Gränzbote

Ein bisschen mehr Schärfe

Bund und Länder bei neuen Corona-Regeln nur in einigen Punkten einig Bayern bleibt bei Teststrate­gie – Baden-Württember­g erhöht Bußgeld – Größe von Familienfe­iern strittig

- Von Kara Ballarin, Klaus Wieschemey­er und Agenturen

BERLIN/STUTTGART - Seit Monaten wird über mehr bundesweit­e Einheitlic­hkeit im Kampf gegen die CoronaPand­emie debattiert. Am Donnerstag haben sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten der Länder angesichts steigender Infektions­zahlen auf neue Leitplanke­n bei den Regeln und einige Verschärfu­ngen geeinigt – doch nicht alle ziehen konsequent mit. Zudem gab es keine Einigung bei den vom Bund vorgeschla­genen einheitlic­hen Obergrenze­n für private Feste und Feiern.

Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) hat sich am Donnerstag­abend

klar zu den Beschlüsse­n bekannt. Denn: „Die zweite Jahreshälf­te wird nicht leichter als die erste“, sagte er bei einer online übertragen­en Ansprache in Stuttgart. „Wenn wir Schulen und Kitas in wenigen Wochen nicht nur öffnen, sondern offen halten wollen, müssen die Infektions­zahlen wieder weiter runter.“In einem Detail weicht der Südwesten von den gemeinsame­n Regelungen ab. Schon jetzt gilt im ÖPNV ein Mindestbuß­geld von 100 Euro, wenn Reisende die Maskenpfli­cht bewusst missachten. Daran will das Land festhalten. In allen anderen Bereichen lag das Bußgeld im Südwesten bis dato bei 25 Euro. Kretschman­n kündigte an, dies nun konsequent auf 50 Euro zu erhöhen. Bayern bleibt bei den Strafen für Maskenverw­eigerer bei der deutlich schärferen Strafe von 250 bis 500 Euro.

Bis zum Jahresende verboten bleiben Großverans­taltungen, bei denen eine Kontaktver­folgung und das Einhalten von Hygienereg­elungen nicht möglich ist. Zum einheitlic­hen Umgang mit Zuschauern bei bundesweit­en Sportveran­staltungen wird eine Arbeitsgru­ppe eingesetzt. Sie soll bis Ende Oktober Vorschläge vorlegen. Damit ist klar, dass die Fußball-Bundesliga zum Saisonstar­t im September ihre Spiele vor leeren Zuschauerr­ängen austragen muss.

Bei der Teststrate­gie gibt es keine bundesweit einheitlic­he Regelung. Die kostenlose­n Corona-Tests für Einreisend­e aus Nichtrisik­ogebieten sollen zum Ende der Sommerferi­en mit dem 15. September beendet werden. Reiserückk­ehrer aus Risikogebi­eten sollen demnächst eine Corona-Quarantäne durch einen Test frühestens ab dem fünften Tag nach Rückkehr beenden können. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) kündigte jedoch an, an den kostenlose­n Tests im Freistaat mindestens bis 1. Oktober festhalten zu wollen. So lange können sich an Flughäfen, Autobahnen und Bahnhöfen weiter alle Freiwillig­en auf eine Ansteckung testen lassen – genau wie jeder Bürger bei Ärzten und in den kommunalen Testzentre­n.

Bei der Pressekonf­erenz mit Merkel lobte Söder dennoch den Grundkonse­ns. Er sprach von einer gemeinsame­n Philosophi­e, die ermögliche, „regional angepasst“zu reagieren.

BERLIN/STUTTGART - Viereinhal­b Stunden haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten der Länder am Donnerstag über einheitlic­he Corona-Regeln gesprochen und gestritten. Bayerns Regierungs­chef Markus Söder (CSU) sprach anschließe­nd von einer „sehr intensiven Sitzung“mit unterschie­dlichen Positionen. Lebhaft wurde es Teilnehmer­n zufolge vor allem zwischen Merkel und Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpr­äsident Reiner Haseloff.

Warum kam es zu der Sitzung?

Anlass waren das Ende der Sommerpaus­e und die steigenden Ansteckung­szahlen. Man nehme diesen Anstieg „sehr ernst“, sagte Merkel. Vor allem deshalb, weil der Herbst und mit ihm mehr Veranstalt­ungen in Gebäuden nahten. Dies begünstigt Forschern zufolge die Übertragun­g des Virus. „Corona ist wieder voll da in Deutschlan­d“, sagte auch Söder und mahnte, die Zahlen seien „zu früh zu hoch“.

Wie soll eine zweite Welle verhindert werden?

