeworfen. Verschiedenste Symptome quälten sie, ungefähr 20 Ärzte gaben ihre Meinung ab, sie verlor Gewicht. Am Ende stand nach drei Jahren die Diagnose Lyme-Borreliose – die mit Abstand häufigste durch Zecken übertragene Krankheit. Dazu kamen sportliche Rückschläge: Sie verlor ihre Spielberechtigung für die LPGA Tour, der höchsten Klasse bei den Damen, und verpasste die erneute Qualifikation nur um einen Schlag. Ein bisschen war die bis dato Weltranglisten-304. trotzdem dabei: Vor drei Wochen trug sie beim Re-Start der LPGA Tour nach der CoronaPause als Aushilfscaddie die Schläger ihrer Freundin Anne van Dam.
„Ich hätte letztes Jahr fast aufgehört zu spielen. Gott sei Dank habe ich es nicht getan. Es fühlt sich unglaublich an“, sagte die in der Nähe von Boston geborene und im badischen Weingarten aufgewachsene Popov. „Da steckt viel harte Arbeit hinter. In den letzten sechs Jahren musste ich mich durch so viele Schwierigkeiten kämpfen.“Zwar spüre sie noch gelegentlich Symptome, aber insgesamt habe sie die Krankheit nun gut im Griff.
Popov strich einen Siegerscheck über 675 000 US-Dollar ein – mehr als das Sechsfache, was sie zuvor in ihrer gesamten Karriere gewonnen hatte. Zudem kletterte sie in der Weltrangliste um 280 Positionen auf Rang 24. Dabei wäre der Triumph beim mit 4,5 Millionen Dollar dotierten Turnier beinahe nicht möglich gewesen. Erst im letzten Moment hatte sie einen Startplatz bei einem Qualifikationsturnier ergattert – aufgrund einiger Absagen wegen der Corona-Krise. Knapp qualifizierte sie sich für das Major, wo sie nach nur einer Trainingsrunde ihren größten Erfolg feierte. „Die British Open waren eigentlich nur ein Bonus für mich“, sagte Popov. Bei den Herren waren aus Deutschland bislang nur Bernhard Langer (Masters 1985, 1993) und Martin Kaymer (PGA Championship 2010, US Open 2014) bei einem Major erfolgreich. „Eine einzige Woche hat mein Leben auf den Kopf gestellt“, schrieb Popov. Nun muss sie keine Taschen mehr für andere tragen. Ab der kommenden Saison hat sie für fünf Jahre eine Startberechtigung auf der LPGA Tour.