Kreis und Straßenmeisterei wollen Straßenränder artenreicher machen
Selten und in Abschnitten sollen künftig die nicht sicherheitsrelevanten Bereiche gemäht werden – BUND findet: sehr sinnvoll
SPAICHINGEN/KREIS TUTTLINGEN - Schon seit vielen Jahren werden die meisten nicht intensiv zu mähenden Grünflächen an Straßenböschungen oder Rändern im Landkreis nur einmal im Jahr von der Straßenmeisterei Spaichingen gemäht. Jetzt berichtet der Landkreis in einer Pressemitteilung, dass im nächsten Schritt ein Konzept erarbeitet wurde, wonach diese Flächen auch nur stückweise, entweder in Streifen oder Abschnitten gemäht werden, damit nicht auf einmal alle Lebensräume von Kleinlebewesen vernichtet sind.
Die Straßenmeisterei Spaichingen und der Landkreis haben sich zusammengesetzt, um Empfehlungen des Landes-Verkehrsministeriums umzusetzen. Das betrifft die Bundes-, Landes- und Kreisstraßen. Bereiche, die die Verkehrssicherheit beträfen, würden weiter intensiv gemäht, so die Pressemitteilung des Kreises.
Aber wie viel Ökologie steckt tatsächlich in dieser Maßnahme? Tatsächlich sei das „Straßenbegleitgrün“, wie diese Bereiche heißen, nicht der ideale Lebensraum, sagt auf unsere Anfrage die Naturschutzreferentin des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Baden-Württemberg, Lilith Stelzner. „Es wird nie ökologisch wichtige Flächen ersetzen, aber es ist ein guter Zusatz“. Derzeit sei jede heimische Blüte mehr zu begrüßen, zumal, wie beabsichtigt, auf diese Weise das Netz an potenziellen Lebensräumen und Anflugstellen („Trittsteine“) zunimmt und Kleintiere und Insekten so ihre Lebensräume finden. Viele Insekten, gerade Wildbienen, haben nur einen beschränkten Radius. Wenn sie innerhalb diesem keine Nahrung finden, sterben sie. Fehlende Biotopvernetzung ist auch eine der Ursachen des Insektensterbens.
Daher seien diese Konzepte sehr zu begrüßen, so Stelzner. Wichtig sei aber nicht nur, dass selten und abschnittsweise gemäht werde, so wie jetzt im Kreis Tuttlingen, sondern auch womit gemäht werde. Denn Kreiselmäher oder Mulchgeräte, wie sie auch in unserem Landkreis benutzt werden, mähten und häckselten nicht nur die Wiese, sondern schredderten auch die Tiere wie Eidechsen und Insekten, die keine Chance hätten zu fliehen. Vielleicht können die Einsparungen, die durch selteneres Mähen möglicherweise zu verbuchen seien, eingesetzt werden, um Doppelmesser- oder Balkenmäher zu kaufen und einzusetzen. Es sei ohnehin am Besten, das Schnittgut abzuräumen, meint Stelzner.
Das aber sei sehr kostspielig, weil das Mahdgut entsorgt werden müsse, so Landratsamtssprecherin Julia Hager auf unsere Rückfrage. Versuche hätten im Übrigen gezeigt, dass das Mulchen eben nicht langfristig zur weiteren Düngung führe, wenn das Gemulchte noch während der Vegetationsphase verrotte. Das bedeutet, dass auch gemulchte Flächen langfristig magerer und damit artenreicher würden.
Für die Naturschutzexpertin des BUND ist aber neben den unmittelbaren Effekten eines extensiven und abschnittsweisen Mähen, dass sich das Bild verändert und sich so die Sehgewohnheiten der Bürger veränderten, so Stelzner. So würden die Menschen mehr und mehr erkennen, dass eine solche Magerwiese viel mehr Wert hat, als ein kurzgeschorener, steriler Rasen.
Und was ist mit der Geschwindigkeit der Autos? Lockt man mit den Blütenrändern nicht erst recht die Insekten in den Tod? Immerhin sindzum Beispiel an der Straße zwischen Balgheim und Dürbheim in manchen Jahren hunderte von toten Hummeln zu beobachten. Würde hier eine Geschwindigkeitsbeschränkung helfen?
Die durch Autos getöteten Insekten würden den positiven Effekt des Kreiskonzepts sicher nicht aufheben, ist Stelzner sicher, und sie kenne auch keine Studie, die sich mit der Frage von Insektensterben und Geschwindigkeitsbeschränkungen beschäftigt. Aber plausibel scheine ihr schon, wenn Insekten mehr Zeit zum Ausweichen bekämen.