Ein bisschen mehr Schärfe
Bund und Länder bei neuen Corona-Regeln nur in einigen Punkten einig Bayern bleibt bei Teststrategie – Baden-Württemberg erhöht Bußgeld – Größe von Familienfeiern strittig
BERLIN/STUTTGART - Seit Monaten wird über mehr bundesweite Einheitlichkeit im Kampf gegen die CoronaPandemie debattiert. Am Donnerstag haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder angesichts steigender Infektionszahlen auf neue Leitplanken bei den Regeln und einige Verschärfungen geeinigt – doch nicht alle ziehen konsequent mit. Zudem gab es keine Einigung bei den vom Bund vorgeschlagenen einheitlichen Obergrenzen für private Feste und Feiern.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat sich am Donnerstagabend
klar zu den Beschlüssen bekannt. Denn: „Die zweite Jahreshälfte wird nicht leichter als die erste“, sagte er bei einer online übertragenen Ansprache in Stuttgart. „Wenn wir Schulen und Kitas in wenigen Wochen nicht nur öffnen, sondern offen halten wollen, müssen die Infektionszahlen wieder weiter runter.“In einem Detail weicht der Südwesten von den gemeinsamen Regelungen ab. Schon jetzt gilt im ÖPNV ein Mindestbußgeld von 100 Euro, wenn Reisende die Maskenpflicht bewusst missachten. Daran will das Land festhalten. In allen anderen Bereichen lag das Bußgeld im Südwesten bis dato bei 25 Euro. Kretschmann kündigte an, dies nun konsequent auf 50 Euro zu erhöhen. Bayern bleibt bei den Strafen für Maskenverweigerer bei der deutlich schärferen Strafe von 250 bis 500 Euro.
Bis zum Jahresende verboten bleiben Großveranstaltungen, bei denen eine Kontaktverfolgung und das Einhalten von Hygieneregelungen nicht möglich ist. Zum einheitlichen Umgang mit Zuschauern bei bundesweiten Sportveranstaltungen wird eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Sie soll bis Ende Oktober Vorschläge vorlegen. Damit ist klar, dass die Fußball-Bundesliga zum Saisonstart im September ihre Spiele vor leeren Zuschauerrängen austragen muss.
Bei der Teststrategie gibt es keine bundesweit einheitliche Regelung. Die kostenlosen Corona-Tests für Einreisende aus Nichtrisikogebieten sollen zum Ende der Sommerferien mit dem 15. September beendet werden. Reiserückkehrer aus Risikogebieten sollen demnächst eine Corona-Quarantäne durch einen Test frühestens ab dem fünften Tag nach Rückkehr beenden können. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte jedoch an, an den kostenlosen Tests im Freistaat mindestens bis 1. Oktober festhalten zu wollen. So lange können sich an Flughäfen, Autobahnen und Bahnhöfen weiter alle Freiwilligen auf eine Ansteckung testen lassen – genau wie jeder Bürger bei Ärzten und in den kommunalen Testzentren.
Bei der Pressekonferenz mit Merkel lobte Söder dennoch den Grundkonsens. Er sprach von einer gemeinsamen Philosophie, die ermögliche, „regional angepasst“zu reagieren.
BERLIN/STUTTGART - Viereinhalb Stunden haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag über einheitliche Corona-Regeln gesprochen und gestritten. Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) sprach anschließend von einer „sehr intensiven Sitzung“mit unterschiedlichen Positionen. Lebhaft wurde es Teilnehmern zufolge vor allem zwischen Merkel und Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff.
Warum kam es zu der Sitzung?
Anlass waren das Ende der Sommerpause und die steigenden Ansteckungszahlen. Man nehme diesen Anstieg „sehr ernst“, sagte Merkel. Vor allem deshalb, weil der Herbst und mit ihm mehr Veranstaltungen in Gebäuden nahten. Dies begünstigt Forschern zufolge die Übertragung des Virus. „Corona ist wieder voll da in Deutschland“, sagte auch Söder und mahnte, die Zahlen seien „zu früh zu hoch“.
Wie soll eine zweite Welle verhindert werden?