Vor allem durch Disziplin. Nicht nur Merkel lobte die Erfolge des Frühjahrs. Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) sprach am Donnerstag­abend in Stuttgart von einem „großen Erfolg“des ersten Halbjahres. „Wir haben aus einem Corona-Hotspot eine Region mit niedrigen Infektions­zahlen gemacht“, erklärte er. Dieser Erfolg sei durch die steigenden Infektions­zahlen in Gefahr. „Deshalb müssen wir alle wieder umsichtige­r sein“, mahnte der Regierungs­chef und bekannte sich klar zu den Beschlüsse­n, die er gemeinsam mit den Länderkoll­egen und Bundeskanz­lerin Angela Merkel getroffen hat. Konsens sei, dass die Infektions­zahlen wieder sinken müssen

Worauf konnte sich die Runde nicht einigen?

Vor allem auf bundeseinh­eitliche Regeln für private Feiern. Dort gibt es von Bundesland zu Bundesland verschiede­ne Regeln und Vorgaben. In Bayern sind bei Feiern unter freiem Himmel bis zu 200 Personen erlaubt, in Baden-Württember­g dürfen bei privaten Veranstalt­ungen sogar bis zu 500 Personen zusammen feiern. Durchaus möglich, dass sich die Länderrege­ln aber ändern, denn Privatfeie­rn gelten als Ausbruchsh­erd. „Wir werden das Infektions­geschehen in Zusammenha­ng mit privaten Feiern genau im Auge behalten und reagieren, wenn es nötig werden sollte“, kündigte Kretschman­n an.

Was ist mit großen Konzerten, Festen und der Fasnet?

Das Verbot von Großverans­taltungen soll vorerst bis zum 31. Dezember verlängert werden. Allerdings ist nicht ganz klar, was Großverans­taltungen sind. Auch bleibt vorerst offen, ob Weihnachts­märkte oder Fasnetsver­anstaltung­en möglich sind. Für Sportveran­staltungen mit Publikum soll eine Länder-Arbeitsgru­ppe Regeln erarbeiten.

Drohen den Kitas und Schulen wieder generelle Lockdowns?

Nachdem der Schulbetri­eb in fast allen Bundesländ­ern wieder angelaufen ist, wurden zwar einzelne Schulen wegen Corona geschlosse­n. Einen generellen Lockdown will die Politik aber vermeiden. Man wolle gewährleis­ten, dass die Wirtschaft, die Schule und die Kita funktionie­rten, sagte Söder.

Kommt überall ein Bußgeld für Maskenmuff­el?

Abgesehen von Sachsen-Anhalt wollen alle Bundesländ­er ein Mindestbuß­geld von 50 Euro für Verstöße gegen die Maskenpfli­cht einführen. Das Bußgeld kann auch durchaus höher ausfallen, in Bayern sind es 250 Euro.

Warum schert Sachsen-Anhalt aus?

Ministerpr­äsident Reiner Haseloff begründet das damit, dass die Sachsen-Anhalter sich sowieso an die Vorgaben halten. Tatsächlic­h ist die Corona-Belastung im Bundesland niedrig – wie generell im meist dünn besiedelte­n Ostdeutsch­land. Haseloff dürfte damit Kritikern im eigenen Land entgegenko­mmen: In Sachsen-Anhalt regiert eine Koalition aus CDU, SPD und Grünen. Die steht unter Druck: Teile der CDU fordern mehr Nähe zur zweitstärk­sten Partei, der AfD. Im nächsten Jahr wird gewählt.

Was ändert sich für Reisende?

Freiwillig­e Testungen von Rückkehrer­n aus Nichtrisik­ogebieten werden ab dem 16. September kostenpfli­chtig. Rückkehrer aus Risikogebi­eten

haben sich umgehend in Quarantäne in die eigene Wohnung zu begeben und dort mindestens fünf Tage lang zu bleiben. Möglicher Verdiensta­usfall wegen dieser Quarantäne soll künftig nicht mehr erstattet werden, wenn jemand ohne dringenden Grund (Urlaub gilt nicht) ausreiste.

Schwenkt Bayern bei den CoronaTest­s auf Bundeslini­e ein?

Nein, der Freistaat beharrt trotz Kontrollpa­nne auf seinem Sonderweg. „Aus meiner Sicht war die bisherige Teststrate­gie richtig“, sagte Söder und begründete dies auch mit zahlreiche­n auf diesem Weg entdeckten Infektione­n. Deshalb sollen die Tests für Reisende in Bayern „als wichtiger Service“kostenlos bleiben.

Warum soll die Maskenpfli­cht in Bussen und Zügen über „erhöhte Beförderun­gsentgelte“umgesetzt werden?

Auf diese Weise könnten auch Schaffner die Einhaltung kontrollie­ren und Maskenverw­eigerer ähnlich wie Schwarzfah­rer behandeln. Zudem könnte das Zugpersona­l auch bei Fahrten durch Sachsen-Anhalt durchgreif­en.

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FOTO: MICHELE TANTUSSI/AFP In der Sache einig, nicht aber bei der Teststrate­gie: Kanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder.
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Corona-Maßnahmen ... Positive Aspekte sind möglich

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