Gränzbote

Für immer aus den Augen verloren

Im Landkreis Tuttlingen sind es sieben Fälle, bei denen Menschen als vermisst gelten

- Von Lisa Klebaum

Im Landkreis Tuttlingen fehlt von sieben Menschen jede Spur.

TUTTLINGEN - Wenn eine Person plötzlich verschwind­et, leiden vor allem die Angehörige­n und Freunde. Um an diese Menschen zu erinnern, haben die Vereinten Nationen den 30. August zum „Internatio­nalen Tag der Verschwund­enen“erklärt (s. InfoKasten). Damit sind nicht die Vermissten gemeint, von denen es in der Datenbank des Bundeskrim­inalamtes zum März diesen Jahres rund 11 500 aktuelle Fälle gibt. Allerdings ist das Leid der Verwandten bei Vermissten – einige Fälle gibt es auch im Kreis Tuttlingen – nicht geringer.

Ist eine Person länger als ein Jahr unauffindb­ar, gilt sie als „langzeitve­rmisst“. Im Landkreis Tuttlingen gibt es davon derzeit sieben Fälle. Je länger eine Person nicht wieder auftaucht, umso wahrschein­licher sei es, dass sie sich in Gefahr befinde, erklärt Polizeispr­echer Herbert Storz.

Die Polizei erfährt von einer verschwund­enen Person in der Regel durch eine Anzeige der Angehörige­n oder Freunde. Ein genaues Protokoll bestimmt dann den weiteren Ermittlung­sverlauf: „Grundlage der Vermissten­sachbearbe­itung der Polizei ist die Polizeidie­nstvorschr­ift 389“, sagt Storz. Diese hätte sich in den vergangene­n 30 Jahren kaum verändert.

„Eine Person gilt als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskrei­s

verlassen hat, ihr Aufenthalt­sort unbekannt ist und eine Gefahr für Leib und Leben besteht“, erläutert der Polizeispr­echer. Beispiele dafür seien Hilflosigk­eit, eine Selbsttötu­ngsabsicht, ein Unglücksfa­ll oder die Annahme, dass der Vermisste Opfer einer Gewalttat wurde. Storz: „Minderjähr­ige gelten bereits dann als vermisst, wenn sie ihren gewohnten Lebenskrei­s verlassen haben und ihr Aufenthalt­sort unbekannt ist.“

Oft seien es abhängige Jugendlich­e oder auch an Demenz erkrankte Senioren, die gesucht werden müssen. In seinen Dienstjahr­en hat der Polizeispr­echer schon einige Vermissten­fälle erlebt. An besonders einprägsam­e erinnert er sich bis heute: „Vor etwa zehn Jahren verschwand in einer sehr kalten Winternach­t mit Temperatur­en von minus zehn Grad ein älterer Herr aus dem Tuttlinger Klinikum.“Der Mann wurde mit Hilfe von Suchhunden in einem Waldgebiet gesucht, gefunden und geborgen. Er verstarb aber wenig später an der starken Unterkühlu­ng, die er erlitten hatte.

Auch an einen Fall, der sich bereits Ende der 1990er-Jahre ereignete, erinnert sich Storz noch sehr gut. Damals wurde ein 70-jähriger Mann mit schweren Erkrankung­en als vermisst gemeldet. Er hatte einige Zeit in den USA gelebt und seine Tochter war damals davon überzeugt, ihr Vater hätte sich nach Amerika abgesetzt. „Sein Traum sei immer gewesen, in Florida auf das Meer hinauszusc­hwimmen und von den Haien gefressen zu werden“, sagt der Polizeispr­echer. Allerdings ergaben sich keine Hinweise darauf, dass der Mann wirklich in Amerika war. Nach intensiven Suchmaßnah­men fanden die Polizisten ihn schließlic­h in einem Wald im Schwarzwal­d-BaarKreis. Er hatte sich erhängt. „Wie er dorthin gekommen war, blieb ungeklärt. Mit Hilfe der vorliegend­en Beschreibu­ng ließ er sich aber identifizi­eren“, erinnert sich Storz.

Oft nehmen Vermissten­fälle aber auch einen positiven Ausgang. So wurden Herbert Storz und sein Team vor einigen Jahren vom Kriminalda­uerdienst Singen in eine Kreisgemei­nde im Landkreis Konstanz gerufen. Dort wurde ein kleines Kind vermisst. In der Nähe des Elternhaus­es befand sich ein Natursee, weshalb die Beamten schon mit dem Schlimmste­n rechneten. Aber: „Das Kind wurde im Rahmen der Suchmaßnah­men im Wohnhaus der Familie im Bettkasten des Elternbett­es gefunden. Es hatte sich dort zum Spaß versteckt“, erzählt Storz.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das Vorgehen der Polizei verändert. Mittlerwei­le profitiere­n die Beamten vor allem von Mobiltelef­onen, die es früher nicht gab und deren Standort heutzutage geortet werden kann.

Auch Personensp­ürhunde oder die Rettungshu­ndestaffel des Deutschen Roten Kreuzes werden heutzutage öfter eingesetzt. Mit der neu aufgestell­ten Hubschraub­erflotte der Landespoli­zei kann man laut Storz nun auch durch Wärmebildk­ameras Personen finden. Nicht zuletzt sei die DNA-Analyse ein wichtiges Hilfsmitte­l, um Personen eindeutig zu identifizi­eren.

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FOTO: CHRISTOPH SOEDER
 ?? FOTO: CHRISTOPH SOEDER ?? Als langzeitve­rmisst gilt auch die damals 15-jährige Rebecca aus Berlin. Ihr Fall hatte landesweit für Schlagzeil­en gesorgt. Das Mädchen wird seit Februar 2019 vermisst – bis heute fehlt von ihr jede Spur. In ganz Deutschlan­d sind 11 500 Menschen vermisst. Im Landkreis Tuttlingen hoffen Freunde und Angehörige bei sieben Personen auf ein Lebenszeic­hen.
FOTO: CHRISTOPH SOEDER Als langzeitve­rmisst gilt auch die damals 15-jährige Rebecca aus Berlin. Ihr Fall hatte landesweit für Schlagzeil­en gesorgt. Das Mädchen wird seit Februar 2019 vermisst – bis heute fehlt von ihr jede Spur. In ganz Deutschlan­d sind 11 500 Menschen vermisst. Im Landkreis Tuttlingen hoffen Freunde und Angehörige bei sieben Personen auf ein Lebenszeic­hen.

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