Vor allem durch Disziplin. Nicht nur Merkel lobte die Erfolge des Frühjahrs. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach am Donnerstagabend in Stuttgart von einem „großen Erfolg“des ersten Halbjahres. „Wir haben aus einem Corona-Hotspot eine Region mit niedrigen Infektionszahlen gemacht“, erklärte er. Dieser Erfolg sei durch die steigenden Infektionszahlen in Gefahr. „Deshalb müssen wir alle wieder umsichtiger sein“, mahnte der Regierungschef und bekannte sich klar zu den Beschlüssen, die er gemeinsam mit den Länderkollegen und Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen hat. Konsens sei, dass die Infektionszahlen wieder sinken müssen
Worauf konnte sich die Runde nicht einigen?
Vor allem auf bundeseinheitliche Regeln für private Feiern. Dort gibt es von Bundesland zu Bundesland verschiedene Regeln und Vorgaben. In Bayern sind bei Feiern unter freiem Himmel bis zu 200 Personen erlaubt, in Baden-Württemberg dürfen bei privaten Veranstaltungen sogar bis zu 500 Personen zusammen feiern. Durchaus möglich, dass sich die Länderregeln aber ändern, denn Privatfeiern gelten als Ausbruchsherd. „Wir werden das Infektionsgeschehen in Zusammenhang mit privaten Feiern genau im Auge behalten und reagieren, wenn es nötig werden sollte“, kündigte Kretschmann an.
Was ist mit großen Konzerten, Festen und der Fasnet?
Das Verbot von Großveranstaltungen soll vorerst bis zum 31. Dezember verlängert werden. Allerdings ist nicht ganz klar, was Großveranstaltungen sind. Auch bleibt vorerst offen, ob Weihnachtsmärkte oder Fasnetsveranstaltungen möglich sind. Für Sportveranstaltungen mit Publikum soll eine Länder-Arbeitsgruppe Regeln erarbeiten.
Drohen den Kitas und Schulen wieder generelle Lockdowns?
Nachdem der Schulbetrieb in fast allen Bundesländern wieder angelaufen ist, wurden zwar einzelne Schulen wegen Corona geschlossen. Einen generellen Lockdown will die Politik aber vermeiden. Man wolle gewährleisten, dass die Wirtschaft, die Schule und die Kita funktionierten, sagte Söder.
Kommt überall ein Bußgeld für Maskenmuffel?
Abgesehen von Sachsen-Anhalt wollen alle Bundesländer ein Mindestbußgeld von 50 Euro für Verstöße gegen die Maskenpflicht einführen. Das Bußgeld kann auch durchaus höher ausfallen, in Bayern sind es 250 Euro.
Warum schert Sachsen-Anhalt aus?
Ministerpräsident Reiner Haseloff begründet das damit, dass die Sachsen-Anhalter sich sowieso an die Vorgaben halten. Tatsächlich ist die Corona-Belastung im Bundesland niedrig – wie generell im meist dünn besiedelten Ostdeutschland. Haseloff dürfte damit Kritikern im eigenen Land entgegenkommen: In Sachsen-Anhalt regiert eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Die steht unter Druck: Teile der CDU fordern mehr Nähe zur zweitstärksten Partei, der AfD. Im nächsten Jahr wird gewählt.
Was ändert sich für Reisende?
Freiwillige Testungen von Rückkehrern aus Nichtrisikogebieten werden ab dem 16. September kostenpflichtig. Rückkehrer aus Risikogebieten
haben sich umgehend in Quarantäne in die eigene Wohnung zu begeben und dort mindestens fünf Tage lang zu bleiben. Möglicher Verdienstausfall wegen dieser Quarantäne soll künftig nicht mehr erstattet werden, wenn jemand ohne dringenden Grund (Urlaub gilt nicht) ausreiste.
Schwenkt Bayern bei den CoronaTests auf Bundeslinie ein?
Nein, der Freistaat beharrt trotz Kontrollpanne auf seinem Sonderweg. „Aus meiner Sicht war die bisherige Teststrategie richtig“, sagte Söder und begründete dies auch mit zahlreichen auf diesem Weg entdeckten Infektionen. Deshalb sollen die Tests für Reisende in Bayern „als wichtiger Service“kostenlos bleiben.
Warum soll die Maskenpflicht in Bussen und Zügen über „erhöhte Beförderungsentgelte“umgesetzt werden?
Auf diese Weise könnten auch Schaffner die Einhaltung kontrollieren und Maskenverweigerer ähnlich wie Schwarzfahrer behandeln. Zudem könnte das Zugpersonal auch bei Fahrten durch Sachsen-Anhalt durchgreifen.