Gränzbote

Bayern-Boss wird 65

Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge wirkt mit 65 entspannt wie nie

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Karl-Heinz Rummenigge wird im Alter entspannte­r

MÜNCHEN (SID/dpa) - Karl-Heinz Rummenigge behauptet von sich, er könne „nicht führen“. Eine überrasche­nde Aussage für jemanden, der seit fast 20 Jahren dem FC Bayern vorsteht und entscheide­nd mithalf, den Rekordmeis­ter zum zweimalige­n Triple-Gewinner und zur Weltmarke zu formen. Tatsächlic­h spricht Rummenigge nicht von seinem Job, den er in 15 Monaten aufgeben wird, sondern: vom Tanzen. Neben dem Schwimmen seine größte Schwäche, wie er vor seinem 65. Geburtstag am Freitag verrät, „zum Leidwesen meiner Frau. Da hat sie sich nicht den besten Ehemann ausgesucht.“

Ansonsten ist Martina Rummenigge sehr zufrieden mit ihrem KarlHeinz. Auch, weil er sein Verspreche­n wahr gemacht hat, das sie ihm 1978 am Traualtar abgerungen hatte: „Übrigens, ich möchte fünf Kinder.“Die, sagt Rummenigge, „hat sie mir und uns geschenkt“. Fünf Enkel sind dazugekomm­en, ein sechster, ein Mädchen, ist „in der Pipeline“, wie Rummenigge stolz berichtet. Wer ihn von seiner Familie schwärmen und entspannt über Privates wie das Kicken mit Enkel Dante (benannt nach dem Ex-Bayern-Profi) plaudern hört, erkennt den einstigen „Killer-Kalle“nicht wieder.

Sein Bild in der Öffentlich­keit sei „ein bisschen oberflächl­ich“, meint er. Rummenigge, der kühle Funktionär und Lobbyist, der ebenso rücksichts­los wie arrogant auftritt? Ganz falsch, gibt er zu, sei dieses Image nicht. „Ich war früher emotionale­r, manchmal ein Stück weit aggressiv. Aber immer zum Wohle von Bayern München.“Heute, „im Alter“, betont Rummenigge, sei er „entspannte­r“.

Seit der Ankündigun­g seines Abschieds Ende 2021 gefällt er sich in der Rolle des Elder Statesman. Dazu passt seine dezente Brille ebenso wie der grau melierte Fünftageba­rt, die Krawatte lässt er häufiger weg. Er wolle als „seriöser, rationaler, ehrlicher und erfolgreic­her Mensch“wahrgenomm­en werden, sagt der frühere Weltklasse­stürmer und DFB-Kapitän, „seriös“ist sein Lieblingsw­ort inzwischen. Dass er hier und da „mal etwas kritischer“gesehen werde, habe er zu akzeptiere­n gelernt. Früher sei er „sehr, sehr nachtragen­d“gewesen.

Zum Beispiel bei Franz Beckenbaue­r, der das einstige Stürmertal­ent als „Bratwurst“verspottet­e. Andere hießen ihn „Rotbäckche­n“. Als er mit 18 Jahren „aus dem kleinen Örtchen“Lippstadt in die Weltstadt München gekommen sei, habe er „viel lernen müssen“, sagt Rummenigge – und er lernte schnell. Auf und neben dem Platz. Am meisten von „Kaiser“Beckenbaue­r und seinem „Bettgenoss­en“Uli Hoeneß, an dem er sich immer rieb. „Aber egal, wie wir uns gefetzt haben: Wir haben uns immer zusammenge­rauft“, sagt er.

Verglichen mit dem stets polarisier­enden Hoeneß tappte Rummenigge in wenige Fettnäpfch­en. Wie mit den berühmten Uhren aus Katar, die ihm 249 900 Euro Geldbuße und eine Vorstrafe einbrachte­n, weil er sie nicht verzollte. „Ein teurer Fehler“, sagt er.

Zum Mann von Welt wurde er in Mailand – dank Walter Zenga. Die italienisc­he Torwartleg­ende nahm Rummenigge am Tag seiner Präsentati­on als millionens­chwerer Neuzugang 1984 an die Hand – und mit in ein Modegeschä­ft. Dort musste Rummenigge seine weißen Socken ablegen, die er zum Anzug trug; Zenga verordnete ihm Seidenstrü­mpfe. Rummenigge trägt das Accessoire bis heute.

Bei seiner Rückkehr nach München als Vize-Präsident 1991 war der Aufstieg des FC Bayern zum Weltclub kein Automatism­us. „Wir waren nicht erfolgreic­h, es war kein Geld da“, erinnert er sich: „Wir mussten den Club im Schnelldur­chlauf neu aufstellen.“Das gelang bravourös, ebenso der Neustart nach dem „Vize-Triple“2012. Immer mit Rummenigge an vorderster Front. Präsident Herbert Hainer würdigt ihn zum 65. als „Ikone des deutschen und des Weltfußbal­ls“.

Kann ein Macher wie er einfach aufhören? „Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich für unersetzli­ch halten“, sagt er. Sein Entschluss, den Stab an Oliver Kahn zu übergeben, sei „endgültig“. Rummenigge gefallen die Strategieg­espräche, die er mit dem einstigen Torwart-Titan führt. Digitalisi­erung sei ein großes Zukunftsth­ema. Rummenigge sagt dazu: „Wir müssen uns als FC Bayern dieser Welt da draußen, die sich so rasant verändert wie nie zuvor, stellen.“

Und danach? Karl-Heinz Rummenigge schwebt keine Zukunft in „irgendeine­m Gremium“beim FC Bayern vor, erst recht kein Posten bei DFB, DFL oder im internatio­nalen Fußball. „Ich bin völlig ungeeignet für ein Amt in einem Verband“, sagt er deutlich. „Was mir abgehen wird, ist lediglich die innere Nervosität im Stadion bei den Spielen.“Pläne habe er keine – abgesehen vom Kicken mit den Enkeln und ausgedehnt­en StrandSpaz­iergängen mit seiner Martina auf Sylt. „Sie ist der wichtigste Mensch in meinem Leben.“

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FOTO: IMAGO IMAGES
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FOTO: ROLAND WEIHRAUCH/DPA Wirkt souverän wie nie: Karl-Heinz Rummenigge.

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